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Keine Begeisterung

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Freude, gepaart mit Skepsis und Angst - Freude auf einen bevorstehenden Frieden, Skepsis, weil man trotzdem nicht an ihn glaubt, und Angst im Fall, der Friede würde doch nicht zustande kommen und man hätte umsonst auf einen wichtigen Trumpf (Sinai-Halbinsel) verzichtet. Dies ist das Gefühl, das sich hier in den letzten Tagen der Bevölkerung nach Unterzeichnung des Rahmenvertrages in Camp David zwischen Staatspräsident Sadat und Ministerpräsident Begin bemächtigt hat. Eine lautstarke Minderheit hingegen sieht in diesem Vertrag einen Verrat an der jüdischen Sache und der historischen Mission des Volkes Israel.

In dieser für Israel schweren Stimmung muß in Jerusalem die Parlamentsdiskussion über das Los der .Neyan^iedlungen im Rafiaph-Zipfel im Nordsinai und über die Unterzeichnung des Friedensvertrages mit Ägypten entscheiden. Ministerpräsident Begin eröffnete die Diskussion und forderte die Abgeordneten mit ruhiger, aber müder Stimme auf, für den Vertrag und die damit verbundene Räumung der Siedlungen zu stimmen.

Der Führer der Opposition, Shimon Peres, unterstützte Begin, zählte jedoch alle Fehler auf, die seiner Ansicht nach zu dem bevorstehenden Verlust der Siedlungen führen mußten. Er betonte, daß mit einer besseren Verhandlungstaktik viel hätte vermieden werden können und Begins anfängliche Hartnäckigkeit den Preis des Friedens in die Höhe getrieben habe.

Typisch für die gemischte Stimmung war auch der Empfang Begins nach seiner Rückkunft am Flughafen Ben Gurion nach Camp David. Es versammelte sich zwar eine Menge von einigen tausend Sympathisanten, doch war die Begeisterung nicht groß.

Auf der Straße und in jeder Familie ist heute der Friede wichtigstes Gesprächsthema. Die Mehrheit ist bereit, sogar der Räumung der Siedlungen zuzustimmen, doch in den Augen aller

Israelis ist der geforderte Friedenspreis ein sehr hoher. Hier hat man sich schon längst an die besetzten Gebiete gewöhnt und in ihnen einen Teil von Israel gesehen. Die Besetzung besteht ja schon über elf Jahre. Die Israelis vermeiden es, die besetzten Gebiete zu besuchen, und keiner kümmert sich darum, was die palästinensischen Arbeiter und ihre Familien in den besetzten Gebieten denken oder fühlen. Sie gehören einfach als zweitklassige Bürger mit dazu.

Die Opposition gegen Begin besteht an erster Stelle aus denen, die Begins bisherige Ideologie eines Groß-Israel, das den Juden von Gott verheißen worden war, emst nehmen. Begins Behauptung, daß heute für Israel eine einmalige Friedenschance besteht und man dafür Opfer bringen müsse, stößt bei ihneo auf täube Ohren, d i

Eine zweite Oppositionsgruppe ist die kleine, etwa 2000 Personen starke rechtsradikale religiöse Siedlungsbewegung Gusch-Emunim, die sich nur in den besetzten Gebieten ansie-. dein will, um die Forderung nach einem Groß-Israel zu manifestieren. Diese Gruppe will keinen Frieden mit den arabischen Ländern, weil sie an ihn nicht glaubt, und versucht dies an Hand von Bibelzitaten zu beweisen.

Die dritte Gruppe sind die jüdischen Ansiedler des Rafiach-Zipfels und der anderen besetzten Gebiete im Jordantal und auf den Golan-Höhen, insgesamt rund 15.000 Personen.

Die numerisch kleine Opposition ist lautstark, denn sie hat am meisten zu verlieren. Der größte Teil davon hat in den Ansiedlungen in den besetzten Gebieten seine nackte Existenz. Jedenfalls erwägt Begins Likud-Wahl-block zur Zeit vorverlegte Neuwahlen, denn Begin als Friedensengel, der seine eigene Ideologie an den Nagel gehängt hat,war noch niemals so populär wie heute und würde den größten Teil der Wähler hinter sich haben.

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