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Ezer Weizman hat noch nicht das letzte Wort gesprochen

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Das ganze Kabinett könne ihm den „Buckel runterrutschen“. Diese und ähnliche unparlamentarische Ausdrücke vernahm man aus dem Munde von Israels Verteidigungsminister Ezer Weizman während der entscheidenden Sitzung, auf der Ministerpräsident Begins Antwort an die Vereinigten Staaten bestätigt worden war. Gegangen ist es dabei um die Zukunft des Begin-Planes einer . administrativen Autonomie in den besetzten Gebieten. Dieser Plan fand bisher in Ägypten, Jordanien und bei den Bewohnern der besetzten Gebiete wenig positive Resonanz. Auf Begins Geheiß hatte Dayan die Formulierung dieser Antwort an Washington vorgeschlagen.

Der amerikanische Außenminister nahm den Vorschlag sofort an, es stellte sich aber heraus, daß die Formulierung einer Antwort das Begin-Kabi-nett entzweit hatte. Nicht nur Weizman und Begin waren verschiedener Auffassung, auch die meisten Minister im Kabinett waren nicht bereit, Begins expansionistische Träume mitzuvoll-ziehen.

Dayan wollte eine Antwort formulieren, die soweit als möglich Amerika und Jordanien einbeziehen sollte, Ägypten aber kaum berücksichtigte. Denn seiner Ansicht nach hätten die Direktverhatldlungen mit Sadat ohnehin keine Resultate gezeigt. Was vielleicht nicht weniger ausschlaggebend war: Sadat bat ausdrücklich darum, mit Ezer Weizman verhandeln zu dürfen, so daß bei Verhandlungen mit Ägypten Außenminister Dayan bisher kaum ins Gewicht fiel. Dagegen ist König Hussein Dayans persönliches „Monopol“. Weizman wiederum wollte seine Antwort so formulieren, daß Direktverhandlungen mit Ägypten weiter geführt werden könnten. Er glaubt, daß die USA als Vermittler eher störend wirken.

Begin hielt die Antwort dann so vernebelt, daß jeder daraus das entnehmen konnte, was er wollte. Aus diesem Grund dauerten die mündlichen Erläuterungen, die Außenminister Dayan zu diesem „Dokument der 75 Worte“ dem amerikanischen Botschafter Samuel Lewis gegeben hatte, über zweieinhalb Stunden. Lewis bat auch um schriftliche Unterlagen, was Dayan jedoch verweigerte. Weizman zeigte seine Antwort allen Kabinettsmitgliedern.

Die drei Minister der religiös-nationalen Partei, die vier Minister der demokratischen Erneuerungsbewegung, sowie drei Likudminister gaben vage Versprechungen, Weizman in der Kabinettsabstimmung zu unterstützen. Es sah anfangs so aus, als ob mindestens neun bis zehn der 19 Minister sicher für ihn stimmen würden und eventuell drei weitere. Nun erst holte Begin zum Gegenschlag aus: Er meldete sich krank, nahm sich alle Minister persönlich vor und drohte mit Rücktritt, falls er in der Minderheit bleiben sollte. Dayan war der erste, der auf sein eigenes Dokument verzichtete, auch den anderen war ihr Ministerposten wichtiger als das Prinzip.

Nur die Minister der demokratischen Erneuerungsbewegung blieben ihrem Versprechen treu, denn bekanntlich ist diese Partei für einen territorialen Kompromiß. Innerhalb dieser Partei bildete sich während der Diskussion eine Opposition der Falken, der fünf von 15 Abgeordneten angehörten. Um dem Parteibeschluß der Stimmenthaltung zu entgehen, verließen sie während der Abstimmung den Saal. Auch innerhalb der religiösnationalen Partei weigerten sich zwei Abgeordnete, für den Begin-Beschluß zu stimmen. Sogar die liberale Partei, die einen Teil des Likudblockes bildete, konnte nur mit Müh' und Not alle ihre Abgeordneten zur Abstimmung bewegen.

