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Was von Arafat bleibt

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Jahrelang verbreiteten Arafat und seine palästinensischen Freischärler mit Terroranschlägen Angst und Schrecken in der Welt. Heute bekommen er und seine Anhänger Mord und Gewalt am eigenen Leib zu spüren. Was Arafat nach Tripoli noch übrig bleibt, ist sein politisches Mandat.

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Jahrelang verbreiteten Arafat und seine palästinensischen Freischärler mit Terroranschlägen Angst und Schrecken in der Welt. Heute bekommen er und seine Anhänger Mord und Gewalt am eigenen Leib zu spüren. Was Arafat nach Tripoli noch übrig bleibt, ist sein politisches Mandat.

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Innerhalb von fünfzehn Jahren hatte Jasser Arafat die PLO aus einem Dachverband von arabischen Partisanen und Terroristen zu einer international ins Gewicht fallenden politischen Vertretung der palästinensischen Rechte gemacht. Dieser Anspruch, der zum ersten Mal auf dem Arabergipfel im marokkanischen Rabat 1974 formuliert wurde, wird inzwischen weltweit anerkannt oder zumindest stillschweigend eingestanden.

Diese Errungenschaften Arafats für die Sache der Palästinenser kann Syrien jetzt auch dann nicht einfach vom Tisch wischen, indem es seine letzten Anhänger in Nordlibanon liquidiert oder in die Reihen einer neuen, völlig von Damaskus kontrollierten PLO zwingt. Der Mann mit dem Bart und der Uniformmütze bleibt Symbol und Anwalt der palästinensischen Rechte, sowohl den Israelis wie den oft so verräterischen „arabischen Brüdern“ von Jordaniens König Hussein im Schwarzen September 1970 bis zum syrischen Präsidenten Assad im Schwarzen November 1983 gegenüber.

Selbst der Irak, der früher wiederholt wegen seiner Unterstützung für radikale palästinensische Splittergruppen im Gespräch war, steht in dieser Krisenstunde voll hinter Arafat.

Wie in Bagdad Staatschef Saddam Hussein erklärte, helfe die Spaltung in der PLO nur der Verbreitung des internationalen Terrorismus.

Auf jeden Fall geht Arafats schon in den frühen sechziger Jahren konzipierter und nach der Niederlage aller arabischen Nachbarstaaten Israels im Junikrieg von 1967 zum Tragen gekommener Volksbefreiungskrieg der Palästinenser in der nordlibanesischen Hafenstadt Tripoli seinem tragischen Ende entgegen. Der PLO-Chef verteidigt in dieser letzten Phase seines Niedergangs die Eigenständigkeit und Handlungsfreiheit nicht etwa gegen seine israelischen Widersacher, wie im Vorjahr in Beirut, sondern widersetzt sich mit letzter Kraft der Umwandlung seiner Organisation in ein Erfüllungsorgan rein syrischer Interessen.

Das rücksichtslose Vorgehen Syriens und der von ihm unterstützten PLO-Rebellen gegen die Arafat-Hochburgen von Nar al- Bahr und Badauwi und schließlich gegen die Großstadt Tripolis selbst ist natürlich auch vor dem Hintergrund der akuten Spannung in Nahost zu sehen. Die Gefahr einer gemeinsamen amerikanisch-israelischen Vergeltungsaktion für die Sprengstoffanschläge von Beirut und Tyrus ist nach Beurteilung der sowjetisehen Berater in Damaskus noch immer nicht vorbei.

Präsident Assad will sich daher noch vor dem erwarteten Schlag der Israelis und des Westens die totale Kontrolle über das nördliche Libanon und die Degradierung der PLO zu einem gehorsamen Instrument seiner Sonderinteressen sichern. Langfristig möchte Syrien außerdem bei einer fernen Lösung des Nahostproblems eigentlich nur seine Go-lan-Höhen retten und auf jeden Fall verhindern, daß es doch einmal israelische Konzessionen an die Palästinenser, dafür aber keine an Damaskus geben könnte.

So wird die PLO hauptsächlich unter der neuen Führung von Abu Mussa und Saleh Nimr als Unterabteilung der syrischen Armee, als Partisanen- und Terroristenverband mit Sitz in Damaskus weiterbestehen. Ähnlich, wie sie vor 1967 nichts anderes als eine Formation ägyptischer Handlanger im Gazastreifen unter dem Kommando des durch Abdel Nasser eingesetzten Ahmad Schukai- ri war.

In ähnlicher Weise wirbt jetzt der ägyptische Präsident Mubarak um den geschlagenen Arafat, um diesen für ein Exil in Kairo zu gewinnen und bei den wiederauf-genommenen Gesprächen mit Israel zur Palästinenserautonomie einen weiteren Trumpf in der Hand zu haben.

Die Umwandlung der alten nasseristischen PLO zu einer Vertretung aller Palästina-Araber in und außerhalb der angestammten Heimat war dann 1967/68 das Ziel des interimistischen PLO-Chefs Jehja Hamuda. Damals hatte es vorübergehend große Hoffnungen gegeben, daß ein fruchtbarer Friedensdialog zwischen Palästinensern und Israelis unter Ausschaltung der militärischen und politischen Sonderinteressen von Ägyptern, Syrern und Jordaniern aufgenommen werden könne.

Vielleicht gehen diese Hoffnungen nach einer langen Irrfahrt der PLO aber jetzt in Erfüllung. Aus ihrem Traum von einem Sieg nach Vietcongmanier über die Israelis und die im Grunde nur an eigenen

Boden- oder Prestigegewinnen, doch nicht wirklich am Los der Palästinenser interessierten arabischen Regime hat es mit dem Exodus von Beirut und den Schlachten um die nordlibanesischen Lager ein bitteres Erwachen gegeben.

Arafat hat jetzt noch ein paar weiterblickende Mitarbeiter in Tunis. Seine letzte breitere Anhängerschaft findet sich jedoch nur mehr in den israelisch besetzten Gebieten von Westjordanien und Gaza; zum Teil auch unter den Arabern in Israel selbst, wie jetzt der zweite Wahlgang in Na- zaret und anderen arabischen Gemeinden gezeigt hat.

Gerade sie beginnen nach dem syrischen Dolchstoß in den Rük- ken Arafats und der PLO einzusehen, daß sie mit dem israelischen Siedler oder Arbeiter, der für die Ziele zionistischer Politik mit langem Wehrdienst, hohen Steuern und anderen Entbehrungen einstehen muß, vielleicht doch mehr verbindet als mit den „arabischen Brüdern und Volksgenossen“.

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