MEINUNG
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Mai 1964, vor 55 Jahren: Meine erste Israel-Reise als junger Journalist. Begeistert schreibe ich über ein Volk, das aus dem Inferno neu auferstanden ist.
Drei Jahre später arbeite ich in der Kurier-Außenpolitik – und Hugo Portisch schickt mich in den „Sechs-Tage-Krieg“ zwischen Israel und den Arabern, in dem der bedrohte jüdische David den angreifenden Goliath vernichtend besiegen wird. Den Palästinensern gehört noch kaum Aufmerksamkeit.
Meine Kriegsreportagen haben Folgen: Israels politische Elite verwöhnt mich – die arabischen Nachbarn verweigern mir lange die Einreise. Mit Bruno Kreisky aber entdecke ich langsam die ganze Tiefe der Tragödie: zwei Völker, die mit dem Recht ihrer Geschichte um denselben Boden ringen. Vertraulich bin ich bald auch als „Briefträger“ zwischen den Fronten unterwegs.
Jahrzehnte kommen und gehen, Gefühle auch. Das Nahost-Drama wird zur lebenslangen Bewährung: mit neuen Kriegen, Terror und Flüchtlingselend – und mit der Unfähigkeit beider Seiten zum Nebeneinander. Seit mehr als 50 Jahren.
Immer wieder frage ich mich: Darf man gerade als Österreicher bisweilen Israels Politik auch kritisch bewerten? Und: Könnte solcher Einspruch noch immer als eine Beihilfe für Antisemiten missbraucht werden? Irgendwann schreibe ich: „Es ist die Tragödie des jüdischen Volkes, entweder unterschätzt oder aber überschätzt, überfordert zu werden. Wann darf auch Israel ein ganz normales Volk sein, wie jedes andere auch?“ Die Reaktionen bestürzen mich schon damals: Zwischen falschem Schulterklopfen und Verdammung ist wenig Raum.
Meine Kriegsreportagen haben Folgen: Israels politische Elite verwöhnt mich – die arabischen Nachbarn verweigern mir lange die Einreise. Mit Bruno Kreisky aber entdecke ich langsam die ganze Tiefe der Tragödie: zwei Völker, die mit dem Recht ihrer Geschichte um denselben Boden ringen. Vertraulich bin ich bald auch als „Briefträger“ zwischen den Fronten unterwegs.
Jahrzehnte kommen und gehen, Gefühle auch. Das Nahost-Drama wird zur lebenslangen Bewährung: mit neuen Kriegen, Terror und Flüchtlingselend – und mit der Unfähigkeit beider Seiten zum Nebeneinander. Seit mehr als 50 Jahren.
Immer wieder frage ich mich: Darf man gerade als Österreicher bisweilen Israels Politik auch kritisch bewerten? Und: Könnte solcher Einspruch noch immer als eine Beihilfe für Antisemiten missbraucht werden? Irgendwann schreibe ich: „Es ist die Tragödie des jüdischen Volkes, entweder unterschätzt oder aber überschätzt, überfordert zu werden. Wann darf auch Israel ein ganz normales Volk sein, wie jedes andere auch?“ Die Reaktionen bestürzen mich schon damals: Zwischen falschem Schulterklopfen und Verdammung ist wenig Raum.
Trumps Unterstützung als Bedrohung
Viel Zeit ist seither vergangen, das Dilemma ist geblieben. Aktuellster Beleg dafür sind die Reaktionen auf meinen jüngsten Israel-Kommentar („Der Freund als Feind“, FURCHE Nr. 19/19). Meine Aussage war ganz klar: Mit der Preisgabe großer, besetzter arabischer Territorien und Bevölkerungsgruppen an Israel gefährdet US-Präsident Trump letztlich dessen jüdischen und demokratischen Charakter.
Und schon ist er wieder da (siehe Leserbriefe oben): der böse Verdacht des versteckten Antisemitismus, ja die Assoziation mit dem NS-Staat – und der Vorwurf, ich würde Israels Demokratie bestreiten. Als ob nicht gerade ihr möglicher Verlust im Zentrum dieser Kolumne über Trumps Nahost-Politik gestanden wäre.
Einem aufmerksamen Leser verdanke ich die Zusendung eines New York Times-Kommentars. Ihn hier nachdrucken zu können, würde jedes weitere Wort ersparen. Dort ist von zwei existenziellen Bedrohungen Israels die Rede: einer iranischen Atombombe – und der Annexion von bis zu 2,5 Millionen Palästinensern. Wörtlich steht da: „Es ist die Gefahr, dass Trumps Amerika dieses Israel zu Tode lieben wird.“ Denn, so folgert die NYT (traditionell ein treuer US-Medienfreund Israels): Ginge der Traum eines Palästinenserstaates endgültig verloren – es würde „die Hölle in der jüdischen Welt ausbrechen“.
Von Marcel Proust stammt der Satz: „Jeder Leser ist, wenn er liest, ein Leser nur seiner selbst“ … Sehr pointiert, aber wohl nicht ganz falsch.
Und schon ist er wieder da (siehe Leserbriefe oben): der böse Verdacht des versteckten Antisemitismus, ja die Assoziation mit dem NS-Staat – und der Vorwurf, ich würde Israels Demokratie bestreiten. Als ob nicht gerade ihr möglicher Verlust im Zentrum dieser Kolumne über Trumps Nahost-Politik gestanden wäre.
Einem aufmerksamen Leser verdanke ich die Zusendung eines New York Times-Kommentars. Ihn hier nachdrucken zu können, würde jedes weitere Wort ersparen. Dort ist von zwei existenziellen Bedrohungen Israels die Rede: einer iranischen Atombombe – und der Annexion von bis zu 2,5 Millionen Palästinensern. Wörtlich steht da: „Es ist die Gefahr, dass Trumps Amerika dieses Israel zu Tode lieben wird.“ Denn, so folgert die NYT (traditionell ein treuer US-Medienfreund Israels): Ginge der Traum eines Palästinenserstaates endgültig verloren – es würde „die Hölle in der jüdischen Welt ausbrechen“.
Von Marcel Proust stammt der Satz: „Jeder Leser ist, wenn er liest, ein Leser nur seiner selbst“ … Sehr pointiert, aber wohl nicht ganz falsch.
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