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Was heißt Autonomie?

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Noch sind die Früchte von Camp David nicht geerntet. Ein ägyptisch-israelischer Friedensvertrag bedeutet jedenfalls keine endgültige Lösung des Nahostkonfliktes. Die aufsehenerregende Erklärung des israelischen Ministerpräsidenten Begin, Israel werde sein Ansied-lungsprogramm im Westjordanland weiter ausbauen, hat das Interesse wieder auf das heißeste Eisen in diesem Konflikt gelenkt: die in Westjordanien geplante Palästinenserautonomie.

Israels Ministerpräsident Mena-chem Begin wollte noch vor Unterzeichnung des Friedensabkommens mit Ägypten eine amerikanische Verpflichtung für die Riesenkosten der Räumung der Sinaihalbinsel und der Wiederansiedlung der Siedler von 17 jüdischen Neuansiedlungen dieser Region in Israel erhalten. Es handelte sich um eine Summe von rund 4,5 Milliarden Dollar. Doch auch für Amerika hat die Großzügigkeit ihre Grenzen. Begin erklärte sich deswegen einverstanden, das Geld in Form einer langfristigen Anleihe zu bekommen.

Noch bevor Amerika mit den Zahlungen begonnen hatte, wurde ein eigener Emissär-Harold Saunders-zu den Arabern von Israels besetzten Gebieten geschickt, um diesen klar zu machen, welche Schlüsse die amerikanische Regierung von dem Rahmenvertrag in Camp David zieht. Dies war, in den Augen Begin? eine „antiisraelische“ Provokation, der er glaubte, sofort entgegentreten zu müssen. So entstand die bekannte Erklärung der „Verdickung“ der bestehenden jüdischen Siedlungen in Westjordanien mit Hunderten weiteren Neuansiedlern. US-Präsident Jimmy Carter sah darin einen Vertragsbruch Begins und brach den Kontakt mit ihm ab. Erst nach langen Überredungskünsten war er bereit, Begin während dessen Besuches in den USA zu treffen.

Nach dem offiziellen Erweiterungsplan der jüdischen Absiedlung in den besetzen Gebieten sollen 12.000 Familien innerhalb von fünf Jahren dort angesiedelt werden. Derzeit gibt es 22 jüdische Siedlungen in

Westjordanien; der Plan sieht weitere 45 Siedlungen mit einer Investition von 1,5 Milliarden Dollar vor. Doch sind dies nur Luftschlösser. Innerhalb von elf Jahren israelischer Besetzung konnte man mit Mühe und Not 1800 Familien ansiedeln, von denen bis heute nur etwa 50 Prozent wirklich ihren Unterhalt in diesem Gebiet verdienen; die anderen hingegen gehen ihrer gewohnten Beschäftigung in der Großstadt nach.

So mußte Begin kleinlaut zugeben, daß fürs erste nur zusätzlich 400 Familien angesiedelt werden sollen. Aber sogar dafür gibt es nicht genug Geld. Begins Erklärung diente hauptsächlich zu innenpolitischen Zwecken, gegen eine Opposition von rechts. Nun sind Außenminister Dayan und Verteidigungsminister Weizmann damit beschäftigt, den Amerikanern klar zu machen, daß bei Begin sEi9fonten> eigentüeh; nur eine .M^us^emeint.war.,,, •>uimz, .

Beim näheren Betrachten des Rahmenvertrages von Camp David erweist sich als großes Streitobjekt, die Definition der „administrativen Autonomie“ in Westjordanien, die Israel der ortsansässigen Bevölkerung geben will. In dem Vertrag wurde der Begriff Autonomie so weitläufig behandelt, daß beide Parteien ihn akzeptieren konnten, ohne auf ihre Prinzipien verzichten zu müssen. Begin glaubte, mit seiner Auslegung Israels Souveränität in den besetzten Gebieten bis in Ewigkeit wahren zu können. Die USA müssen diese Souveränität anzweifeln, denn sie verfolgen viel mehr als nur einen Separatfrieden zwischen Ägypten und Israel.

So sieht der amerikanische Frie-

densplan in seiner endgültigen Version Rückgabe aller besetzten Gebiete an die arabischen Staaten vor, daher ganz Westjordanien an Jordanien (eventuell als palästinensische Autonomie), wobei für Israel nur kleine Grenzkorrekturen vorgesehen sind.

Begin war seinerzeit bereit, das Sinaigebiet an Ägypten zurückzugeben, denn dieses gehört nicht zu dem von Gott verheißenen Land. Westjordanien hingegen ist der Teil, den Gott schon Stammvater Abraham versprochen hatte, und das nun dem jüdischen Volk zurückgegeben werden solL Deswegen will er hier für immer eine jüdische Souveränität wahren.

Als vor einiger Zeit Jordaniens König Hussein einen großen Fragebogen an Jimmy Carter über die anzustrebende Lösung des Nahostkon-'fliktes schickte, formulierte Carter seine Antworten, ohne vorher, mit Begin Rücksprache zu halten. Allerdings war das nicht die israelische Position zum Nahostkonflikt. Doch Carter ist überzeugt, daß der ägyptisch-israelische Frieden nur von Dauer sein kann, wenn auch Jordanien an diesem Frieden beteiligt ist. Und mit Begins Ansichten von heute ist dies einfach nicht zu vereinen. .

Amerika ging sogar so weit, den Arabern gegenüber dauernd zu betonen, daß trotz israelischer Beschlüsse und Erklärungen Ostjerusalem ein Teil von Westjordanien ist, einen besonderen Status erhalten muß, und von den USA als besetzes Gebiet angesehen wird. Hier wurde besonders auf Saudiarabien Rücksicht genommen.

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