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Dschibrils Harakiribande

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Palästinensische ExiJkreise ließen in den letzten Tagen erstmals Einzelheiten über die Terroristengruppe durchsickern, die sich auf einer Pressekonferenz in der libanesischen Hauptstadt Beirut selbst als verantwortlich für den Massenmord an Frauen und Kindern in dem in Nordisrael gelegenen galiläischen Städtchen Kiriat-Schmona bezeichnete. Das sogenannte „Generalkommando der Volksfront für die Befreiung Palästinas“ (PFLP) gehört nicht zu dem von Abu Ammar alias Jassir Arafat geleiteten Dachverband „Palästinensische Befreiungs-Organisation“ (PLO). Obwohl PLO und arabische Presse das Massaker von Kiriat-Schmona einhellig begrüßten, führte das sinnlose Vorgehen des dreiköpfigen „Todeskommandos“ doch zu interner Kritik durch andere Freischärlergruppen. Besonders Arafat fürchtet, daß seine insbesondere von Ägypten, Algerien und Saudi-Arabien geförderte Absicht, eine palästinensische Exilregierung zu bilden und an den künftigen Onfer Friedensverhandlungen teil-z. ehmen, durch solche Terrorakte durchkreuzt werden könnte.

Das PFLP-Generalkommando ist eine der zahlreichen Abspaltungen der nach dem Suezkonflikt von 1956 von dem in Lod bei Tel Aviv geborenen früheren Kinderarzt Doktor Georges Habache gegründeten und für den internationalen Flugzeugterror verantwortlichen „Volksfront“. Schöpfer des Generalkommandos ist ein gewisser Achmed Dschibril. Der heute 38jährige kam 1936 in dem ostpalästinensischen Städtchen Ram-leh zur Welt. Seine Mutter war Bosnierin aus Jugoslawien, und er ist Christ. Seine Kindheit erlebte Dschibril in dem heute israelisch besetzten el-Kuneitra am Fuß des Herrnongebirges in Südwes'tsyrien. Als 19-jähriger kam er in die syrische Armee und brachte es dort bis zum Leutnant. In seiner Wehrdienstzeit wurde er zum Experten bei der Entschärfung von Minen und Bombenblindgängern ausgebildet. 1958 opponierte er gegen den Zusammenschluß Syriens mit Ägypten zur „Vereinigten arabischen Republik“ und kam in den drei darauffolgenden Jahren, insbesondere während der Besuche des VAR-Präsidenten Gamal abdel Nasser, mehrfach als „gefährliches Sicherheitsrisiko“ ins Gefängnis. Nach dem 6-Tage-Feldzug von 1967 trennte er, der inzwischen zu einem der Unterführer Habaches aufgestiegen war, sich von der Mutterorganisation.

Die Trennung Dschibrils von Habache scheint vorwiegend ideologische Gründe gehabt zu haben. Im Gegensatz zu seinem einstigen Mentor hält Dschibril nichts vom Marxismus. Sein Kriterium bei dem Kampf gegen Israel und arabische Regierungen ist allein der Zionismus und der Kampf gegen die Zionisten. Dschibril hält stich abwechselnd in Syrien und im Libanon auf, ohne daß die dortigen Behörden bisher einen ernsthaften Versuch zu seiner Festnahme unternahmen. Er ist einer der lebenden Beweise dafür, daß die libanesische Behauptung, man könne das Levanteland nicht, für Terrorüberfälle wie den auf Kiriat-Schmona verantwortlich machen, mindestens auf sehr schwachen Füßen steht. Tatsache ist, daß Dschibril sich häufig in Beirut aufhält, seine Organisation dort ein Büro besitzt und ungestört öffentliche Pressekonferenzen abhalten darf.

Die Geldquellen des „Generalkommandos“ findet man in Bagdad und Tripolis. Die Ausbildungsstätten und Ausgangspunkte für den gegen Israel gerichteten Terror befinden sich vowiegend im Südldbanon, wo sie sich allerdings dem direkten Zugriff der libanesischen Sicherheitsbehörden weitgehend entziehen. Das liegt einmal daran, daß die Terroristen die dort ansässigen Bauern erpressen und zum Schweigen verurteilen, zum anderen an der stillschweigenden Unterstützung militanter libanesischer Moslemkreise in Beirut.

Jüngsten Schätzungen zufolge verfügt Dschibril über einen aktiven Kern von etwa hundert Terroristen. Dabei handelt es sich keineswegs nur um gebürtige Palästinenser, sondern auch um sympathisierende Syrer, Iraker und versprengte Angehörige japanischer und europäischer Anarchistenzirkel. Die künftigen Mitglieder kleiner „Todeskommandos“ werden darauf gedrillt, sich bei ihren Aktionen keinesfalls selbst zu schonen. Bester Beweis dafür ist das Ende des Überfalles in Kiriat-Schmona, bei dem keiner der drei Massenmörder den israelischen Behörden lebend in die Hände fiel. Erklärtes politisches Ziel Dschibrils ist es, in Israel eine kompromißlose Rechtsregierung an die Macht zu bringen, um Friedensverhandlungen oder mindestens eine Einigung über das Schicksal Palästinas zu torpedieren. Dschibril ist daher der „Staatsfeind Nr. 1“ nicht nur für Israel, sondern auch für die gemäßigten Gruppen innerhalb der PLO und die kompromißbereiten arabischen Regierungen. In Beirut glauben westliche Kreise, daß Vergeltungsschläge traditioneller Art mit diesem Problem nicht fertigwerden. Gegen Fanatiker wie Dschibril gebe es nur ein Mittel: man müsse sich ihrer selbst bemächtigen.

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