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Die Teilung Palästinas

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Die Truppen der Arabischen Liga sind an den Grenzen Palästinas aufmarschiert. Längs des Jordans sammelt sich die arabische Legion König Abdullahs von Transjordanien, die bestausgerüstete und größte Militärmacht des Nahen Ostens., Modernst ausausgerüstete Stoßtrupps stehen an der ganzen Ostgrenze Palästinas Gewehr bei Fuß. Der syrische Verteidigungsminister gab bekannt, daß an der syrisch-palästinensischen Grenze Armeeverbände zur Verfügung der Arabischen Liga zusammengezogen sind. Zehntausend Pfadfinder der „Ersten Freiwilligen Division“, Artgehörige der halbmilitärischen „Moslem-Bruderschaft“, stehen, den Befehl zum Abmarsch erwartend, in Kairo bereit. Der libanesische Verteidigungsminister, der Drusenführer Emin Arslan, ist an der Grenze mit der Aufstellung seiner Truppen befaßt. Ägypten hat den Truppen des Königs Saud das Durchzugsrecht durch die Sinaihalbinsel eingeräumt. Die sieben Mitgliedstaaten der Arabischen Liga — Syrien, Irak, Libanon, Transjordanien, Jemen, Ägypten, und Saudisch-Arabien — bieten eine Streitmacht von 230.000 Soldaten auf. Die wichtigsten Straßen nach Palästina wurden gesperrt.'

Auf der anderen Seite wird die Kampfstärke der jüdisdien Organisationen auf 80.000 Mann geschätzt, die großenteils von einst britischen und tschechisdien jüdischen Offizieren befehligt sind.

Im Lande selbst hat das arabische Hochkomitee den Generalstreik ausgerufen. Der Führer der arabischen Arbeitergewerkschaft in Palästina, Sami Taha, der einen vermittelnden Standpunkt einnehmen wollte, wurde ermordet. Und in Beirut, jetzt dem Hauptquartier der gegen Pdästina mobilisierten arabischen Kräfte, ist der frühere Großmufti von Jerusalem, Hadsch Amin el Husseini, im Begriffe, eine arabisch-palästinensische Regierung zu bilden, in der er selbst das Amt des Staatspräsidenten übernehmen soll. Der Bogen ist gespannt — der Pfeil liegt auf der Sehne und die nächste Zeit wird erweisen, ob er abgeschnellt wird.

Wie ist diese Lage entstanden, in der Krieg und Frieden im Nahen Osten auf des Messers Schneide stehen?

England hatte durch den bekannten Bal-four-Brief den Juden eine Heimstatt in Palästina eröffnet. Durch 25 Jahre strömten jüdische Einwanderer aus allen Ländern nach Palästina, das sie unter britischem Schutz kolonisierten. Die britischen Behörden hatten mehrere lange und hartnäckige Aufstände der Araber niederzuschlagen, die sich gegen die jüdische Immigration erbittert zur Wehr setzten. Als England, durch die politische Entwicklung im Nahen Orient gedrängt, die Einwanderung drosselte, stieß es auf die heftigste Reaktion der Zionisten. Deren gemäßigter Flügel, die Haganah, begnügte sich damit, den britischen Einschränkungsmaßnahmen entgegenzuwirken. Ihre „Froschmänner“ besdiädig-ten durch Unterwasserminen die einlaufenden Einwandererschiffe, um die Ausschiffung der Insassen in Palästina zu erzwingen. Die radikale Zionistengruppe, Irgun Zwei Leumi, schritt zum Gegenangriff. In seltsamer Verkennung der Tatsache, daß das palästinensische Judentum seine An-siedlung und erfolgreiche Entwicklung allein England verdankte, und daß nur dieses imstande war, die Zionisten gegen die umgebende arabische Übermacht zu schützen, entfesselte diese, militante Gruppe einen mit großer Verwegenheit geführten

Kleinkrieg gegen die britische Mandatsverwaltung. Sie zwang England, in Palästina mit einem Aufwand von jährlich 35 Millionen Pfund eine Armee zu unterhalten, die in mehrjährigen Kämpfen erhebliche Blutopfer brachte. Es kann nicht wundernehmen, daß England, als es unter

Kartenbild: New York Times dem Drucke der Wirtschaftskrise die Positionen des Empire überprüfte, an die Liquidierung dieses verlustreidien Engagements schritt. Am 18. Februar 1947 erklärte deshalb der britische Außenminister Bevin, England werde sein Mandat über Palästina niederlegen und die Entscheidung über die Zukunft des Landes der UNO anheimstellen.

