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Begin bleibt auf hartem Kurs

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Dieses Mal werden Sie einen ganz anderen Begin sehen, versprachen Kanzleibeamte Begins jedem, der es hören wollte, und spielten dabei auf die Programmrede an, mit der der Premier am 18. Oktober die Wintersession des Parlaments — der Knesset — eröffnete, in der es in erster Linie um den Plan US-Präsident Ronald Reagans für Nahost ging.

Begin war nicht ganz derselbe wie sonst: müde, unpolemisch; einige Kabinettsmitglieder schlummerten von Zeit zu Zeit während seiner Rede ein.

Noch vor Errichtung des israelischen Staates 1948 forderte Begins Partei, die Cherut (Freiheit).die'damals noch als Untergrundbewegung „Etzel" hieß (eine Abkürzung für Nationalmilitärische Organisation) ein Großisrael, das Israel und Jordanien umfassen sollte. Sogar in der Hymne dieser Bewegung hieß es damals von beiden Ufern des Jordan: „Zwei Ufer hat der Jordan, das eine gehört uns, und das andere auch..."

Als dann, nach 1948, Palästina geteilt und Cisjordanien von Jordanien annektiert wurde, begnügte sich Begins Cherut-Partei mit dem bestehenden Israel. Doch als 1967 im Sechstagekrieg Westjordanien und der Gazastreifen von israelischen Streitkräften erobert wurden, sahen die Begin-Anhän-ger (und nicht nur sie) hierin eine göttliche Vorsehung.

Zu dieser Zeit wurde die Losung geprägt: „Befreites Gebiet wird! nicht zurückgegeben!" Allerdings war die Sinai-Halbinsel — obwohl erobert - nach Begins Ansicht kein Teil des von Gott versprochenen Landes. Daher bestand die Möglichkeit, diese Insel als Preis zur Unterzeichnung eines eventuellen Friedensvertrages an den größten arabischen Staat, Ägypten, zurückzugeben. (Was heuer im Mai dann auch geschah.)

Gleich nach dem Sechstagekrieg versuchte die Arbeiterpartei, die besetzten Gebiete als Pfand für einen Frieden zu behalten. Doch waren die arabischen Staaten damals noch nicht zu Friedensverhandlungen bereit, weil sie den Judenstaat als solchen nicht akzeptieren wollten.

Begins Cherut-Partei hingegen sah schon zum damaligen Zeitpunkt in diesem Gebiet einen zukünftigen integralen Teil Groß-Israels. So war es auch Begin allein, der bei den Camp-David-Verhandlungen eine Autonomie für die besetzten Gebiete vorschlug, in denen heute etwa 800.000 Araber leben. Er war es auch, der dieser Autonomie ihre Grenzen gesetzt hatte, die in den Augen der Araber, der Ägypter wie der Amerikaner unakzeptabel sind.

Die Diskussion wurde wieder aufgewärmt, als vor einigen Wochen der Reagan-Plan für Nahost veröffentlicht wurde. Auch wenn die israelische Arbeiterpartei diesen Plan nicht angenommen hat, sah sie in ihm zumindest eine Verhandlungsbasis. Die Begin-Re-gierung hingegen lehnte ihn kategorisch ab und wollte auch nicht darüber diskutieren.

Doch Präsident Ronald Reagan gab seinen Plan nicht auf. Amerikanische Diplomaten und Außenminister George Shultz betonten denn auch einige Male, daß die Finanzhilfe der USA an Israel zwar nicht eingestellt wird, doch könnte darüber wohlwollender gesprochen werden, wenn Israel den Reagan-Plan akzeptieren würde.

Begin wiederum hatte seinen Hörern in der Knesset am 18. Oktober zwei der bereits bekannten Versionen anzubieten: die erste ist die historisch-nationalistische, also Israels Recht auf Westjordanien und den Gazastreifen; die zweite Version bezieht sich auf die militärischen Gefahren, die von einem palästinensischen Staat in Cisjordanien für Israel ausgehen, denn in einem solchen könnten schwere Kanonen, Minenwerfer etc. in den Städten installiert und gegen Israel gerichtet werden. Begin zeichnete die Gefahren eines solchen—kommunistisch angehauchten - PLO-Staates so, als ob seine Hypothesen bereits Tatsachen entsprächen und man sich nun damit auseinanderzusetzen habe.

Eine andere Möglichkeit — etwa die, daß die besetzten Gebiete an Jordanien angeschlossen werden könnten schloß Begin einfach aus. Er sieht nur seine Möglichkeiten, andere existieren für ihn nicht.

Auf die Frage der Opposition, wie man denn so viele Palästinenser beherrschen könne, erwiderte Begin: „Es gibt Leute, die naiv fragen: Wie können wir Hunderttausende einer fremden Nation beherrschen? Diese Moralprediger möchte ich fragen: Das christliche Nazareth kann im Judenstaat sein, die Stadt Bethlehem aber nicht?"

Israels Politik bezüglich der besetzten Gebiete wird sich nicht ändern, solange Begin am Ruder ist. Jüdische Neuansiedlungen werden — ungeachtet des Reagan-Plans — weiter errichtet werden, und auch die Proteste der Juden in der Diaspora können Begin von seiner kompromißlosen Politik nicht abbringen. Nur amerikanische Sanktionen und Druck könnten die Situation ändern.

Weder die Stürme im Nahen Osten noch der Libanonkrieg und das Erwachen eines palästinensischen Nationalismus usw. hat Begin von seinen nationalistischen Plänen abgebracht. Sollte auch alles gegen ihn sprechen: Er ist heute einfach nicht mehr fähig, umzudenken. Begin ist nicht bereit, über die Folgen seiner Politik zu diskutieren. Denn seiner Ansicht nach wird ihm die Geschichte langfristig recht geben...

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