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„Man muß mit PLO sprechen…”

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Nahum Goldmann, Weggefährte von Chaim Weizmann und David Ben Gurion, hält das Gespräch mit der PLO für unerläßlich. In einem Gespräch mit Claus Happel vom „Rheinischen Merkur”, aus dem wir Auszüge bringen, begründet dies Goldmann, der von 1956 bis 1978 Präsident des Zionistischen Weltkongresses war:

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Nahum Goldmann, Weggefährte von Chaim Weizmann und David Ben Gurion, hält das Gespräch mit der PLO für unerläßlich. In einem Gespräch mit Claus Happel vom „Rheinischen Merkur”, aus dem wir Auszüge bringen, begründet dies Goldmann, der von 1956 bis 1978 Präsident des Zionistischen Weltkongresses war:

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Ich habe alle terroristischen Taten der Palästinenser verurteüt und tue es auch heute noch, besonders diejenigen, die gegen Zivilisten gerichtet sind. Ich verurteile auch die israelischen Angriffe auf den Süd-Libanon, sofern sie Zivilisten zum Opfer haben. Dennoch betrachte ich die Palästinensische Befreiungs-Organisation als legitime nationale Bewegung.

Schließlich haben sie das Land verloren, in dem sie ursprünglich die Majorität waren. Ich war seit meiner Jugend Zionist und bin es heute noch, aber das einzig wahre Wort über den arabisch-jüdischen Konflikt hat Weizmann einmal formuliert:

Er sagte, der Konflikt der Juden und Araber um Palästina sei kein Konflikt zwischen Recht und Unrecht, sondern ein Konflikt zwischen zwei Rechten. Das jüdische Recht sei stärker, meinte er, und ich stimme dem zu, weü für die Juden, besonders nach der Hitlerzeit, dort die einzige Möglichkeit der koüektiven und nationalen Existenz gegeben ist.

Für die Juden ist das eigene Zentrum in Palästina eine conditio sine qua non ihrer nationalen Existenz. Für die Araber ist Palästina weniger als ein Prozent ihres Territoriums, deshalb kann für sie der Besitz Palästinas nicht lebensentscheidend sein. Trotzdem haben die Palästinenser, die flüchteten, das voUe Recht, wenigstens ein „Ersatzvaterland” zu bekommen. Schon Weizmann hatte erkannt, daß die einzige Lösung „ein Minimum an Unrecht” gegen die Araber sei.

Das verstehen Begin und die Extremen in Israel nicht. Aber für mich ist die PLO eine legitime Bewegung, deren Terror ich selbstverständlich für verdammenswert halte. Mit der PLO nicht zu reden ist sinnlos … Ohne Gespräche mit solchen Bewegungen sind Lösungen unmöglich. Also muß man auch mit der PLO sprechen.

Deshalb ist für mich der Standpunkt der USA, der zum Rücktritt von Young führte, falsch, da er eine Lösung des Nahost-Problems erschwert. Viele amerikanische Politiker würden in Wirklichkeit gerne mit der PLO sprechen, aber sie sind gebunden, vor allem durch die.Versprechen, die mein Freund Kissinger den Israelis gab. Er hätte sie nie geben dürfen…

Ich stehe in permanenter Verbindung mit Palästinensern, insbesondere mit Sartauri, der auch das Treffen Kreisky-Brandt-Arafat arrangiert hat. Kreisky hat mich Wochen vorher informiert, und ich habe ihn ermutigt, das Treffen durchzuführen. Momentan ist meine Begegnung mit Arafat noch in Schwebe.

Eine Begegnung mit mir steUt für Arafat eine gewisse Schwierigkeit dar, vor allem gegenüber den extremen Gruppen der PLO, einmal weil ich zwölf Jahre der Präsident der Zionistischen Weltorganisation war, und ferner, weü ich nur auf der Basis der gegenseitigen Anerkennung PLO-Israel verhandle.

Die PLO müßte ihr Programm ändern und Arafat will eine Spaltung der PLO nicht riskieren, wenn nicht auf der anderen Seite Israel sich vorher endgültig zur Anerkennung der PLO bereit erklärt. AUes andere gäbe für Arafat keinen Sinn …

Das ganze Gerede von der Gefahr, Gespräche mit Arafat oder die Gründung eines Staates Palästina würden Israel gefährden, ist grundlos. Viele amerikanische Juden wissen das. Sie sind innerlich davon überzeugt, aber sie trauen sich nicht, das auch öffentlich zu erklären. Nach dem Versagen in der Nazi-Periode haben sie das Gefühl, sie müßten durch dick und dünn zu Israel halten …

Inzwischen schrumpft derjüdische Einfluß in Amerika immer mehr und es könnte in den USA bald der Antisemitismus sein Haupt erheben, denn viele mißbüligen den Einfluß, den Israel auf Entscheidungen der amerikanischen Politik ausübt…

Nach allem, was ich weiß, ist Arafat ein gemäßigter Mann. Kenner sagen mir, die Opposition der Extremisten, also Habbasch und Hawatmeh, habe maximal fünfzehn Prozent der Palästinenser hinter sich. Aber natürlich will Arafat keine Spaltung der PLO riskieren, wenn er nicht weiß, was er dafür bekommt. Es kommt also darauf an, ob die USA und Israel bereit sind, mit ihm zu reden.

Arafat ist kein Kommunist, und das Gerede, der PLO-Staat würde Moskaus Satellit, ist barer Unfug. Warum? Nun, sie würden sich wahrscheinlich lieber auf die USA stützen, denn von dort können sie Geld bekommen. Nicht von Moskau. Dieses Argument ist Israels Propaganda, um die Juden in der Welt bei der Stange zu halten…

Ich bin zum ersten Mal optimistisch, was einen Totalfrieden in naher Zukunft angeht. Der Hauptgrund ist, daß die ganze Welt den permanenten Kriegszustand im Nahen Osten satt hat und einsieht, welche Gefahr er für die gesamte Lage in der Welt darsteüt. Meiner unmaßgeblichen Meinung nach wird in ein oder zwei Jahren Frieden sein - nicht auf der Basis von Camp David und einem Separatfrieden zwischen Ägypten und Israel, sondern ein umfassender Frieden, mit gegenseitigen Konzessionen und internationalen Garantien.

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