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Zerfällt der Libanon?

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Der „Friedensplan“ des syrischen Staatspräsidenten Hafez Assad entzweit Libanons Christen. Wird es in der Zukunft eine christliche und eine islamische Staatshälfte geben?

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Der „Friedensplan“ des syrischen Staatspräsidenten Hafez Assad entzweit Libanons Christen. Wird es in der Zukunft eine christliche und eine islamische Staatshälfte geben?

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Nachdem es spätestens seit Anfang dieser Woche auf der Hand liegt, daß fortan Welten zwischen dem libanesischen Maroniten-präsidenten Amin Dschumaiel und den Führern der heutigen Bevölkerungsmehrheit von Fundamentalisten, Linksextremisten, arabischen Nationalisten und Palästinensern mit gemeinsamer islamischer Religion stehen, der kleine „Christenstaat“ aus Ost-

Beirut und seinem nordöstlichen Hinterland aber kaum lebensfähig ist, tun jetzt die Maroniten alles, um auch Libanons halbes Dutzend anderer größerer Kirchen auf ihre Seite zu ziehen.

Es sind das die Melkiten, Syria-ner und Armenier orthodoxer oder katholisch-orientalischer Konfession.

Nur mit ihrer Unterstützung ließe sich wenigstens das Gebiet des christlichen Libanon zwischen 1860 und 1918 wiederherstellen, das nach dem ersten neueren libanesischen Bürgerkrieg zwischen Drusen und Maroniten damals die Autonomie vom Sultan unter französischem Schutz erlangt hatte.

Dieses „Klein-Libanon“ von einst hatte sich aus 13 „cazas“ (Kantonen) zusammengesetzt, während Dschumaiel heute nur sieben im Griff hat.

Dazu kamen aber noch die von den prosyrischen Separatisten Suleiman und Robert Frand-schieh beherrschten „cazas“ von Zagharta, Bescharreh und Amiun im Norden sowie der vorwiegend melkitische Bezirk Zahleh in der Bekaa.

Die maronitische Bischofskonferenz am Patriarchensitz Bkerke hat daher bei ihrem Abschluß ein Sechs-Punkte-Programm für den

Zusammenschluß aller libanesischen Christen mit möglichst weitgehender regionaler Selbstverwaltung und voller Religionsfreiheit innerhalb eines „Friedens-Libanon“ verabschiedet, das aber wirklich von Syrien unabhängig sein müsse. ' Diesen Bedingungen der Maroniten für Akzeptierung des vom heutigen syrischen Vizepräsidenten und langjährigen Außenminister in Damaskus, Abdel Halim Chaddam, ausgearbeiteten Be-friedungs- und Reformplanes laufen aber zwei Grundtendenzen dieses bisher nur von den libanesischen Muslimen und Linkskräften sowie der von Syrien dirigierten christlichen Minderheit unter Frandschieh und dem inzwischen gestürzten Milizführer Elieh Ho-beika unterzeichneten Dokumentes zuwider.

Der „Plan“ sieht sowohl die Diskriminierung der Christen als fortan gerade noch geduldete Schar von Bürgern zweiter Klasse ohne Regionalautonomie und auch ohne religiös-kulturelle Gruppenrechte sowie die weitgehende Aufgabe der libanesischen Souveränität zugunsten von Damaskus vor.

Das würde von der bisher eigenständigen Außenpolitik über Armee und Geheimdienst bis zum Bildungswesen reichen, das ganz im Sinn des syrischen Säkularismus „entkonfessionalisiert“ werden soll.

Weder für die evangelische „American University“ und die Jesuiten-Universität St. Joseph in Beirut noch für die „Universite St. Esprit“ des maronitischen Ba-laditenordens in Kaslik bei

Dschunieh gäbe es dann eine Existenzgrundlage mehr.

Von den hunderten Klosterschulen zwischen Kindergarten und Matura gar nicht zu reden.

Die politischen Auswirkungen der maronitischen Bischofssynode sind vor allem deshalb hoch anzuschlagen, weil von den 9 vertretenen Erzbischöfen und Bischöfen sowie vom Generalvikar Butros Dschumaiel, einem Verwandten des Präsidenten, 5 ihren Sitz außerhalb der freien Christenzone im schiitischen oder syrischen Machtbereich haben.

Die dortigen Christenführer haben seit 1978 mit den örtlichen Machthabern gemeinsame Sache gemacht.

Die Loyalität der libanesischen Christen ihren Bischöfen gegenüber ist aber seit altersher viel stärker als bei jedem Partei- oder Milizchef.

Es war daher gar nicht so wichtig, daß an der parallel zur Bischof skonferenz ebenfalls in Bkerke abgehaltenen Tagung maroni-tischer Politiker nur 17 der 99 libanesischen Abgeordneten teilgenommen haben.

Das Parlament ist nach dem Auseinanderbrechen der Armee in ihre christlichen und schiitischen Brigaden und dem Bankrott von Raschid Karamehs „Regierung der nationalen Einheit“, von der sich am Montag nur 3 der 9 Minister im Präsidentenpalais von Baabda zu der durch Amin Dschumaiel einberufenen Notstandssitzung eingefunden haben, die letzte noch intakte gesamtlibanesische Institution.

Wie lange sie das noch sein wird, dürfte allerdings nur mehr eine Frage kurzer Zeit sein. Seit der „Nationalen Charta“ von 1943 wird der Parlamentspräsident immer von Libanons Schiiten gestellt. Das war früher eine Art Ehrenamt ohne jede politische Bedeutung.

In der gegenwärtigen Situation hält Senatspräsident Hussein AI Husseini plötzlich eine Schlüsselposition. Er wird nicht zögern, sie zugunsten seiner Glaubensgenossen in die Waagschale zu werfen.

Dann ist Libanons endgültige Teilung nicht mehr rückgängig zu machen.

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