6859305-1977_29_07.jpg
Digital In Arbeit

Begin verständigt sich mit der Opposition

Werbung
Werbung
Werbung

„Jedes Volk wandelt im Namen seines Gottes, wir aber wandeln im Namen des Herrn, unseres Gottes.” Mit diesem Zitat aus dem Buch Micha stellte Israels neuer Ministerpräsident, Menachem Begin, seine Regierung und seine Politik der Welt vor. Früher schon hatte sich der Likudfüh- rer und Ministerpräsident von seiner radikalen Seite gezeigt und weitere jüdische Ansiedlungen in ganz Westjordanien versprochen. Die amerikanische Reaktion war alsbald zu verspüren; langversprochene Waffenverkäufe wurden nur teilweise verwirklicht Ein gemeinsamer Produktionsplan für Israels neuen Tank wurde abgelehnt und die Aussichten, diesen Panzer in andere Länder zu exportieren, waren damit beeinträchtigt.

Eine gemeinsame Produktion elektronischer Apparaturen für die Luft- und Panzerwaffe, die von israelischen Experten entwickelt worden waren, kam ebenfalls in letzter Minute nicht zustande, desgleichen eine Koproduktion des von Israel angeforderten F- 16-Kampfbombers. Anleihen für den Ankauf von zwei 747-Boeing-Jumbo- Jets wurden verzögert, weitere Kredite, die bereits zugesichert waren, wurden nicht flüssiggemacht. Noch gab es für alles plausible Erklärungen, aber die Tatsache blieb bestehen, daß Amerika begonnen hatte, den 3,5-Millio- nen-Staat Israel unter Druck zu setzen, noch ehe die Staatsoberhäupter der beiden Länder einander begegnet waren. Menachem Begin mußte sich also fügen und mäßigte, auf Befehl, seine offiziellen Erklärungen. Seine Formel lautete jetzt: „Unser Recht auf Eretz Israel (auf Westjordanien plus Israel also) steht in keinem Gegensatz zu unserer Bereitschaft über alles zu verhandeln, und zwar gemäß dem UNO- Sicherheitsbeschluß 242.”

Begin liest nicht nur täglich in der Bibel, er glaubt auch an seine eigene Mission und ist überzeugt, sogar den US-Präsidenten Carter überzeugen zu können.

Doch der amerikanische Druck ließ nicht nach. Das US-Außenamt ließ verlauten, Israel müsse sich auf die Grenzen von 1967 zurückziehen, die Palästinenser müßten ein Heimatland erhalten und über das Los Jerusalems müsse verhandelt werden. Kaum war dieses Dokument veröffentlicht, als sich die neuen EG-Staaten mit ähnlichen Forderungen zu Wort meldeten. Das EG-Dokument war monatelang in der Schublade gelegen, weil Israels frühere sozialistische Regierung ihre Beziehungen zu anderen sozialistischen Parteien hatte spielen lassen. Kaum war der „rechte” Begin ans Ruder gelangt, als einer Veröffentlichung nichts mehr im Wege stand.

Doch alle Israelis, außer der kommunistischen Partei, die sich fast nur aus Wählern der arabischen Minderheit rekrutiert, fürchten, daß ein Rückzug auf die alten Grenzen schlicht und einfach die Existenz Israels gefährden müßte. Denn nördlich von Tel-Aviv, dem größten Ballungs zentrum der jüdischen Bevölkerung, ist der ursprüngliche Judenstaat, wie er bis 1967i bestanden hatte, nur 15 Kilometer breit und militärisch kaum zu halten. Auch widersetzen sich fast alle Israelis einem palästinensischen Staat, aus Angst, daß dieses Gebilde eine dauernde Bedrohung für Israel werden könnte. Haben doch die Freischärler im Libanon das beste Beispiel dafür geliefert. Die Folge davon ist, daß Begin nun auch die Unterstützung der Opposition hat.

Außenminister Moshe Dayan beschloß daraufhin, die alten Diplomaten seines Ministeriums, die zum größten Teil der Arbeiterpartei nahestehen, beizubehalten. So bereitete der ehemalige Privatsekretär Golda Meirs und heutige Israelbotschafter in den USA, Simcha Dinitz, zusammen mit dem einstigen Sprecher Rabins, Dan Patir, den US-Besuch Begins vor. So lud Außenminister Dayan den früheren Außenminister der Arbeiterpartei, Abba Eban, ein, sich in die USA zu begeben, um dort eine proisraelische Lobby in Bewegung zu setzen. Denn auch Eban ist nicht bereit, einen Rückzug auf Israels alte Grenzen und einen PLO-Staat in unmittelbarer Nachbarschaft zu akzeptieren. Carter glaubte, mit seiner Erklärung eine Kluft zwi schen den amerikanischen Juden und Israel auf reißen zu können und hat damit das genaue Gegenteil bewirkt.

Trotzdem ist jedem klar, daß bei einem Tauziehen mit den USA der kleine Judenstaat den kürzeren ziehen müßte. Infolge des Rüstungswettlaufs im Nahen Osten ist Israel wirtschaftlich so geschwächt, daß es ohne amerikanische Hilfe kaum leben könnte. Sollte die amerikanische Finanzhilfe gedrosselt werden, würden Israels Währung und sein Lebensstandard ins Bodenlose sinken.

Begin mußte also Zugeständnisse machen. Der Plan, 150.000 Juden in Westjordanien anzusiedeln, wurde vorläufig aufs Eis gelegt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung