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Abu Abbas ist nicht bei uns

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Abu Jaafar leitet die Politische Abteilung der PLO in Tunis und ist maßgeblich an deren Außenpolitik beteiligt. Die FURCHE sprach mit ihm in der tunesischen Hauptstadt.

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Abu Jaafar leitet die Politische Abteilung der PLO in Tunis und ist maßgeblich an deren Außenpolitik beteiligt. Die FURCHE sprach mit ihm in der tunesischen Hauptstadt.

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FURCHE: Wie beurteilen Sie, Herr Generaldirektor, die Lage der Palästinensischen Befreiungsorganisation nach der Schule Lauro“-Affäre?

ABU JAAFAR: Es ist ein Hauptziel unserer Feinde, die PLO physisch und politisch zu liquidieren. Dabei hat sich nun eine völlig neue Situation ergeben. Durch die Aktion gegen das ägyptische Flugzeug, das die Entführer der „Achille Lauro“ zur Aburteilung durch die PLO nach Tunesien bringen sollte, wurden erstmals die USA direkt in den Konflikt zwischen Israel und Palästinensern verwickelt.

Der schreckliche Vorfall auf Malta, von einer arabischen Extremistengruppe inszeniert, war eindeutig gegen die Interessen der PLO gerichtet. Yassir Arafat versucht seit einiger Zeit, in Kairo festen Fuß zu fassen und denkt auch daran, ein Führungsgremium der PLO in die ägyptische Hauptstadt zu bringen.

FURCHE: Gibt es eine einheitliche Haltung innerhalb der PLO nach denjüngsten Terror anschlagen im Nahen Osten?

ABU JAAFAR: Uns geht es einzig und allein darum, die natürlichen Rechte des palästinensischen Volkes zu sichern. Wir sind ein Volk von vier Millionen Menschen und wollen nichts anderes als einen eigenen, unabhängigen Staat auf unserem Heimatboden. Unser Bemühen gilt nicht nur der Freiheit und der Erlangung der natürlichen Rechte unseres Volkes, sondern auch der Wiederherstellung des Friedens im Nahen und Mittleren Osten.

Auch der Vorsitzende Yassir Arafat betonte mehrmals, die PLO unterscheide eindeutig zwisehen Terrorismus und legitimem Freiheitskampf.

FURCHE: Herr Generaldirektor, es kommt immer wieder vor, daß einzelne Gruppen von Palästinensern terroristische Akte auch gegen Unbeteiligte setzen. Wie läßt sich dies mit der oben angeführten Erklärung von Herrn Arafat vereinbaren?

ABU JAAFAR: Die PLO lehnt solche Aktionen ab. Sie müssen aber bedenken, daß die PLO nicht identisch ist mit dem gesamten palästinensischen Volk.

So wie es in der BRD, England, Italien — in nahezu allen Staaten der Welt — extreme Gruppen gibt, die mit dem offiziellen Kurs der Regierungen nicht einverstanden sind, so gibt es auch unter den Palästinensern Extremisten, die mit der Linie der PLO nicht zufrieden sind. Wir fühlen uns für den überwiegenden Teil der Palästinenser verantwortlich, aber nicht für alle.

FURCHE: Es wird von verschiedenen Kreisen immer wieder behauptet, die Entführer der ,Achille Lauro“ hätten im Auftrag der PLO gehandelt. Was sagen Sie dazu?

ABU JAAFAR: Das ist Unsinn! Es hat keinen Auftrag der PLO für eine solche Tat gegeben. Wir wollen uns doch nicht selbst schaden. Hätten wir eine derartige Aktion geplant, dann doch nie gegen ein Land, das uns freundschaftlich gesinnt ist wie Italien. Es gibt eben gewisse Kreise, die alles tun, um die PLO zu diskreditieren.

FURCHE: Im Zusammenhang mit der Entführung des italienischen Kreuzfahrtschiffes kam es auch zum Mord an dem US-Bürger Leon Klinghoffer. Welche Stellung nimmt die PLO dazu?

ABU JAAFAR: Wir verurteilen diesen Mord aus menschlichen Gründen. Es war ein Verbrechen, diesen wehrlosen und hilflosen Menschen zu töten. Allerdings sind wir überzeugt, daß dieser Vorfall von der Weltpresse besonders hochgespielt wurde, um das Ansehen der PLO zu schädigen, die damit nichts zu tun hatte.

FURCHE: Da war noch dieser Mann namens Abu Abbas. Welche Rolle spielt er im Zusammenhang mit der PLO und wo befindet er sich?

ABU JAAFAR: Wo Abu Abbas ist weiß ich nicht. Wir wollen mit ihm nichts zu tun haben.

FURCHE: Man hört auch immer wieder von A bu Nidal — vor allem im Zusammenhang mit Terroranschlägen. Hat er eine Verbindung zur PLO?

ABU JAAFAR: Abu Nidal gehört nicht zu uns. Er ist unser Widersacher. Für sein Verhalten kann die PLO nicht verantwortlich gemacht werden.

FURCHE: Wie soll es nun eigentlich weitergehen mit den Verhandlungen um eine Lösung des Palästinenser-Problems?

ABU JAAFAR: Wir gelangen immer mehr zur Uberzeugung, daß der beste Weg zu einem für alle Teile annehmbaren Nahost-Abkommen eine Konferenz auf internationaler Ebene ist. Ich glaube, der Weg dorthin ist heute leichter als etwa noch vor einem Jahr.

FURCHE: Welche Rolle spielt eigentlich Syrien auf der Nahost-Bühne?

ABU JAAFAR: Nun, auch Syrien ist für eine internationale Konferenz. Direktverhandlungen mit Israel lehnt Syrien ab. Ohne Zweifel nimmt die PLO einen flexibleren Standpunkt ein und deshalb haben wir Differenzen mit Syrien., Wir hoffen jedoch, daß diese Meinungsverschiedenheiten schließlich durch Vermittlung ausgeglichen werden können. Früher oder später müssen wir auch mit Syrien auf einen Nenner kommen.

FURCHE: Und welche Vorstellungen zur Lösung des Nahost-Problems hat heute die PLO?

ABU JAAFAR: Wir streben die Schaffung eines unabhängigen Palästinenserstaates in den besetzten Gebieten (Westbank, Gazastreifen) an. Das heißt, Israel müßte diese Gebiete zurückgeben. Eine enge Verbindung mit Jordanien wäre dann wahrscheinlich, weil über 50 Prozent der Bevölkerung Palästinenser sind. Mit Abu Jaafar sprach Gert Müller.

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