Der machiavellistische Menachem Begin gab Weizmann vorerst das Gefühl, er würde seinen Standpunkt einer positiven Antwort an Washington, die Ägypten berücksichtigt, akzeptieren. Begin brachte schließlich ein Kommunique von 75 Worten vor, das nur nichtssagende Floskeln enthielt. Der wichtigste Satz darin: Israel sei nach den ersten fünf Jahren der administrativen Autonomie in Judäa, Sa-maria und dem Gaza-Streifen (also die besetzten Gebiete außer den Golan-Höhen) - die erst nach Unterzeichnen eines Friedenabkommens in Kraft treten solle - bereit, über die zukünftigen Beziehungen dieser Region mit Israel zu verhandeln, sollte dies eine der Parteien fordern. Basis künftiger Verhandlungen würde das Mitspracherecht der Einwohner dieser Gebiete bilden, nicht aber das der Palästinenser, die jenseits der von Israel kontrollierten Territorien leben. Unerwähnt blieben in Begins Formulierung also Jordanien, so wie es Außenminister Dayan vorschlug, und Ägypten, wie Begin es Weizman zuvor versprochen hatte. Statt dessen heißt es in diesem Dokument von einer „Verständigung Israels mit seinen Nachbarn“.

Weizman wollte mit seiner Antwort die Miteinbeziehung Ägyptens erreichen und keine vage Definition über zukünftige Beziehungen, die möglicherweise nach fünf Jahren auch eine Einverleibung Israels ermöglichen würde. Seine Vorstellungen zielen auf eine Festlegung des ständigen Status dieses Gebietes, also eine mögliche Volksabstimmung oder einer Föderation mit Jordanien, was einen eventuellen territorialen Kompromiß mit sich bringen würde.

Der Verteidigungsminister wurde in die Enge getrieben,und Begin machte jedermann klar: Der Ministerpräsident ist er und wird es auch bleiben! Ezer Weizman war verständlicherweise mehr als empört Denn hier ging es nicht um einen persönlichen Machtkampf, sondern darum, ob Israel bereit sei, bei den Friedensverhandlungen Kompromisse zu machen. Oder ob der alte Traum der rechtsradikalen Che-rutpartei - an deren Spitze Menachem Begin steht -, ein Großisrael zu errichten, in Erfüllung geht. Ein Plan allerdings, der ohne die Mitarbeit und Einwilligung der arabischen Bevölkerung gemacht worden ist und deswegen nur zu einem weiteren Krieg führen kann.

Als nach einer viereinhalbstündigen Diskussion das Kabinett Begins Antwort mit 14 gegen 5 Stimmen angenommen hatte, schmiß Ezer Weizman erregt die Türe hinter sich zu. Zuvor hatte er in den Raum geschrieen: „Wenn das so ist, muß ich jetzt das Militär auf einen Krieg vorbereiten!“

Ezer Weizman kämpfte bei dieser Abstimmung für den Fortbestand der Friedensverhandlungen und erst an zweiter Stelle für seine politische Karriere. Er war zu keinerlei Kompromissen bereit. Begin wurde blaß, als Weizman als einziger Likudminister sich geweigert hatte, Parteidisziplin zu halten. Während der Rede von Außenminister Dayan im Parlament, um erwähnten Kabinettsbeschluß bestätigt zu Bekommen,'saß WeizmanneBeiT Begin, die beiden wechselten aber kein Wort miteinander.

Begin ist zwar nochmals als Sieger hervorgegangen, doch seine Position wurde durch diese Abstimmung nicht gestärkt. In der Arbeiterpartei spricht man bereits von einer Regierungskrise, der Weg zu Neuwahlen ist allerdings noch weit. Begin hat diese Krise noch einmal überstanden, doch weitere stehen ihm bevor. Und Ezer Weizman hat noch nicht sein letztes Wort gesprochen.

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