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Zwei Bedenken

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Wie immer dies sein mag, in absehbarer Zeit werden die Bonner Politiker schwören müssen. Die SPD macht geltend, je länger die Bundesrepublik mit der Unterschrift zögere, desto mehr gerate sie in Isolierung; sie verärgere die Vereinigten Staaten und verpasse den Anschluß an di Entspannungspolitik. Die Kritiker und Gegner des Beitritts sprechen dagegen von einer Diskriminierung der Bundesrepublik. Sie führen vor allem die folgenden Bedenken an: Erstens: Die Kontrolle durch die Internationale Atombehörde in Wien schalte die Form der Kontrolle aus,die EURATOM gefunden hat. Ganz inoffizielle Fühlungnahmen haben anscheinend ergeben, daß die Wiener Behörde zu einem Entgegenkommen an EURATOM nicht bereit ist. Das zweite Bonner Bedenken gilt der friedlichen Nutzung der Atomenergie. Doch scheint es fast, daß Sowjetrußland bereit sei, Versicherungen abzugeben, wonach die Beteiligung der Staaten, die keine Atomwaffen besitzen, an der friedlichen Nutzung gewährleistet sein soll.

Der Bonner Haupteinwand hat scheinbar mit dem Sperrvertrag gar nichts zu tun. Seit der CSSR-Krise hat Kiesinger mit großer Konsequenz darauf hingewiesen, daß für die Bundesrepublik eine schwere Gefahr entstanden ist. Er denkt dabei nicht allein an die Verschlechterung der strategischen Lage durch die Anwesenheit der Roten Armee in der CSSR. Vielmehr denkt er auch an die Erklärung Moskaus, es könne jederzeit auf Grund der Artikel 53 und 107 der UNO-Charta (Feindstaatenartikel) in der Bundesrepublik intervenieren. Kiesinger sagt: „Solange diese Drohung besteht, kann die Bundesrepublik den Sperrvertrag nicht unterschreiben.“ Es ist nun keineswegs unmöglich, daß Sowjetrußland auch in diesem Punkt bereit ist, mit sich reden zu lassen. Die Westmächte haben zwar keineswegs von dem Umkehrschluß der Feindstaatenartikel Gebrauch gemacht und erklärt, wenn Moskau in der Bundesrepublik, dann könnten sie auch in der „DDR“ intervenieren. Das braucht Moskau also nicht zu befürchten. Aber zunehmend entsteht in Bonn der Eindruck, daß der Kreml mit Nixon m ein großangelegtes Gespräch kommen will und deshalb auch in der deutschen Frage stillhält, wenn nicht gar gewisses Entgegenkommen zeigen will.

So scheint es nicht ausgeschlossen zu sein, daß Moskau zu der Versicherung bereit ist, die Feindstaatenartikel nicht anzuwenden, ohne damit seinen „Rechtsanspruch“ fallen zu lassen. Unter diesen Umständen könnte sich Bonn den Beitritt zum Sperrvertrag nicht länger entziehen.Indes sind dies vorerst lediglich Mutmaßungen. Es muß zunächst festgestellt werden, welche Haltung der Kreml tatsächlich im einzelnen einnimmt.

In Bonn hat man es nicht für zweckmäßig gehalten, selbst die Erkundung im Kreml durchzuführen, wie wohl das deutsch-sowjetische Gespräch weitergehen dürfte. Deshalb hofft Bonn, wie immer, auf den großen Bruder jenseits des Atlantiks. Die Amerikaner sollen nicht nur herausfinden, zu welchen Erklärungen der Kreml bereit ist. Sie sollen den Kreml auch, wenn er sich zu versagen scheint, zu den von Bonn erwünschten Sioherheitsgarantien bewegen.

Mit großer Begeisterung werden die USA an diese Aufgabe schwerlich herangehen. Doch werden sie sich ihr wohl auch nicht versagen, weil sie damit ihr eigenes Anliegen unter Dach und Fach bringen können: den Sperrvertrag als eine weitere Etappe auf dem Wege zu einer umfassenden Verständigung mit der Sowjetunion

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