6829072-1974_28_07.jpg
Digital In Arbeit

Bomben für Genf

Werbung
Werbung
Werbung

Nachdem die libanesische Regierung das Angebot des ägyptischen Präsidenten Mohammed Anwar es-Sadat zur Entsendung von Abfangjägern abgelehnt hat, läßt sich erstmals wieder eine gewisse Entschärfung der Lage im Nahen Osten feststellen. Die Palästina-Guerillas verfügen offenkundig nicht über ein ausreichendes Reservoir an Todeskommandos und die Möglichkeiten, sie einzusetzen, um ihre Terrorakte kontinuierlich fortsetzen und Israel zu einem neuen Krieg provozieren zu können. Obwohl auf der in der Nil-Hauptstadt abgehaltenen außerordentlichen Sitzung des Verteidigungsrates der Arabischen Liga über Hilfsmaßnahmen für den Libanon und die militärische Abwehr gegen etwaige weitere feindliche Vergeltungsschläge beraten wurde, dienten die Kairoer Besprechungen offenkundig in erster Linie dem Zeitgewinn. Er soll dazu genutzt werden, alle diplomatischen Möglichkeiten zur Überwindung der gegenwärtigen Krise auszuschöpfen. Beirut wie Kairo haben Verbindung mit dem USA-State-Department aufgenommen, und amerikanische diplomatische Kreise in der libanesischen Hauptstadt bestätigten, daß Außenminister Henry Kissinger sich auch während seiner Anwesenheit in Moskau ständig über die Situation unterrichten ließ, um notfalls erneut persönlich eingreifen zu können. In arabischen Augen sinnvoll wäre eine solche JFeuerwehraktion“ diesmal jedoch nur dann, wenn Kissinger auch mit den Palästina-Guerillas direkt verhandeln würde. Auf diese üben mehrere um die Wiederaufnahme der Genfer Friedensverhandlungen besorgte arabische Regierungen zur Zeit diskreten Druck aus.

Beiruter Diplomaten und Journalisten aus aller Welt stimmen darin überein, daß in den kommenden zwei bis drei Monaten bis zur Wiederaufnahme der Genfer Gespräche ■noch mit manchen schweren Zwischenfällen gerechnet werden müsse. Der Nahe Osten erlebe in diesem Jahr wahrscheinlich den heißesten Sommer seit einem Vierteljahrhun-

dert. Die Frage, warum sich plötzlich auch bislang gemäßigt und ver-handslungsbereit auftretende Frei-schärlergruppen an dem Terror der Extremisten beteiligten, beantwortet man hier mit dem Hinweis auf die noch immer zur Debatte stehende Teilnahme der Palästinenser an den Genfer Verhandlungen. Auch die Gemäßigten seien offenbar davon überzeugt, daß man in Genf als selbständiger Faktor nur bestehen könne, wenn man seine Macht bewiesen und sich sowohl gegenüber den Israelis als auch gegenüber den arabischen Regierungen durchgesetzt habe.

Die Entwicklung seit dem Ramadan-Feldzug hat die palästinensische Seite in der Furcht bestärkt, daß man sie betrügen wolle und die Gefahr bestehe, die Kriegsgegner könnten sich über ihren Kopf hinweg einigen. Daher ist im kommenden Vierteljahr mit großer Sicherheit eine zunehmende Guerrillatätigkeit zu erwarten. Auch wenn feststeht, daß eine Delegation der „Palästinensischen Befreiungs-Organisation“ (PLO) nach Genf eingeladen wird und an den Verhandlungen teilnimmt, bedeutet das noch kein Ende des Terrors. Die Extremisten möchten durch ihre Uberfälle auf zivile Ziele im Feindesland zwar jegliche Verhandlungslösung selbst torpedieren. Doch ihre Tätigkeit kommt mindestens im Augenblick auch den einer Kompromißlösung nicht abgeneigten Gemäßigten nicht so ungelegen. Das Sprichwort von der Wurst, mit der man nach dem Schinken wirft, kennt man auch hierzulande. Mit anderen Worten wissen die PLO-Funktionäre, daß es nicht zuletzt auch von der Guerrillatätigkeit und ihrer Intensität abhängt, welche Zugeständnisse sie der Gegenseite im Kampf abringen können.

Die vom Libanon angedeutete erneute Drosselung der Erdölzufuhren stößt, wie aus zuverlässigen arabischen diplomatischen Quellen bekannt wurde, bei den Lieferanten auf wenig Gegenliebe.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung