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Separatfrieden Israel-Ägypten löst die Probleme nicht

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Wir haben den Oktoberkrieg gewonnen, nun werden wir mit Sadat auch den Frieden gewinnen.“ - Diese Parole war auf Wänden und Spruchbändern, die über die Straßen Kairos gezogen worden waren, zu lesen. Die Wirklichkeit sieht allerdings nach Veröffentlichung des Begin-Planes für West Jordanien nicht mehr ganz so rosig aus. Dieser Plan spricht von der Schaffung einer Verwaltungsautonomie (Selbstverwaltung) unter israelischer Souveränität, mit der weiteren Präsenz israelischer Truppen in strategisch wichtigen Positionen.

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Wir haben den Oktoberkrieg gewonnen, nun werden wir mit Sadat auch den Frieden gewinnen.“ - Diese Parole war auf Wänden und Spruchbändern, die über die Straßen Kairos gezogen worden waren, zu lesen. Die Wirklichkeit sieht allerdings nach Veröffentlichung des Begin-Planes für West Jordanien nicht mehr ganz so rosig aus. Dieser Plan spricht von der Schaffung einer Verwaltungsautonomie (Selbstverwaltung) unter israelischer Souveränität, mit der weiteren Präsenz israelischer Truppen in strategisch wichtigen Positionen.

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Sadat akzeptierte zuerst zwar halbwegs den Plan, verwarf ihn dann aber nach Rücksprache mit seinem Ratgeberteam vollkommen. Der ägyptische Präsident besteht weiterhin auf Selbstbestimmung der westiordani-schen Einwohner und dem Rückwandererrecht der palästinensischen Flüchtlinge nach Westjordanien. Erst dann ist er bereit, mit Israel einen Friedensvertrag (auch nach Rückgabe der Sinaihalbinsel) zu unterzeichnen.

Begins Plan fand aber auch bei einem Teil seiner Parteigenossen wenig, ja sogar sehr wenig Anklang. Begins eingefleischte Mitläufer akzeptierten ihn notgedrungenerweise, sahen darin ganz einfach einen notwendigen Kompromiß. Doch die Neuansiedler in den besetzten Gebieten, insbesondere die extremen Gusch-Emunim-Mitglieder, die bisher als verbissene Begin-Anhänger gegolten haben, lehnten den Plan ab, da sie in ihm einen Verrat an den Idealen sehen, die Begin bisher immer gepredigt hat.

Demonstrationen des Gusch-Emu-nim, der national-radikalen Religiösen und der Neuansiedler in den besetzten Gebieten folgten eine auf die andere. Es zeigte sich aber, daß diese Religionszeloten zwar Katalysator einer radikalen Nationalbewegung sein können, dadurch Begin seinerzeit auch zum Wahlsieg verhelfen konnten, in Wirklichkeit aber nur begrenzten Anklang im Volk selbst finden: Nur einige wenige Kampfgenossen Begins waren es schließlich, die in Israels Parlament (Knesseth) bei der Abstimmung über den Friedensplan gegen ihn gestimmt hatten. Begins Autorität ist nach wie vor fast unangefochten, die Frage ist nun, wieweit er mit seinen Kompromißangeboten noch gehen kann.

Sadats Position ist auch nicht leicht. Die Friedenserwartungen der Ägypter sind bereits so groß, daß sie heute schon viel weiter gehen, als Sadat es ursprünglich bezweckt hatte. In verschiedenen Interviews,betonte Ägyptens Staatspräsident immer wieder, daß die Sehnsucht nach einem dauerhaften Frieden bei seinem Volk weit stärker als bei der Führungs- und Intelligenzschicht Ägyptens sei.

Schon vor Sadats unerwartetem Besuch in Jerusalem, der die Nahostsituation völlig verändert hat, stellte Ägyptens Staatspräsident fest, die Alternative zu einem Frieden mit Israel sei nur Krieg. Zu seiner Enttäuschung entdeckte er sehr schnell, daß zwar König Hussein von Jordanien für den Frieden optiert, Syriens Assad und die gesamte PLO-Führung aber einem Krieg gegen Israel nicht abgeneigt sind. Assad und die PLO wollen den Krieg nur so lang wie möglich hinausschieben, um sich entsprechend vorbereiten zu können: Syrien, um erst seine Positionen im Libanon festigen zu können und die Reorganisierung der Armee zu vervollständigen; die PLO, um die verschiedenen Einheiten wiederaufbauen zu können, die seit dem Bürgerkrieg im Libanon stark angeschlagen sind. Beide sehen in einem Krieg gegen Israel die Verwirklichung ihrer Ideale, nämlich die Vernichtung des zionistischen Eindringlings, der in Nahost den verhaßten Imperialismus schlechthin verkörpert.

Nun hängt alles von König Hussein ab. So wenigstens sieht es zur Zeit aus. Sowie der jordanische König bereit ist, eine entscheidende Rolle in Westjordanien zu spielen, sind die Aussichten zur Errichtung eines unabhängigen palästinensischen Staates um vieles geringer geworden.

Obwohl Sadat nach wie vor einen unabhängigen palästinensischen Staat fordert, ist die israelische Regierung bereit, mit ihm zu verhandeln. Und obwohl Begin einen Plan für die Palästinenser bietet, dem Sadat auf keinen Fall zustimmen kann, ist auch er zu Verhandlungen bereit. Die Fragen sind nun: Wieweit will jede Seite Kompromisse machen, die einen dauerhaften Frieden garantieren? Und wieweit kann ein Staat - eventuell in eine Föderation mit Jordanien - verwandelt werden?

Je länger sich die Verhandlungen hinziehen werden, um so weniger Aussichten bestehen auf eine Friedenslösung. Die Tatsache allein, daß Ägypten heute seine Kriegsvorbereitungen noch nicht abgeschlossen hat, ist nicht ausschlaggebend. Ägypten kann von Israel so und so die ganze Sinai-Halbinsel erhalten. Kairo ist auch nicht bereit, ein zweites Mal seinen Kopf für die Palästinenser hinzuhalten. Doch anderseits wird ein völliger Verzicht auf die palästinensischen Rechte, so wie Sadat Begins Kompromißvorschlag einschätzt, Ägyptens Führungsstellung in der arabischen Welt völlig untergraben.

Menachem Begin kann zwar auf noch mehr verzichten, sind heute doch 75 Prozent der jüdischen Bevölkerung zu Gebietsverzichten in Westjordanien bereit. Doch solche Verzichte kommen nur in der Form von Rückgaben an Jordanien in Frage, nicht aber zum Zweck, einen palästinensischen Staat zu errichten.

Alle gemäßigten Kreise im Nahen Osten sehen in einem radikalen palästinensischen Staat eine Gefahr für ihre eigenen Regimes, denn radikale Palästinenser können mit Hüfe der Sowjetunion versuchen, ihre revolutionären Ideen auch in den gemäßigten arabischen Staaten, in denen noch feudale Systeme herrschen - etwa in Saudiarabien und in den ölscheich-tümern - zu verwirklichen.

Ägyptens Angebot, die Neutralität eines palästinensischen Staates zu garantieren, hat wenig Sinn, schließlich muß sich jeder fragen, wie lange eine solche Neutralität garantiert werden kann!

Eines ist nun klarer denn je: Ein Separatfrieden mit Ägypten löst das Nahostproblem nicht, die Errichtung eines unabhängigen Staates auch nicht das Palästinenserproblem, denn durch einen solchen Staat wird nur ein weiterer Unruheherd entstehen. Das Pulverfaß im Nahost bleibt weiter ein Pulverfaß, sei, was immer auch sei. SHRAGA HAR-GIL, TEL AVIV

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