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Schlag ins Wasser

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Der Bombenangriff auf das PLO-Hauptquartier bei Tunis einigt die zerstrittene israelische Koalitionsregierung. Das Husarenstück schadet jedoch Israels Ansehen in der Weltöffentlichkeit.

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Der Bombenangriff auf das PLO-Hauptquartier bei Tunis einigt die zerstrittene israelische Koalitionsregierung. Das Husarenstück schadet jedoch Israels Ansehen in der Weltöffentlichkeit.

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Was soll Israel unternehmen, um ein für allemal mit dem palästinensischen Terror aufzuräumen? Die Frage ist leicht gestellt, Anworten gibt es viele. Keine hat sich jedoch bis heute als richtig erwiesen.

Schlimmer noch, es gibt kaum eine Antwort, die diskussionslos akzeptiert wird.

Die Aussichtslosigkeit einer Lösung der Palästinenserfrage tritt immer deutlicher zutage, da bei Juden und bei den Palästinensern eine extreme Minderheit, die mit demagogischen Mitteln ihre Lösungen der stummen Mehrheit aufzwingt, den Ton angibt.

So bleibt grundsätzlich alles beim alten. Die PLO, die immer mehr in die Enge getrieben wird, versucht sich nun mit Hilfe des Terrors über Wasser zu halten. Letzten Endes müssen die beschäftigungslosen Terroristen in ihren Ausbildungslagern in Tunis und anderen arabischen Ländern irgendein greifbares Ziel haben.

Da es immer schwieriger wird, nach Israel selbst einzudringen, werden die Israelis, die sich irgendwo ungeschützt im Ausland befinden, zur Zielscheibe der PLO-Terroristen.

So wurden am jüdischen Versöhnungstag Jörn Kipur (25. September 1985) drei Israelis, die auf einer Segeljacht in Zypern vor Anker lagen, einfach erschossen. Die Täter gaben offen zu, einer Einheit der „Gruppe 17“, der Kommandoeinheit der arafattreuen PLO, anzugehören. Nun sah sich Israel zum Handeln gezwungen, denn es kann nicht tatenlos zusehen, daß israelische Bürger, die sich zufällig im Ausland befinden, ungestraft ermordet werden. Hier mußte man reagieren, um auch der frustrierten israelischen Bevölkerung Beruhigung zu verschaffen.

Mit anderen Worten: Israel, das sich zur Zeit in einer Wirtschaftskrise befindet, muß seine Bürger überzeugen, daß sie in einem sicheren Judenstaat leben. Die Frage war nur, welche Aktion als Vergeltungsakt am wirksamsten wäre.

Es sollte eine Vergeltungsaktion sein, die auch bei der Bevölkerung gut ankommt. Sie sollte reibungslos durchgeführt werden, und der Feind sollte die eiserne Faust Israels zu spüren bekommen. Also wurde dieses Mal beschlossen, die Kommandozentrale der Gruppe 17, die sich für den Uberfall in Zypern verantwortlich erklärt hatte, anzugreifen. Die ganze Welt sollte zur Kenntnis nehmen: Israelis dürfen im Ausland nicht ungestraft ermordet werden.

Die politischen Folgen kamen erst an zweiter Stelle, denn Ministerpräsident Schimon Peres und Verteidigungsminister Jitzak Rabin mußten auch ihre Koalitionspartner von rechts, die Likud-Minister, berücksichtigen. Die großangelegte Vergeltungsmaßnahme war wieder einmal ein Beschluß, der von fast allen Kabinettsmitgliedern akzeptiert wurde. Sogar der Libanonfeldzugarchitekt, der Handelsminister Ariel Scharon, sagte nach der Tunis-Operation: „Endlich hat Israel den richtigen Kurs eingeschlagen.“

Jetzt kann sich Peres möglicherweise auch eine weniger populäre Friedenspolitik gegenüber Jordanien leisten. Schließlich hat er bewiesen, daß er zumindest genauso energisch bereit ist, Terrorakte zu vergelten, wie Ariel Scharon.

Nun kam die Reaktion anderer Länder, die keineswegs gut für Israel ausfiel. Gerade Tunesien gehört zu den gemäßigten arabischen Ländern, die PLO führt zwar dort ein exterritoriales Dasein, doch ist sie in Wirklichkeit fast wie der Löwe in einem Löwenkäfig.

Israel hoffte anfangs, daß die USA im Sicherheitsrat ein Veto bei der Abstimmung einlegen würden. Israel baute dabei offensichtlich zu sehr auf den großen Bruder USA. Doch auch hier wurden die schlecht informierten Israelis getäuscht.

Die Rechnung mit den Amerikanern ging nicht auf. Mit amerikanischer Stimmenthaltung und mit allen Stimmen der Mitglieder des Sicherheitsrates der UNO wurde Israel auf das schärfste verurteüt.

So erhielt die in Israel weit verbreitete Devise „Die ganze Welt ist gegen Juden“ neue Nahrung. Diese Durchhalteparole begünstigt das in Israel bereits weit verbreitete Festungsdenken.

Einerseits verursacht der Slogan „Die ganze Welt ist gegen Juden“ tiefe Unsicherheit und sorgt für Unmut in der Bevölkerung.

Auf der anderen Seite führt sie dazu, daß sich vielfach zerstrittene Koalitionspartner in der Regierung in den Fällen, wo die Sicherheit des Landes auf dem Spiel steht, rasch einigen und dann blitzschnell handeln.

Genau das ist im Fall von Tunis auch geschehen. Leider erinnerte keiner im Ausland daran, daß Israel an erster Stelle auf einen dreifachen Mord reagiert hat. Es hieß nur, Israel habe ein friedliches Land angegriffen.

Ablehnende Reaktionen

So war diese Reaktion gegen die PLO-Kommandozentrale vielleicht moralisch gerechtfertigt, müitärisch mehr als gelungen, jedoch politisch völlig sinnlos. Schlimmer noch. Diese Vergeltungsaktion wird keineswegs neue Terroraktionen verhüten.

Es war ein Racheakt, dem nun ähnliche Rachezüge arabischer-seits wieder folgen werden, und der Teufelskreis des Mordens wird weitergehen, denn eines ist sicher: Mit Terror lassen sich keine politischen Probleme lösen, mit Gegenterror auch nicht, und erst wenn Israelis und Palästinenser eine gemeinsame Verhandlungsbasis für einen dauerhaften Frieden finden, wird das Morden vielleicht ein Ende nehmen.

Inzwischen sind nicht nur Juden und Araber zerstritten, sondern auch die Palästinenser unter sich selbst, so daß die Aussichten auf eine politische Lösung des Nahostproblems hier immer geringer werden.

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