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Die „jordanische Option"

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Mit einer neuen Initiative scheint dem militärischen und diplomatischen Totalrückzug der Vereinigten Staaten aus dem Nahen Osten Einhalt geboten. In ihrem Mittelpunkt steht der jahrzehntelange Erfüllungsgehilfe Washingtons in diesem Raum, der jordanische König Hussein.

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Mit einer neuen Initiative scheint dem militärischen und diplomatischen Totalrückzug der Vereinigten Staaten aus dem Nahen Osten Einhalt geboten. In ihrem Mittelpunkt steht der jahrzehntelange Erfüllungsgehilfe Washingtons in diesem Raum, der jordanische König Hussein.

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Die Initiative kam gerade noch rechtzeitig, um dem Vormarsch sowjetischer Waffen und „Kriegsberater" in Kuwait und anderswo ein Gegengewicht zu setzen und der schon fast allgemeinen arabischen Zustimmung zur Rattenfängermelodie des Kreml von einer „Internationalen

Nahostkonferenz" einen Strich durch die Rechnung zu machen.

Was Ägypten als bisheriger Hauptpartner der USA nach Israel seit 1974 von dieser .jordanischen Option" hält, hat eben in Brüssel der Kairoer Experte Muhammad Sid-Ahmad recht kritisch ausgesprochen. Seine Darlegungen erfolgten auf einer „Konferenz über Reagan's Außenpolitik", die von der International Progress Organization (IPO) veranstaltet wurde.

Reagans gegenwärtige .jordanische Option" ist mit dem Ausscheren König Husseins aus dem bisherigen und fast allarabischen Boykott Ägyptens seit seinem Alleingang zum Frieden mit Israel ohne dessen andere Araber-Nachbarn und vor allem ohne die hauptbetroffenen Palästinenser handfest greifbar geworden. Im wesentlichen handelt es sich um eine Neuauflage des Planes, den der US-Präsident schon am 1. September 1982 verkündet hatte.

Israel hatte ihn — damals noch unter Begin — abgelehnt. Sein frischer Aufguß hängt daher nicht nur mit dem Bedarf an diplomatischen Erfolgen im Interesse der Bestätigung von Ronald Reagan im Weißen Haus, sondern auch mit Bildung der neuen und flexibleren Koalitionsregierung in Jerusalem zusammen.

Auf Schimon Peres und König Hussein gründet sich jetzt die von US-Staatssekretär George Shultz schon im November 1983 auf der Jahresversammlung jüdischer Verbände und Wohlfahrtseinrichtungen in Atlanta ausgesprochene Hoffnung: „Ich zweifle kaum daran: Würde ein arabischer Führer mit einem auf diese Prinzipien gegründeten Mandat auftauchen, so wird sich Israel eine derartige historische Chance nicht entgehen lassen."

Alle Parteien im Nahostkonflikt einschließlich der Palästinenser und auch beide Super-großmächte wissen, daß die umfassende Lösung nicht auf einen Schlag erfolgen kann. Niemand hat daher gegen die von Henry Kissinger begründete amerikanische Suche nach Teillösungen etwas einzuwenden, solange es sich dabei um koordinierte Schritte in Richtung einer Gesamtlösung handelt, die nicht zu Separatabmachungen gegen den Willen oder hinter dem Rücken anderer Partner in der großen arabischen Gemeinschaft degenerieren.

Die bisherigen nahöstlichen Separatabkommen von Camp David, wie der kurzlebige libanesisch-israelische Vertrag von 1983 könnten nur dann zu Teil- und Zwischenlösungen werden, wenn es gelingt, sie wieder in den Rahmen einer allseitig anerkannten und angestrebten Gesamtlösung als erklärtem Fernziel zu stellen. Das war noch Kissingers Plan von 1973 für die Genfer Nahostkonferenz unter amerikanischer und sowjetischer, israelischer und arabischer Beteiligung einschließlich einer PLO-Vertretung im Schoß der syrischen Delegation.

Leider ist diese Konferenz über ein paar Sitzungen nicht hinausgekommen. Das bedeutete aber noch kein Ende der amerikanisch-sowjetischen Zusammenarbeit oder wenigstens Arbeitsteilung bei den Bemühungen um den Nahostfrieden.

Als Carter frisch gewählter Präsident der Vereinigten Staaten war, setzte er sich in einer Reihe von offiziellen Aussagen für eine Reaktivierung der Genfer Konferenz ein. Noch in der gemeinsamen Nahosterklärung von Washington und Moskau am 2. Oktober 1977 — nur wenige Wochen vor dem Alleingang Sadats nach Jerusalem — hatten sich beide Supermächte zu einer Gesamtlösung des Nahostproblems auf den Grundlagen arabischer Anerkennung Israels in seinen Grenzen von 1967, Abzug der Israelis aus den damals besetzten ägyptischen, syrischen und jordanischen Gebieten sowie von Sicherung der „legitimen Rechte" der Palästinenser bekannt.

Doch schon wenige Tage später handelte Carter in New York mit Mosche Dayan sein sogenanntes Arbeitsdokument mit der damaligen Regierung Begin aus, in dem er von seinen Absprachen mit der Sowjetunion hinsichtlich eines „umfassenden, gerechten und dauerhaften Friedens" für Israelis, Palästinenser und die arabischen Nachbarstaaten Israels abrückte.

Die Folgen waren Jerusalem, Camp David und der Separatfrieden von Washington, was alles nicht mehr im Rahmen einer multilateral erarbeiteten und international anerkannten Palästinalösung, sondern einer monopolistischen „Pax Americana" stand.

Unter Reagan wurde dann dieser von Carter eingeleitete Prozeß zum Modell für die gesamte amerikanische Nahostpolitik. Seine Schwerpunktverlagerung von Ägypten auf Jordanien wurde zunächst zum Anfang vom Ende Sadats.

Der Kairoer „Friedenspräsident" sah sich in seiner Berechnung getäuscht, zum Verbündeten Nummer zwei — nach Israel — der USA zwischen Mittelmeer und Golf aufzurücken und in den amerikanischen Konzepten für diesen Raum eine bleibende Schlüsselrolle zu spielen. Ohne den erhofften äußeren Rückhalt und im Inland immer umstrittener wurde er genau vor drei Jahren das Opfer der Schüsse und Handgranaten vom Oktober 1981.

Falls nicht jetzt das verspätete Anlaufen der .jordanischen Option" noch einen Durchbruch bringen kann, war Reagans Nahostpolitik von Ägypten bis Libanon geradezu katastrophal, sofern man sie unter dem Gesichtspunkt von Fortschritten in Richtung einer regionalen Befriedung zwischen Israelis und Arabern, Arabern und Iranern beurteilt. Für Reagan dürfte dieser Krisenraum aber nur ein Mosaikstein in seinem globalen Wettlauf mit den Sowjets sein.

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