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Entmutigung fur ckenbauer

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Noch nie rief ein politischer Beschluß einer ausländischen Regierung solche Bestürzung und Erbitterung in Israel hervor als es dieser Tage geschah. Der Beschluß der deutschen Regierung, die Waffenhilfe für Israel einzustellen und das Versprechen der Bundesrepublik gegenüber Ägypten, in der nahen Zukunft Israel nicht anzuerkennen und keine diplomatischen Beziehungen anzuknüpfen, wurde in der arabischen Presse des Mittleren Ostens mit den stärksten Posaunen heraustrompetet und als einzigartiger Trumpf des ägyptischen Staatsoberhauptes Gamal Abdel Nasser dargestellt. In Israel sagte man dazu: „Nur selten konnte Nasser mit einer solch kleinen Anstrengung solch einen großen politischen Trumpf erlangen.“ Die Kreise des israelischen Außenministeriums meinten nun lakonisch: „Wenn irgendein Staat, auch ein kleiner, Hilfe von der Bundesrepublik erpressen will, muß er nur mit einem Ulbricht-Staatsbesuch drohen oder eine eventuelle Andeutung über eine beabsichtigte Anerkennung der DDR machen, und die Bundesrepublik zahlt daraufhin prompt jeden verlangten Preis.“

Eine Zorneswalle, wie sie in der israelischen Presse kaum bekannt war, wurde mit diesem obengenannten Beschluß ausgelöst. Und all dies — so die israelische Presse —, um eine verfahrene deutsche Innenpolitik auf dem Rücken Israels auszutragen. Die israelische Presse erinnert ausführlich an die schlechten Zeiten, als die Versprechungen deutscher offizieller Instanzen oft nicht das Papier wert waren, auf dam sie standen. Es wurde betont, daß das „andere Deutschland“, wie die Bundesrepublik von dem Altpremier David Ben Gurion genannt wurde, nur in seiner Phantasie bestünde, aber in Wirklichkeit, wenn es darauf ankäme, sich fast nichts geändert hätte.

Der Beschluß der Bundesrepublik wurde in allen Zeitungen Israels als Schlagzeile veröffentlicht. Die extremen Kreise, die immer gegen Versöhnung mit Deutschland waren, trumpfen nun auf. Diejenigen Israelis, die die Beziehungen zu Deutschland normalisiert sehen wollten und versuchten, eine Brücke über die Vergangenheit zu schlagen, müssen nun öffentlich zugeben, daß der politische Beschluß, der die Bonn-Kairo-Beziehungen regeln soll, viel mehr ist. Die moralischen Aspekte dieses Beschlusses machen für viele weitere. Jahre eine ernsthafte „Bewältigung“ der Vergangenheit unmöglich.

Die Vorkämpfer der Politik für gute Beziehungen zur Bundesrepublik waren der ehemalige Ministerpräsident David Ben Gurion und der Chef der Israel Mission in Köln, Dr. Pinhas Shinar. Ben Gurion konnte nichts anderes als seine große Enttäuschung ausdrücken, steht er doch selbst nicht mehr am Regierungsruder. Shinar wird das Opfer der neuen deutschen Politik im Mittleren Osten und muß allem Anschein nach mit dieser Episode seine politische Karriere beschließen. Denn oft gegen die Ansichten der Außenministerin, Golda Mair, forderte Shinar mehr Nachsicht und Verständnis für Westdeutschland.

Das Histadruth- und Mapai-Organ „Davar“ schreibt: „Wenn Israel ein uninteressierter Beobachter wäre, so könnte man das diplomatische Spiel zwischen Kairo und Bonin mit Überraschung und einem gewissen Vergnügen beobachten. Ein Staat mit enormen Wirtschaftskräften bricht völlig zusammen vor den Forderungen und Erpressungen eines Landes, das selbst vor einem wirtschaftlichen Disaster steht...“

Vertreter der Bundesrepublik ließen Dr. Shinar wissen, daß es sich hier nicht um eine „völlige Preisgabe Israels“ handelt, sondern daß man eventuell statt Waffen Geld geben würde. Diese Versprechungen wurden in der israelischen Presse nicht günstig aufgenommen. Denn trotz allem ist Geld immer noch nicht alles! Und für die Hallstein-Doktrin als solche hat man hier wenig Verständnis. Wenn man sich bisher noch Gedanken gemacht hatte und der Ansicht war, daß die Bundesrepublik mehr als die DDR für Israel tun will, so überkam nun israelische eingeweihte Kreise das beschämende Gefühl, daß Israel bis-iher in Wirklichkeit nichts anderes als ein Werkzeug der deutschen Politik war, und sowie es nützlich ist, Positionen zu erobern, bei denen Israel im Wege ist, man eben dieses Werkzeug fallenläßt. Weder Frankreich noch England oder die USA, die alle auf eine ähnliche Art von Nasser erpreßt wurden, waren zu solch einem Kuhhandel bereit. Es ist kein Zufall, daß gerade die AEG, Siemens und viele andere großen deutschen Firmen sich dem arabischen Boykott gegen Israel beugten; man hat immer von neuem das Gefühl, Deutschland ist nur bereit, die Vergangenheit wieder gutzumachen, wenn dies in seine wirtschaftliche und politische Konzeption paßt. Doch von einer wahren Wiedergutmachung, an der so viele Deutsche und Juden zusammenarbeiteten, wie dies zum Beispiel in den christlichjüdischen Gesellschaften zum Ausdruck gekommen ist, und welche aus dem Herzen kommt, ist bei Deutschlands Politik im Mittleren Osten nichts zu merken.

Einige Zeitungen schlössen ihre Resümees: „Israel hat seine Schuldigkeit getan — Israel kann gehen.“

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