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EINE GESELLSCHAFT DER DISKRIMINIERUNG

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Am 15. Mai 1948 rief der Nationalrat der Juden in Palästina den unabhängigen Staat Israel aus, der sich von Anfang an als Heimstätte aller Juden in der Welt verstand. Seitdem sind Hunderttausende von Juden aus Europa, Asien, Afrika und Amerika eingewandert. Die spektakulärste Einwanderung war die Rettungsaktion der äthiopischen Falascha.

Als die zwei großen jüdischen Bevölkerungsgruppen lassen sich die Aschkenasim, die „weißen", „westlichen" Juden aus West- und Osteuropa, und die Sephardim, die orientalischen Juden, beschreiben. Die Aschkenasim stellten traditionell die Herrschaftsschicht, die nach und nach zurückgedrängt zu werden schien, da die Einwanderer aus den orientalischen Ländern das kulturell-zivilisatorische Klima zu ändern begannen. Was die Einwanderung von weißen Juden aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion für die Entwicklung des politischen Klimas bedeuten mag, läßt sich noch kaum abschätzen.

Bisher haben eher Juden aus dem europäischen Teil der ehemaligen UdSSR den Weg nach Israel gefunden. Wenn die Wanderungsbewegung jener Juden, die in den zentralasiatischen Republiken und im Kaukasus leben, voll einsetzt, wird diese eher eine Stärkung des se-phardischen Anteils bewirken.

Ein großer Unterschied liegt mit Sicherheit in der Mentalität, ein weiterer in der Stellung zum Holokaust. Für die europäischen Juden i st er das zentrale identitätsstiftende Erbe zur Konstituierung eines neuen Traditions- und Selbstwertgefühls in Israel. Den anderen fehlt diese spezielle historische Erfahrung völlig.

Von den rund 5,1 Millionen israelischen Staatsbürgern bekennen sich 81,7 Prozent zum mosaischen Bekenntnis, 14,2ProzentsindMos-lems, 2,3 Prozent Christen (meist Araber, zu zwei Drittel Katholiken) und 1,8 Prozent Drusen.

In Israel haben sich unter dem Gesichtspunkt der Bürgerrechte und ökonomischen Möglichkeiten drei Schichten von Bürgern herausgebildet: Jüdischstämmige Israelis, die in einer Demokratie leben und auf den Kapitalimport aus Übersee angewiesen sind, israelische Araber, rund 700.000 Palästinenser, die als Bürger zweiter Wahl gelten, und letztlich jene 1,7 Millionen Araber, die in den besetzten Gebieten leben.

Würde Israel dieser Gruppe das volle Wahlrecht geben, hätten die Araber in der Knesset rund ein Drittel der Abgeordneten und bei anhaltender Geburtenrate zwischen 2010 und 2020 die arabische Bevölkerungsmehrheit. Am 17. Juni 1988 meinte der Richter Aher Felix Landau, der mit großen Hoffnungen aus Südafrika nach Israel gezogen war, in der „Jerusalem Post": „Israel wird Südafrika gleich: nämlich eine Gesellschaft, die auf Rassenunterschiede und Diskriminierung basiert."

Der nicht gern gehörte Vergleich wird durch die Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten untermau-'ert. Die aus politischen Gründen kolportierten unterschiedlichen Zahlen, die zwischen 20.000 und 120.000 Siedlern schwanken, verheißen nichts Gutes. Brigadegeneral i.R. Rechawaam Seewi sagte am 13. Jänner 1989 laut dpa: „Die Siedler werden das Westjordanland nicht verlassen. Niemand kann sie dort vertreiben, nicht der Aufstand, nicht die Fatah, nicht die USA, nicht einmal unsere Regierung."

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