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Der Israelkonflikt aus arabischer Sicht

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Gert v. Paczensky hat In seinem Buch „Die Weißen kommen“ mit aller Schärfe die dunklen und grausamen Seiten des Kolonialismus herausgearbeitet, was ihm manchen Widerspruch von selten seiner Leser und Kritiker einbrachte. Oft wenig stichhaltige Einwände übrigens, die mehr auf emotionellen als sachlichen Argumenten basierten.

In dem hier vorliegenden Beitrag zur Geschichte des Israelkonflikts hat Paczensky wieder ein sehr heißes Eisen angepackt. Er liefert eine Untersuchung, die den hierzulande viel weniger bekannten arabischen Standpunkt in der Nahostauseinandersetzung beleuchtet: alle die unseligen Verstrickungen zwischen Juden und Arabern in Palästina, die durch das Eingreifen zuerst Englands, Frankreichs und Italiens, spä ter Amerikas und der UdSSR In die Nahostfragen, in eine ausweglose Situation geführt haben.

Die Juden waren früher in Palästina als die Araber, stellt Paczensky fest. Aber sie wurden 135 n. Chr. von den Römern nach Spanien und in andere Teile des römischen Reiches „umgesiedelt“. Im 7. Jahrhundert wanderten Araber in den ganzen Nahen Osten ein und blieben dort bis zum heutigen Tag. Eine jüdische Einwanderung nach Palästina begann erst wieder am Ende des 19. Jahrhunderts, ausgelöst durch die von Theodor Herzl gegründete zionistische Bewegung. Doch bis 1914 betrug der jüdische Anteil der Be völkerung weniger als zehn Prozent.

Im ersten Weltkrieg dann das Doppelspiel der Engländer, sich widersprechende Verpflichtungen gegenüber Arbem und Juden, um beide Gruppen im Kampf gegen Deutschland und seine Verbündeten zu engagieren. Am Ende mußten sich Juden und Araber betrogen fühlen, weil die gänzlich unvereinbaren Versprechungen ihnen gegenüber nicht eingehalten werden konnten.

„Es gehört zu den Wurzeln der Tragödie, daß die entscheidenden Weichenstellungen für die Gründung Israels auf arabischem Boden nicht zwischen den Hauptbeteiligten ausgehandelt worden sind … sondern zwischen den Juden und einem Kolonialherrn, eben den Engländern, daß man mit den Arabern niemals konkret und ernsthaft den Verhandlungsversuch gemacht hat…", meint Paczensky, und er zitiert in diesem Zusammenhang Nahum Goldmann, der auch davon spricht, daß „bei der Gründung des jüdischen Heimatlandes in Palästina der arabische Aspekt nicht ernsthaft genug zur Kenntnis genommen worden sei…“

Es kann hier auf die einzelnen Stadien der Entwicklung nicht näher eingegangen werden, sie sind ohnehin weitgehend bekannt. Es ist eine Geschichte, die von Gewaltaktionen beider Partner verdunkelt wird, zu denen sich wenig noble, sehr eigensüchtige Eingriffe fremder Staaten gesellen. Israel konnte seinen Staat nur schaffen und vergrößern gegen den Willen der arabischen Mehrheit in Palästina, und die Reaktionen der arabischen Völker des Nahen Ostens sind alles andere als lammfromm.

Wenn Paczensky versucht, die Ursachen für ihre Haltung aufzudecken, hat das nichts mit Antisemitismus zu tun, den ihm gewisse Kreise sicher andichten werden. Unbewältigte Scham und Schuldgefühle der Deutschen gegenüber den Nazigreueln an den Juden verführen heute nicht die Besten unter den Deutschen, nun ein anderes Volk, diesmal die Araber, zu verteufeln. Einer solchen unsachlichen Beurteilung der Lage im Nahen Osten möchte der Autor entgegentreten. Ein mutiges Anliegen, das letztlich der Versöhnung der Feinde im Israelkonflikt dienen will. Paczensky spricht nicht für die Araber oder gegen die Juden, aber er ruft zur Mäßigung auf, zu Kompro missen auf beiden Seiten, ohne die es nie zu einer Einigung kommen kann. Er sieht die Gefahren einer einseitigen Stellungnahme, eine Wahrheit, der sich die Rezensentin nicht entziehen kann, obwohl ihr Herz auf selten der Israelis ist.

Ein Beitrag zur Geschichte des Israelkonflikts. Von Gert v. Paczensky. Hoffmann-und-Campe-Verlag, Hamburg, 1971.122 Seiten.

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