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Die Vierten am Tisch

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In Kairo, wo sich der Chef der „Palästinensischen Befreiungsorganisation“ (PLO), Jassir Arafat, zu Gesprächen mit dem ägyptischen Präsidenten Mohammed Anwar es-Sadat aufhielt, wurde die unmittelbar bevorstehende Gründung einer arabischen Exilregierung für Palästina bekannt. Eine Äußerung des „El-Fatah“-Chefs, er sei grundsätzlich zu Verhandlungen mit dem amerikanischen Außenminister

Henry Kissinger bereit, signalisierte schon in der Vorwoche diese Entwicklung. Eine Mehrheit der Palä-stina-Guerilleros scheint sich damit auf eine Teilnahme an den Genfer Friedensgesprächen und auf eine Vernunftlösung des Nahostkonfliktes einzustellen.

Der Plan zur Bildung einer palästinensischen Exilregierung war schon vor dem Oktoberkrieg vom ägyptischen Staatschef vorgetragen worden. Seit sich es-Sadat auf Verhandlungen mit Israel und auf amerikanische Vermittlung eingelassen hat, wurde von ägyptischer Seite mehrfach gewarnt, die Araberstaaten könnten in eine Situation kommen, in der sie ihre eigenen nationalen über die Interessen der Palästinenser stellen müßten. Das war ein weiterer Hinweis darauf, daß sich die Gueril-leros endlich ein international handlungsfähiges Entscheidungsgremium verschaffen und ihre Zukunft selbst in die Hände nehmen sollten.

Neben Ägypten sind vor allem Algerien und Saudi-Arabien für eine palästinensische Exilregierung. Nur Jordanien, für das mit einer solchen Entwicklung der endgültige Verlust der seit dem Sechstagefeldzug israelisch besetzten palästinensischen Gebiete verbunden wäre, und der Irak, der um seinen Einfluß auf die Palästina-Guerrilleros fürchtet, widersetzen sich diesem Plan. Bis vor kurzem fand er auch in Syrien, das selbst historisch gewachsene Gebietsansprüche auf Palästina hat, wenig Gegenliebe. Die Haltung Syriens scheint sich in dieser Frage jedoch ebenso gewandelt zu haben wie beim Problem der Truppenentflechtung auf den Golanhöhen.

In der Guerrillabewegung löste die Absicht zur Bildung einer Exilregierung lebhafte Diskussionen aus. PLO- und „el-Fatah“-Chef Arafat ist grundsätzlich dafür und wäre vermutlich auch der erste Regierungschef. Unterstützt wird er vom größten Teil der Mitglieder der „el-Fatah“, von der syrisch beeinflußten „es-Saika“, und der linksgerichteten „demokratischen Volksfront“. Folgerichtig lehnen Arafat und diese Gruppen Terroranschläge gegen Ziele außerhalb Palästinas seit längerem entschieden ab, weil dadurch die internationale Verhandlungs-fähigkeit der Dachorganisation von vornherein fragwürdig wird.

Gegen eine Exilregierung, die man künftig für solche Terrorakte verantwortlich machen und zur Rechenschaft ziehen könnte, sind die mit den oben erwähnten Gruppen im Zentralkomitee der palästinensischen Widerstandsbewegung vereinigten Organisation „Volksfront für die Befreiung Palästinas“ (PFLP) und die irakisch beeinflußte „Arabische Befreiungs-Front“. Sekundiert wird ihnen von der Terrorgruppe „Schwarzer September“, deren Unterorganisationen und Absplitterungen. Sie alle fürchten, die Palästinenser könnten sich mit der Teilung ihrer Heimat unter Arabern und Israelis abfinden und sich mit der Wiedergewinnung Restpalästinas,also der sogenannten Westbank und des Gazastreifens, zufriedengeben und wollen daher bis zur Zerstörung des jüdischen Staates weiterkämpfen. Arafat konnte sie auch nicht mit der beschwichtigenden Behauptung auf seine Seite ziehen, für ihn sei die Gründung einer Exilregierung und der Kampf um die Gewinnung Restpalästinas nur der erste Schritt auf das unveränderte nationale Ziel der Befreiung ganz Palästinas zu/

Die Ereignisse der letzten Zeit beweisen, daß die Voraussagen, wonach der Guerrillaterror vor allem gegen die westliche Zivilluftfahrt im gleichen Maße wie die Erfolgsaussichten einer Vernunftlösung des Nahostkonfliktes wieder zunehmen werde, richtig waren. Im Nahen Osten selbst sieht man keine Möglichkeit, wie die Dachorganisation PLO dieser Tendenz Herr werden könnte. Die Extremisten sind Arafat in den vergangenen Monaten zunehmend entglitten.

Vor die Wahl gestellt, sich dem extremistischen Druck aus den eigenen Reihen oder dem der arabischen Regierungen zu beugen, entschloß sich die PLO-Führung jetzt für das letztere. Arafat fürchtet, die finanzielle und politische Unterstützung der reichen ölstaaten zu verlieren und außerdem das israelisch besetzte Gebiet wieder Jordanien in die Hände zu spielen. Deshalb empfiehlt er sich dem USA-Außenminister als Gesprächspartner und wünscht die Entsendung einer Palästinenser-Delegation zur zweiten Phase der Genfer Friedensverhandlungen. Noch im März soll in der ägyptischen Hauptstadt das Exilparlament der Freischärler, die 115 Mitglieder zählende „Palästinensische Nationalversammlung“ unter ihrem Vorsitzenden Chalid Fachum die Gründung einer Exilregierung formell beschließen und Arafat mit ihrer Bildung beauftragen.

In Beirut hofft man, daß die neue israelische Regierung in dieser Entwicklung einen Sieg der gemäßigten palästinensischen Kräfte sieht und sich damit abfindet, daß ihr demnächst am Genfer Verhandlungstisch neben den Syrern noch eine vierte arabische Delegation aus Palästina gegenübersitzen könnte.

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