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Auch die Palästinenser beginnen allmählich umzudenken

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Der Schock, den der Besuch des ägyptischen Staatspräsidenten Mohammed Anwar-as-Sadat in Jerusalem auslöste, war so tiefgreifend, daß heute der Mann auf der Straße die Zeit in eine Periode vor und eine Periode nach dem Sadat- Besuch einteilt. Noch haben die Israelis gar nicht verkraften können, was da geschehen ist. Die Zeit der Entscheidung nähert sich in Windeseile. Eines der wichtigsten Probleme beim Zustandekommen der Genfer Friedenskonferenz ist jedoch die Teilnahme der Palästinenser. Gerade dank Sadats Besuch kamen die Ägypter zu der Ansicht, daß die PLO als unabhängige Organisation nicht nur für Israels, sondern auch für Ägyptens innere Sicherheit Gefahr bedeutet. Aus diesem Grund wurden dieser Tage 400 Prominente der PLO aus dem Nilstaat ausgewiesen.

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Der Schock, den der Besuch des ägyptischen Staatspräsidenten Mohammed Anwar-as-Sadat in Jerusalem auslöste, war so tiefgreifend, daß heute der Mann auf der Straße die Zeit in eine Periode vor und eine Periode nach dem Sadat- Besuch einteilt. Noch haben die Israelis gar nicht verkraften können, was da geschehen ist. Die Zeit der Entscheidung nähert sich in Windeseile. Eines der wichtigsten Probleme beim Zustandekommen der Genfer Friedenskonferenz ist jedoch die Teilnahme der Palästinenser. Gerade dank Sadats Besuch kamen die Ägypter zu der Ansicht, daß die PLO als unabhängige Organisation nicht nur für Israels, sondern auch für Ägyptens innere Sicherheit Gefahr bedeutet. Aus diesem Grund wurden dieser Tage 400 Prominente der PLO aus dem Nilstaat ausgewiesen.

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Der Regierung Begin ist durchaus klar, daß Friedensverhandlungen ohne Palästinenser nicht möglich sind. Die Frage ist nur, ob unbedingt die PLO Vertreterin der Palästinenser sein muß, da die PLO mit Moskau enge

Kontakte unterhält und teilweise von der Sowjetunion abhängig ist.

Die PLO-Vertreter sind nie in demokratischen Wahlen gewählt worden, sie setzen sich vielmehr aus Palästinensern zusammen, die aus verschiedenen Gründen außerhalb Palästinas leben und von Jassir Arafat oder von den Kommandanten anderer Terrororganisationen kurzweg ernannt worden sind. Deswegen wollen Ägypten und Israel mit anderen Vertretern der Palästinenser verhandeln, die im Westjordanland und im Gazastreifen leben, eventuell sogar PLO-Sympathi- santen, aber doch nicht so extrem sind, daß sie die Ausrottung des Judenstaates propagieren, und die daher einem arabisch-israelischen Kompromiß zustimmen könnten.

Dies war der Hintergrund zu dem teilweisen Widerstand der Prominenten des Gazastreifens und Westjordaniens gegen den Besuch und die Gespräche Sadats in Jerusalem. Vor Beginn des Besuches war die Opposition bei diesen Arabern besonders heftig, doch nach der Rede im israelischen Parlament, bei der Sadat die alten arabischen Forderungen wiederholt hatte, tendierten sie dennoch mehr und mehr zum ägyptischen Standpunkt.

Am letzten Tag des Besuches kamen zwei Delegationen aus den besetzten Gebieten in Sadats Residenz, das „King David Hotel“, um dem Präsidenten ihre Unterstützung anzubieten. Beim Abschied am Flughafen Ben Gurion war die Zahl der arabischen Notabein aus den besetzten Gebieten, die von ihm Abschied nahmen, doppelt so groß wie bei seinem Empfang.

Es war die Rede des Scheichs Aqram Zabari vor Sadat in der Al-Aqsa-Mo- schee auf dem Tempe,lberg von Jerusalem, die bei den Palästinensern besonderen Eindruck machte. Der Scheich sagte: „Wir dürfen auf Jerusalem nicht verzichten, denn das würde bedeuten, daß wir auch auf Mekka und Medina verzichten. Wer Jerusalem antastet, den wird Allah vernichten. Ihr Muselmanen auf der ganzen Welt: Dank Sadats Besuch können wir über die Wellen des Äthers mit Euch sprechen, damit Ihr die traurige Stimme aus der Al Aqsa vernehmt, die Stimme des unglücklichen palästinensischen Volkes...! Trotz des antiisraelischen Tones, in dem diese Rede gehalten war, nahm Sadat sie ohne Widerspruch auf und eroberte damit der Herzen der Palästinenser.

Vor dem Besuch Sadats schrieb nur eine der Tageszeitungen, die in Westjordanien erschienen, für ihn. Nach dem Besuch waren es alle drei... Die meisten Bürgermeister Wesljordani- ens und des Gazastreifens weigerten sich anfangs, den ägyptischen Präsidenten zu begrüßen, doch nach Sadats Auftreten vor den Israelis änderten die meisten ihren Standpunkt. Nur einige verbissene Anhänger der PLO, wie die Bürgermeister von Nablus, Tuklarem, Jericho und Ramalla, verweigerten auch weiterhin jeglichen Kontakt.

Mit dem Einverständnis der israelischen Behörden wurde nunmehr eine Delegation von Bürgermeistern, ehemaligen Ministern, ehemaligen Parlamentsmitgliedern und anderen Notabein aus den besetzten Gebieten zu Besprechungen nach Ägypten eingeladen. Sadat will ihnen den Plan einer eigenständigen palästinensischen Vertretung auf der Genfer Friedenskonferenz Vorschlägen.

Fast sieht es so aus, als ob für die PLO eine der schwersten Stunden in ihrer eigentlichen Heimat, den besetzten Gebieten, angebrochen wäre. Die Unterstützung seitens der Bevölkerung läßt nach und die PLO kann sich nur noch auf ihre fanatischesten Anhänger verlassen. Denn Sadat hat die Herzen der Massen im Sturm erobert.

Man nimmt an, daß derzeit eine Mehrheit von 60 bis 70 Prozent der Palästinenser die Sadat-Initiative unterstützt und bereit ist, eine gemäßigte Führung zu akzeptieren. Trotz der Millionen, die der PLO zur Verfügung stehen, hat diese nur einen recht bedingten Anhang in Westjordanien und im Gazastreifen. Wenn keine Möglichkeit mehr besteht, die Bevölkerung mit Terror zu vergewaltigen, wird dieser Einfluß noch geringer werden.

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