Der von der UNO zur Behandlung der Frage eingesetzte Sonderausschuß glaubte die Lösung in einer Zweiteilung des Landes zu finden, die aber so offensichtlich zuungunsten der Araber ausfiel, daß sie deren Erregung zur Siedehitze brachte. Die Entschließung des Aussdiusses enthält folgende Punkte:

1. Palästina wird vom 1. September 1949 an unabhängig. Während der Übergangszeit bleibt die britische Verwaltung unter der Ägide der UN und mit eventueller Hilfe anderer Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen bestehen.

2. Schaffung eines jüdischen Staates, der den größten Teil der Küstenebene, Ostgaliläa, die arabische Stadt Jaffa, das Gebiet von Beersheba und das ganze Nedscheb — den keilartig zwischen Ägypten und Transjordanien vorspringenden Landstrich — umfaßt.

3. Erriditung eines arabischen Staates, bestehend aus Westgaliläa, dem größten Teil des Berglandes von Judäa und Samaria und einem Küstenstreifen im Süden.

4. Jerusalem und seine Umgebung, einschließlich Bethlehem, werden internationales Gebiet unter Treuhänderschaft der UN.

5. Während der Übergangszeit dürfen 150.000 Juden einwandern.

6. Die beiden palästinensischen Teilstaaten bilden eine wirtschaftliche Einheit.

Wie die beigefügte Karte zeigt, würde nach diesem Konzept das bisher einheitliche Mandatsgebiet Palästinas in je drei arabische und jüdische Teile aufgespalten, die so gelagert wären, daß der Versuch, die national verwandten Gebiete untereinander zu verbinden, den Verkehr zwischen jenen des anderen Teiles unterbinden würde. Die Zuteilung des arabisch besiedelten Negeb an Jüdisch-Palästina würde Ägypten dauernd von den vorderasiatischen arabischen Ländern trennen. Als einen besonderen Schlag empfinden die Araber, daß der vor-gesdilagene jüdische Teilstaat fast ebensoviel Araber als Juden in sich einschließen würde. Soll doch Jüdisch-Palästina neben 550.000 Juden 500.000 Araber umfassen, während in Arabisch-Palästina 620.000 Arabern nur eine verschwindende Minorität von 15.000 Juden gegenüberstehen würde. Das Gebiet von Jerusalem würde je 100.000 Araber und Juden zählen, von welch letzteren je die Hälfte christlichen und mohammedanischen Glaubensbekenntnisses sind.

Ganz unberücksichtigt scheinen übrigens bisher die Rechte der etwa 140.000 altansässigen einheimischen Christen . geblieben zu sein. Ihr Schutz gehört zu einer gerechten Lösung des Palästinaproblems. Der Vorschlag, sie nach dem- Libanon auswandern zu lassen, ist unbillig Bei einer Neuordnung der Verhältnisse im Heiligen-Land müßte neben völliger Respektierung der christlichen heiligen Stätten die volle Freiheit sowie die völlige kulturelle, soziale und wirtsdiaftliche Gleidibereditigung der dirist-lichen Minderheit festgelegt werden,

Inzwischen ist die Stellungnahme der Großmächte bekannt geworden. Rußland stimmt, zur lebhaften Enttäuschung der arabisdien Welt, dem Teilungsplan zu. Amerika knüpft seine Zustimmung an territoriale Verbesserungen zugunsten der Araber, insbesondere durch Zuteilung der Stadt Jaffa an Arabisch-Palästina. Die USA erklären ferner, daß nach vollzogener Teilung die Verantwortung für die Verwaltung des Landes nicht von, den Vereinten

Nationen, sondern von der britischen Man-datsmadit getragen werden müsse. Dies widerspricht aber durchaus der Absicht Englands, dessen Entschluß, das Mandat aufzugeben, von der Notwendigkeit einer sofortigen radikalen politischen und mili-tärisdien Entlastung ausging. Der britisdie Kolonialminister Creech Jones hat deshalb erklärt, Großbritannien werde für jeden Plan der UNO die Verantwortung übernehmen, der sich auf das Einvernehmen zwischen Juden und Arabern stützen könne, aber nicht für einen solchen, der von einem der beiden Streitteile abgelehnt werde. In diesem letzteren Falle werde England prüfen, ob der Plan gerecht sei und ob auch die Möglichkeit bestehe, ihn in Kraft zu setzen. In jedem Falle aber werde England seine Truppen und seine Verwaltung rasche-sttns aus Palästina abziehen und es werde von diesem Beschluß keinesfalls Abstand nehmen, auch wenn keine Behörde vorhanden sei, in deren Hände es die Regierungsgewalt legen könne.

Die letzte Entscheidung über Palästina ist der Vollversammlung der UNO vorbehalten. So besteht die Möglichkeit, daß die Entschließung des Sonderausschusses noch abgeändert wird. Dem Beschluß der Vollversammlung kommt unter diesen kritischen Umständen größte Bedeutung zu.

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