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Moskaus Arm am Nil
Als bekannt wurde, daß nach dem Irak, nach Syrien, dem Sudan und Südjemen auch Ägypten mit dem „DDR“-Regime in Ost-Berlin Beziehungen aufnehmen will, wurde dies naturgemäß in Bonn sehr bedauert. Zwar zeigten sich Kanzler und Außenminister nicht besonders überrascht. Doch gab sich niemand in Bonn der Illusion hin, daß diese späte Formalie Nassers am Prestige der Bundesrepublik ganz wirkungslos vorbeigehen könnte. Gewiß, die genau bekannten Umstände, die den ägyptischen Staatspräsidenten nach jahrelangem Pendeln zwangen, den sowjetischen Waffen- und Hilfelieferanten in höchster Not zu Willen zu sein, entwerten den Kairoer Akt der Anerkennung der „DDR“ beträchtlich. Da zudem Kairo, das seit vier Jahren keine offiziellen Beziehungen zu- Bundesrepublik mehr hat, gleichzeitig Bonn wissen ließ, daß die Anerkennung der „DDR“ keineswegs die traditionell guten Beziehungen zur Bundesrepublik belasten sollen, wird klar, wie wenig die Entscheidung Ägyptens eine souveräne Entscheidung Kairos gewesen sein kann. Aber auch wenn alle Welt weiß, daß Kairo das Ostberliner kommunistische Regime nur anerkannt hat, weil es ohne diese Anerkennung auf dringend gebrauchte Waffenlieferungen aus der Sowjetunion hätte verzichten müssen, bleibt vor der Öffentlichkeit der Eindruck bestehen, daß nunmehr auch die Führungsmachit im arabischen Raum der Bundesrepublik Deutschland einen „unfreundlichen Akt“ zugefügt hat. Diese Feststellung wird auch nicht gemildert dadurch, daß Bonns große Leistungen
für ägyptische Entwicklungsvorhaben jetzt selbstverständlich auslaufen. Inwieweit Bonn selbst die Möglichkeit sieht, den Trend seiner Entwicklungspolitik nach dem Kairoer Formalschritt zu überprüfen, das wird erst die genaue Beobachtung jener Tendenzen und Hintergründe ergeben, die zu der „Anerkennungs-welle“ im arabischen Raum geführt haben.
Resultat der Pression
Hiebei wird man guttun, den Blick von Nahost nach Moskau hin zu wenden. Wer seit langem mit Besorgnis feststellt, daß Moskaus Einfluß im Nahostraum zuungunsten des Europaeinflusses gewachsen ist, der wird begreifen, warum Moskau seine Hilfe für die revolutionsanfälligen Nahoststaaten mit einem Wunsch nach Anerkennung des „DDR“-Regimes koppelt. Was jetzt nach Irak, Sudan, Syrien, Südjemen mit Ägypten seine vorläufige Krönung gefunden hat, das ist nur am Hintergrund des gefährlich schwelenden Nahostkonfliktes möglich geworden. Indem Moskau den mit Israel verfeindeten Staaten die Bundesrepublik als Israelfreund abstempelte und den ,DDR“-Teil Deutschlands als israelfeindlich offerierte, verleumdete die sowjetische Politik die offizielle Politik Bonns wider besseres Wissen als araberfeindliche Politik. Den arabischen Staaten, denen die Gegnerschaft gegen Israel oft genug den Blick für die Realitäten verdunkelt, war schwer klarzumachen, daß die deutschen Sympathien für Israel sich sehr wohl mit dem Wunsch nach freundschaftlichen Verbindungen mit den arabischen
Staaten vereinigen lassen. Die Bonner Politik nimmt die offizielle Anerkennung der „DDR“ durch Kairo durchaus ernst. Sie betrachtet sie aber keineswegs als einen Prestigegewinn für das Ostberliner Regime, wohl aber als einen Macht- und Ein-flußzuwachs für Moskau. In diesem Zusammenhang muß sich Bonn fragen, ob die Verhandlungen, die in der letzten Woche eine ,,DDR“-Dele-gation unter Führung des Ministerpräsidenten Stoph in Moskau geführt hat, die Souveränität der „DDR“ gestärkt oder geschwächt haben muß. Es scheint sicher, daß Bre-schnjew vor allem darauf bedacht war, die Kooperation oder gar Integration der „DDR“ in den Sowjetraum kräftiger zu verankern als bisher. Ob dies gelungen ist, obwohl oder weil der erkrankte SED-Chef Ulibricht zu Hause geblieben war, mag Spekulation bleiben. Das so dringlich — auch ohne Ulbricht — notwendig erschienene „Vergattern“ der SED-Führung in Moskau deutet jedenfalls darauf hin, daß der Prestigezuwachs aus den arabischen Anerkennungen dem „DDR“-Regime beträchtliche Zusatzleistungen für den Moskauer Brotherrn abverlangen wird. Bonn freilich kann sich nicht damit beruhigen, daß diese Anerkennungen nur das Resultat von Pressionen sind, mit denen die sowjetische Supermacht ihrem Satellitenregime Scheinsouveränitäten einbringt. Bonn muß Sorge tragen, sein hervorragendes Image in allen Teilen der Welt durch eine selbstbewußte Politik des Ausgleichs und der Versöhnung auch gegenüber denen zu befestigen, die gegenwärtig dem sowjetischen Druck erliegen.
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