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Syrien und die PLO im Zugzwang

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In und um den leidgeprüften Libanon herrscht wie- def einmal Hochspannung. Im Hintergrund steht dabei nicht zuletzt das Drängen der Sowjets nach dem Dschebel Sannin.

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In und um den leidgeprüften Libanon herrscht wie- def einmal Hochspannung. Im Hintergrund steht dabei nicht zuletzt das Drängen der Sowjets nach dem Dschebel Sannin.

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Die Kuppen des Dschebel Sannin im Hohen Libanon ermöglichen die Radarkontrolle über das ganze östliche Mittelmeer. Vor zwei Jahren wurde der Sannin von Amin Dschumael gegen eine Übermacht von Syrern und PLO- Streitern mit sowjetischer Raketendeckung verteidigt. Seitdem blieb er Niemandsland zwischen den Linien.

Und heute steht das Ringen um die endgültige Beherrschung der karstigen Höhen hinter dem Beharrungsbeschluß von Damaskus, seine Truppe trotz israelischer Abzugsbereitschaft nicht aus Libanon abzuziehen.

Nachdem die Syrer den amerikanischen Außenminister George

Shultz wenigstens noch empfangen hatten, haben sie jetzt dem neu eingetroffenen US-Nahost- vermittler Philipp Habib jeden Termin verweigert. Liest man ihr Parteiorgan „Al-Baath“ (Die Wiedergeburt) oder hört das von

Syrien ausgestrahlte arabische Programm der „Stimme des Islam“ mit seinen Haßausbrüchen gegen Libanesen, Amerikaner und „Zionisten“, so muß man geradezu einen dritten Kriegssommer für Libanon befürchten.

Präsident Assads Angst vor ei nem israelischen Angriff im Be- kaa-Tal, die vor dem Truppenabzugsvertrag von Chalde und Na- thaniya ausposaunt wurde, wich Offensivdrohungen der Syrer und Palästinenser gegen Israel und Libanon. Auch für den nach seiner Flucht aus Beirut zunächst eher verhandlungs- und friedenswilligen Jasser Arafat ist Krieg jetzt wieder der einzige Weg zur Lösung des Nahostproblems.

Bei alledem scheinen, sowohl in Damaskus wie bei der PLO, taktische Überlegungen größer zu sein als die tatsächliche Kampfbereitschaft. Syrien hat sichtlich nicht mit Israels Einlenken zur Räumung von Südlibanon gerechnet Es hat jetzt nur die Wahl, seine

40.000 Mann Besatzungstruppen ebenfalls abzuziehen oder ihr Verbleiben im Norden und Osten Libanons durch offenen Bruch mit dem Regime Dschumaels in Beirut zu begründen.

Die Berufung der Syrer auf ihr . altes Mandat der Arabischen Liga als Friedensstifter und -Wächter zwischen den libanesischen Bürgerkriegsparteien von gestern wird hingegen immer fragwürdiger. Nicht nur deswegen, weil die anderen Kontingente der sogenannten „Arabischen Abschrek- kungs-Streitmacht ADF“ aus Saudiarabien, Nordjemen, dem Sudan und den Vereinigten Emiraten schon 1978 abgezogen wurden oder Syrien durch die Einbe ziehung von Einheiten der Palästinensischen Befreiungsarmee (PLA) in seine Libanon-Truppe gegen die Richtlinien des letzten gemeinsamen arabischen Gipfeltreffens von 1976 verstoßen hat.

Vor allem steht jeder syrische Soldat in Libanon „unter dem persönlichen Kommando“ des Präsidenten der Libanesischen Republik. Das hatte praktisch wenig bedeutet, solange im Palais von Baabda der aus Damaskus ferngesteuerte Quisling Elias Šarkis residierte.

In der kurzen Amtszeit von Ba- schir und Amin Dschumael wurden dem syrischen Libanon- Kommando in Baalbek bereits 20 „Präsidentenbefehle“ übermittelt. Die Syrer haben sich ebenso oft geweigert, diese zur Kenntnis zu nehmen. Libanon hat sich darauf an Saudiarabien als Hauptvermittler der syrischen Militärpräsenz seit 1976 sowie die Arabische Liga in Tunis gewandt, von der das Mandat Syriens jedes halbe Jahr erneuert werden muß.

Das heute nur noch mit roher Gewalt aufrechterhaltene Regiment der Gebrüder Hafes und Ri- faat al-Assad kann es sich nicht leisten, gegen den Willen seiner arabischen Umwelt in Libanon zu bleiben. Wirtschaftlich sind die Syrer fast ganz von der Gunst der Saudis abhängig. Zwar gilt dasselbe in militärischer und weitgehend auch in politischer Hinsicht für Syriens Verhältnis zur Sowjetunion.

Es liegt jedoch im höchsten Interesse der Kremlstrategie, Riad und Tunis in ihrer bisherigen Ablehnung der amerikanischen Nahostbemühungen vom umfassenden Reagan-Plan bis zum bilateralen Truppenentflechtungsabkommen zwischen Israel und Li-

banon weiter zu bestärken. Dazu ist aber vor allem nötig, daß sich die sowjetischen Satelliten von Damaskus nicht mit ihren arabischen Brüdern Überwerfen. Die richtige Einsicht in diesen Sachverhalt gibt den Libanesen solche Zuversicht, bei ihren Verhandlungen mit den Syrern und den parallelen Sondermissionen aus Beirut in die arabischen Hauptstädte zwischen Magreb und Golf doch noch erfolgreich zu werden.

Das Zünglein an der Waage ist wieder einmal Arafats Palästinensische Befreiungsorganisation PLO. Seit ihrem Exodus aus Westbeirut im letzten Sommer haben die verschiedenen arabischen Gastländer der acht darin zusammengeschlossenen Bewegungen mit den Palästina-Kämpfern ziemlich schlechte Erfahrungen gemacht.

Inzwischen sind mit dem Reagan- und Fahd-Plan auch alle Aussichten auf eine rasche Neuetablierung der PLO in Jordanien oder gar auf der Westbank geschwunden. Gerade die gemäßigten Araber, die sonst einen Abzug der Syrer aus Libanon befürworten, sehen es jetzt recht gerne, daß die PLO in die Bekaa und nach Tripolis zurückkehrt.

Ohne syrische Schutzherrschaft ist dieser neuerliche Versuch bewußt islamischer Kreise, das Palästinenserproblem auf Kosten der libanesischen Christen zu lösen, aber unter der Präsidentschaft eines Dschumael nicht mehr zu denken. Dazu kommt die innere Radikalisierung von Arafats persönlicher Organisation, der Al-Fatah.

Allem Anschein nach bereitet Arafat einen Zusammenschluß von Fatah und der Volksfront für die Befreiung Palästinas vor. Die schwere Krankheit von FPLP- Chef Georges Habasch bietet Arafat die willkommene Gelegenheit, dessen extremistische Anhängerschaft bei entsprechendem Kurswechsel in den eigenen Reihen zu sich herüberzuziehen. Und der Palästinenserführer hat es noch nie gescheut, sich auf Kosten anderer vorzudrängen, am allerwenigsten aus Rücksicht auf Libanon.

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