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Was, wenn der Frieden kommt?

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Offiziell scheint alles klar: Israel und PLO unterzeichnen einen „Friedenspakt”, der Jericho und dem Gazastreifen Teilautonomie beschert. Lediglich im Zeitplan gibts noch Differenzen. Das Umdenken wird aber ein weit schwierigerer Prozeß.

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Offiziell scheint alles klar: Israel und PLO unterzeichnen einen „Friedenspakt”, der Jericho und dem Gazastreifen Teilautonomie beschert. Lediglich im Zeitplan gibts noch Differenzen. Das Umdenken wird aber ein weit schwierigerer Prozeß.

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„Erst nach dem Oktoberkrieg (Jörn Kippur Krieg) konnte es sich der verstorbene Anwar al Sadat erlauben, Frieden mit Israel zu schließen, denn in diesem Krieg konnte er die arabische Ehre retten. Uns Palästinensern erging es ähnlich. Erst als wir in unserem Krieg mit Steinen (später auch mit Schußwaffen, Anm. d. Red.) - mit der Intifada (palästinensischer Volksaufstand) - bewiesen, daß wir die Israelis nicht besiegen, aber in Schach halten konnten, haben wir unsere Ehre zurückgewonnen. Wir waren nicht mehr die gedemütigten Palästinenser.”

So erklärt Feisal el Husseini, der ungekrönte Führer der Mehrheit der Palästinenser, den Hintergrund zu der bevorstehenden Versöhnung zwischen Israelis und Palästinensern. Eine Versöhnung, die für eine fünfjährige Übergangszeit zu einer Autonomieverwaltung führen wird. Danach jedoch, glaubt Husseini, würde der Palästinenserstaat Wirklichkeit.

Noch vor zwei Wochen demonstrierten Anhänger der „Frieden-jetzf'-Bewegung vor den Büros der Arbeiterpartei, um die Führung, insbesondere Jizchak Rabin, dazu zu bringen, die PLO als Verhandlungspartner, mit Jassir Arafat an der Spitze, zu akzeptieren und als Alleinvertretung der Palästinenser anzuerkennen. Für Israel, und insbesondere für Jizchak Rabin, war dies ein schwerwiegender Schritt. All das, was bis gestern gültig war, wurde plötzlich vergessen.

Das können die Rechten und insbesondere die Neuansiedler nicht hinnehmen, weil sie zum Umdenken nicht fähig sind. Für sie ist alles beim Gestern und Vorgestern geblieben. Ihre Perspektive ist ein ewiger Krieg, weil so und so „die gesamte Welt gegen die Juden ist”. Deswegen dürfen sie auch auf nichts verzichten, denn jeder Kompromiß ist ein Zeichen der Schwäche. Ihr Einfluß ist nicht so groß, wie man glauben könnte, denn sie sind sehr militant und lautstark. Doch die schweigende Mehrheit, sie will nur eines - Frieden.

Bei Arafats Palästinensern ist die Lage ähnlich. Auch hier fällt das völlige Umdenken schwer. Die Zionisten, die Todfeinde von gestern, sind plötzlich die Verbündeten von heute. Natürlich kann hier die Verweigerungsfront in und außerhalb der PLO nicht mitspielen. Ihr Feindbild ist geblieben; und genauso wie Rabin von Israels Rechten als Verräter verschrien wird, ist in ihren Augen auch Arafat der todeswürdige Verräter.

Jetzt gegen Fundamentalisten

Bei den Fundamentalisten ist dies nicht anders, doch haben diese im Vergleich zu der Verweigerungsfront auch großen Zulauf unter den Palästinensern, denn bei dieser Gruppe ist Allah mit der Politik verbunden, ähnlich wie Gott im Himmel bei den israelischen Neuansiedlern. Hier wird Arafat nichts erspart bleiben. Er muß diese Fundamentalisten mit Waffengewalt unterdrücken. So wird sich Arafat der antifundamentalistischen Front von Syrien, Ägypten und Saudiarabien anschließen müssen.

Obiges ist der Grund, warum Arafat gleich zu Beginn der Autonomie, die bereits in zwei bis vier Monaten im Gazastreifen und Jericho eingeführt werden soll, eine starke Polizeitruppe benötigt. Feisal el Husseini spricht von mindestens 28.000 bis 30.000 Mann, die hauptsächlich mit Schußwaffen in Terrorbekämpfung und weniger in Verbrechensbekämpfung ausgebildet werden sollen. Die PLO will Palästinenser-Bataillone aus Jemen, Tunis, Jordanien und anderen arabischen Ländern, wo diese stationiert sind, in das Autonomiegebiet bringen. Es soll eine Kooperation zwischen den israelischen und palästinensischen Sicherheitsbehörden zwecks Terrorbekämpfung beginnen. Nur die Außenpolitik und die Landesverteidigung wird in den ersten fünf Jahren der Autonomie in Händen der Palästinenser verbleiben. Wirtschaft, Finanzen, Steuern, Gesundheit, Wohnungsbau, Erziehung et cetera sollen von der neuen PLO-Verwaltung selbständig geleitet werden.

Investitionen in Gaza

Gemeinsame israelisch-palästinensische Planungsgruppen der Wirtschaft wurden bereits vor einigen Monaten aufgestellt, um die neue Wirtschaft zu planen, und die Wirtschaft des Gazastreifens zu sanieren. Auf diesem Weg hofft man unter anderem, den Fundamentalismus, der vielfach von der Armut und Verzweiflung der Bevölkerung genährt wird, zu bekämpfen. Der Plan spricht von Rieseninvestitionen. Mit Hilfe von Zuschüssen der EG und internationalen Anleihen will man als erstes eine passende Infrastruktur für eine Industrialisierung des Gazastreifens schaffen. Danach sollen hier Industrieprojekte entstehen, die auch die billige Arbeitskraft im Streifen berücksichtigen, wie zum Beispiel Textilfabriken, umweltsichere Plastikindustrie, Konservenfabriken, industrialisierte Landwirtschaft et cetera. Die Investitionen sollen sich fürs erste auf zwei bis drei Milliarden US-Dollar belaufen.

Diese Zukunftsvision kann zur Wirklichkeit werden, doch ist sie leider mit vielen Hindernissen verbunden. Israels Extremisten und insbesondere die palästinensischen Fundamentalisten, haben noch lange nicht aufgegeben. In Israel und in den besetzten Gebieten, die alle im Laufe von Monaten in die Autonomie geführt werden sollen, sodaß der Gazastreifen auf längere Sicht nicht allein dasteht, wird es zu Terroranschlägen und Blutvergießen kommen. Es besteht jedoch die Hoffnung, daß man innerhalb von Monaten diesem Terror Herr werden kann. Das jüdischarabische Lied „Und wenn der Frieden kommt” muß dann umgedichtet werden.

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