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Der Verrat

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Verrat aus den eigenen Reihen und ein Zusammenspiel zwischen dem jordanischen Geheimdienst „Mochabarat“ und dem israelischen Geheimdienst „Mossad“, wahrscheinlich vermittelt durch die amerikanische CIA, machen Funktionäre der „Palästinensischen Befreiungsorganisation“ (PLO) in Beirut mitverantwortlich für den Verlust dreier ihrer wichtigsten Spitzenkräfte bei' d*m israelischen Kommandoaktion der letzten Woche. „Sie haben Se* gewußt'', gesteht ein führendes Mitglied von „El-Fatah“, „nicht nur, wo sie unsere Leute finden konnten, sondern auch, wo unsere geheimsten Dokumente waren.“

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Verrat aus den eigenen Reihen und ein Zusammenspiel zwischen dem jordanischen Geheimdienst „Mochabarat“ und dem israelischen Geheimdienst „Mossad“, wahrscheinlich vermittelt durch die amerikanische CIA, machen Funktionäre der „Palästinensischen Befreiungsorganisation“ (PLO) in Beirut mitverantwortlich für den Verlust dreier ihrer wichtigsten Spitzenkräfte bei' d*m israelischen Kommandoaktion der letzten Woche. „Sie haben Se* gewußt'', gesteht ein führendes Mitglied von „El-Fatah“, „nicht nur, wo sie unsere Leute finden konnten, sondern auch, wo unsere geheimsten Dokumente waren.“

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Die Vorgeschichte des seit dem Sechstagekrieg erfolgreichsten israelischen Vergeltungsschlages begann, davon sind palästinensische Sicherheitsspezialisten überzeugt, mit der Festnahme des „El-Fatah“-Unter-führers Abu Daud durch die jordanischen Behörden. Abu Daud, der im „Schwarzen September“ die palästinensischen Guerillaverbände In Nordjordanien befehligt hatte, war an der Spitze einer fünfzehnköpfigen Kommandogruppe verhaftet worden, als er in Amman einen Umsturzversuch gegen König Hussein vorbereitete. Die PLO dementierte diese Absicht und behauptete, die Gruppe habe Jordanien lediglich auf dem Transitweg ins besetzte Ostpalästina durchqueren wollen. Abu Daud bestätigte in seinen Vernehmungen vor den jordanischen Staatssicherheitsbehörden und in einer Sendung des Ammaner Fernsehens die Pläne.

Abu Daud erwies sich im jordanischen Gewahrsam, wo er inzwischen zum Tod verurteilt und hernach zu lebenslänglicher Haft begnadigt wurde, als nicht sehr widerstandsfähiger Widerstandskämpfer. Feststeht, daß er sämtliche Geheimnisse ausplauderte, von denen er wußte. Feststeht auch, daß der „Mochabarat“ sie befreundeten westlichen Nachrichtendiensten nicht vorenthielt. Darauf läßt unter anderem die steigende Zahl festgenommener Terroristen in verschiedenen europäischen Hauptstädten schließen. Die Wahrscheinlichkeit ist also groß, daß man auch in Tel Aviv Wind von den hochinteressanten Aussagen Abu Dauds über Hauptquartiere, Struktur und Operationspläne der Freischärler bekam.

Die inzwischen über die Sender Kairo und Damaskus verbreiteten Warnungen an die im besetzten Westjordanien lebenden PLO-An-hänger und die von den israelischen Militärbehörden vorgenommenen Verhaftungen deuten darauf hin, daß dem „Mossad“ bei der jüngsten Kommandoaktion Dokumente von

unschätzbarem Wert in die Hände fielen. Von PLO-Seite wird nicht bestritten, daß es einer Umorganisa-tion des gesamten Apparates nicht nur in den besetzten Gebieten, sondern auch im neutralen Ausland bedarf, und daß die Terrorgruppen um Monate zurückgeworfen sind. Besonders die geplanten großangelegten Kommandoaktionen anläßlich der Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag der israelischen Staatsgründung am 7. Mai wird man fast ganz aus den Planungen streichen müssen.

Interessante Schlüsse zieht man auf palästinensischer Seite aus der Person der „hingerichteten“ Spitzenfunktionäre. Während man faktisch nicht mehr bestreitet, daß der getötete Abu Jussuf zu den Verantwortlichen für die Massaker in München und Khartum gehörte, damit also indirekt die Identität von „El-Fatah“ und „Schwarzer September“ bestätigt, und daß der gleichfalls getötete Kamal Adwan den Israelis wegen seiner Tätigkeit als PLO-Sicherheitschef suspekt war, macht man sich auf den Tod von Kamal Nassar seinen eigenen Reim. Nassar war einer der Mitbegründer der „El-Fatah“, Chefideologe der PLO und deren offizieller Sprecher. Als Intellektueller von hohen Graden war er verantwortlich für deren Propaganda und Publikationen. Unbestritten ist jedoch, daß er keineswegs zu den Scharfmachern gehörte, sondern als gemäßigt galt. Wollten die Israelis, so fragt man daher auf palästinensischer Seite, den Einfluß der Gemäßigten zurückdrängen? Diese Vermutung könnte gestützt werden durch den schwer zu motivierenden Angriff der israelischen Kommandogruppe auf das Hauptquartier der „Demokratischen Volksfront für die Befreiung Palästinas“' (DPFLP). Deren Chef Ned-chif Hauetmi kein Freund des Guerillakrieges in den besetzten Gebieten ist. Seine Gruppe unterhält enge Beziehungen mit Regierungsfeindlichen Israelis im Ausland und stand

in Verbindung unter anderem auch mit den kürzlich in Haifa wegen Spionage verurteilten jungen israelischen Intellektuellen. Von Hauetmi stammt der Satz: „Ein marxistisches Israel und ein marxistisches Palästina werden friedlich miteinander leben können.“

Fürchtet Israel also die ideologische Unterwanderung mehr als den Guerillakrieg? Die PLO-Führung ist übrigens überzeugt, daß der Vergeltungsschlag die Verhandlungschancen für den Nahen Osten nachhaltiger beeinträchtigen und daß er darauf hinaus die schon in den letzten Monaten sichtbar gewordenen Tendenzen zu einer engeren Vereinigung und Neuorganisation der gesamten Guerillabewegung verstärken wird. Die „Volksfront für die Befreiung Palästinas“ (PFLP) von Georges Habasch, die nach „El-Fatah“ zweitstärkste PLO-Gruppe, bot den anderen Organisationen erst kürzlich die Bildung einer gemeinsamen nationalen Front an. Der Trend dazu scheint sich jetzt zu verstärken. Ein führender PLO-Funk-tionär: „Wir müssen die Reihen enger schließen.“

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