6816515-1973_12_07.jpg
Digital In Arbeit

Ein Dammbruch

Werbung
Werbung
Werbung

Mit der Fernseh- und Rundfunkansprache über Radio Omdurman, in der der sudanesische Staatschef General Dscha'Afar en-Numeiri den dreifachen Geiselmord durch acht palästinensische Terroristen in der saudi-arabischen Botschaft von Khartum scharf verurteilte, die Schließung des lokalen Büros der „Palästinensischen Befreiungsorganisation“ und die Verhaftung ihres Leiters bekanntgab, einen Militärgerichtsprozeß gegen die festgenommenen Mörder und den der Vorbereitung ihrer Tat verdächtigen Büroleiter der PLO ankündigte, die bislang als gemäßigt geltende Guerillagruppe „El-Fatah“ als mitschuldig bezeichnete und eine totale Einreisesperre für alle Palästinenser dekretierte, begann offenbar ein Dammbruch in den Beziehungen der arabischen Regierungen zu den „Fedaijjin“. In der arabischen Öffentlichkeit fand die Rede im allgemeinen ein positives Echo. Ausnahmen bildeten lediglich die Guerillapresse und die Organe der Linksextremisten. Während sich die staatlich kontrollierten Zeitungen Ägyptens, Syriens und einiger anderer Araberstaaten mit dem kommentarlosen auszugsweisen Nachdruck des Redetextes begnügten, was nach der dortigen Informationspraxis jedoch als quasi-amtliche Zustimmung ausgelegt werden kann, bezeichnete die unabhängige Beiruter Presse die Ansprache als „ungeheuer mutigen Schritt en-Numeiris“.

Die Khartumer Mordtat führte inzwischen auch in anderen arabischen Hauptstädten zu einer zunächst nur teilweise an die Öffentlichkeit dringenden Neubewertung des Verhältnisses zu den Palästinensern, und auch zu Israel. Während sich die Kairoer Regierung weiterhin deutlich zurückhält, besteht nach amtlichen saudischen Angaben kein Zweifel mehr an der bevorstehenden Entscheidung König Feisals, die zuletzt jährlich fünfzehn Millionen Dollar ausmachende Finanzhilfe an die PLO einzustellen. Die Regierung in ErRiad verhängte inzwischen eine Visasperre für Araber palästinensischer Herkunft und untersucht die QuerVerbindungen der Radikalisten zu den fünfzigtausend palästinensischen Residenten in ihrem Land.

In Beiruter diplomatischen Kreisen erregte die Äußerung des libyschen Staatschefs el-Gaddafi großes Aufsehen, wonach man Palästina infolge des Versagens der arabischen Regierungen wohl verloren geben und Israels Existenz akzeptieren müsse. Libyen gehörte noch vor kurzem zu den militantesten Verbündeten der Guerillagruppen. Auch in Syrien scheint sich ein Stimmungswandel anzubahnen. In Damaskus wurde von Regierungsseite offiziell erklärt, die Khartumer Aktion sei unzweckmäßig gewesen, weil sie sich in einem arabischen Land abgespielt und gegen die Interessen eines zweiten arabischen Landes gerichtet habe. Die den Arabern nach dem Flugzeugabschuß über der Sinaihalbinsel zugeflossenen internationalen Sympathien seien nach dem Khartumer Geiselmord erheblich zurückgegangen.

Aus Amman verlautete gleichfalls am Mittwoch, König Hussein werde sich im Fall der wegen eines Umsturzversuches zum Tod verurteilten siebzehn Terroristen unter Führung des PLO-Funktionärs Abu Daud weder von dem Gnadengesuch des PLO-Chefs Jassir Arafat noch von den Interventionen des algerischen Präsidenten Houari Boum6dienne und anderer arabischer Staatschefs beeinflussen lassen. Eine Freilassung komme ebensowenig in Frage wie auch nur eine Begnadigung. Jordanischen Quellen zufolge rechnet man dennoch nicht mit einer baldigen Hinrichtung des PLO-Funktionärs. Der Monarch wolle vielmehr dessen Person als „Lebensversicherung“ gegen künftige Mordpläne und Umsturzversuche behalten.'

Westliche diplomatische Kreise werten die geschilderte Entwicklung als hoffnungsvolle Vorher eitungs-phase für neue Vermittlungsversuche im Nahostkonflikt. Die USA müßten jetzt allerdings rasch und entschieden handeln, um die bisher nie dagewesene Chance nicht verstreichen zu lassen. .

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung