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Ein englischer Gentleman an der Spitze Israels

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Älle 120 Parlamentsmitglieder, die an der geheimen Wahl des Staatspräsidenten teilgenommen haben, waren sich in einem klar: Die Wahl Chaim Herzogs, des Kandidaten,der Opposition, war ein schwerer Schlag für die Regierung wie für die gesamte Parlamentskoalition.

Der Schock war so groß, daß man sich noch Tage danach einzig und allein dpmit befaßte, wer trotz Koalitionsabkommen und trotz persönlichem Versprechen in letzter Minute die Koalitionstreue gebrochen und den Kandidaten der Opposition gewählt hatte.

Unter den 61 Wählern von Chaim Herzog gab es sieben aus der Koalition, die sich im letzten

Moment gegen ihren eigenen Kandidaten entschieden hatten. Wer sie waren, wollte man wissen. Warum taten sie es? Stand dahinter etwa eine kleine Verschwörung? Oder war es auf die Verbitterung einzelner zurückzuführen, weil sich die Erwartungen der Betreffenden in der Koalition nicht erfüllt hatten?

Sogar Begin war mehr als erstaunt. In den ersten Minuten nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses konnte er es gar nicht glauben, daß trotz der ihm gegebenen persönlichen Versprechen sein Kandidat, Oberrichter Me- nachem Ejlon, nicht durchgekommen war.

Doch dann faßte er sich rasch und sagte: „Es tut mir leid, doch die Entscheidung ist gefallen.“ Dann bat er seinen Sekretär, ihn mit dem neuen Präsidenten telefonisch zu verbinden, um diesen noch am gleichen Tag zu beglückwünschen.

Die Funktionen des Staatspräsidenten in Israel sind begrenzt und beinhalten hauptsächlich repräsentative Aufgaben. Nur bei einer Regierungskrise kann der Staatspräsident theoretisch die Zügel zeitweise in die Hand nehmen, bis ein neuer ständiger oder stellvertretender Ministerpräsident die Regierung wieder leitet. Ein Fall, der noch nie eingetreten ist.

Obwohl Chaim Herzog bis zu seiner Wahl ein führendes Parlamentsmitglied der Arbeiterpartei war und in vielen Funktionen die Arbeiterpartei vertrat, wird er nun nach seiner Wahl zum Präsidenten (am 3. Mai muß er noch vom Parlament vereidigt werden), der überparteiliche Vertreter des ganzen Volkes sein und sich als solcher aus der alltäglichen Politik heraushalten müssen.

„Ich muß erst lernen, meine neue Funktion als Staatspräsident so auszuüben, daß ich meinen fünf Vorgängern würdig gegenüberstehen kann. Meine größte Hoffnung ist, daß wir während meiner Amtszeit mit unseren arabischen Nachbarn Frieden schließen“, erklärte der neue Präsident Israels kurz nach seiner Wahl in Jerusalem Journalisten gegenüber.

Der mittelgroße, 65jährige Staatspräsident, der schon in seiner Heimat Irland Hebräisch gelernt hatte, spricht noch heute, 40

Jahre nach seiner Ankunft im damaligen Palästina Hebräisch mit angelsächsischem Akzent. Insgesamt beherrscht er sieben Sprachen perfekt, darunter Arabisch.

Für die etwas rauhen Israelis bleibt Herzog der Typ des vornehmen englischen Gentlemans, der jeden zuvorkommend und höflich empfängt und sofort bei seinem Gesprächspartner Sympathie erweckt. Allerdings kann diese Höflichkeit eher täuschen, denn als Rechtsanwalt vermochte er es, durch seine bohrenden Verhöre so manchen Zeugen zum Sprechen zu bringen.

Seine einnehmende Persönlicn- keit führte unwillkürlich dazu, daß sich auch wildfremde Menschen ihm sogleich anvertrauten. Vielleicht war diese Eigenschaft

der Grund dafür gewesen, daß Chaim — oder wie seine Freunde ihn nennen: Vivian - Herzog sogar als Israels Vertreter bei der UNO, wo Israel äußerst schlecht angeschrieben ist, große Erfolge für sich verbuchen konnte.

Innerhalb der Arbeiterpartei gab man Herzog zwar Aussichten auf Spitzenpositionen, doch im Jahre 1977 versprach ihm niemand einen Platz am Kabinettstisch. Der Politiker Herzog ver

stand es nie, den Parteiapparat und das Fußvolk der Partei hinter sich zu bringen.

Seine Freunde fanden, daß Herzog nicht die Eigenschaften für einen israelischen Spitzenpolitiker besäße. Er ist geradlinig, spielt mit offenen Karten, ist leichtgläubig, doch auf jeden Fall ein Star im öffentlichen Auftreten.

Als 16jähriger machte Chaim Herzog, Sohn des damaligen Oberrabbiners von Irland, sein Abitur in Dublin, ging dann nach Palästina, um hier auf einer Talmudhochschule zu lernen, kehrte wieder nach England zurück, wo er in Cambridge Rechtswissenschaften studierte.

Während des Zweiten Weltkriegs diente er als Major in einer englischen Panzereinheit, die als eine der ersten mit an der Invasion in Europa teilgenommen hatte. Dank seiner Deutschkenntnisse wurde er mit zwei anderen Offizieren beauftragt, nach Naziführern zu fahnden. In dieser Funktion konnte er SS-Chef Heinrich Himmler verhören.

Chaim Herzog war mit einem anderen jüdisch-englischen Major befreundet, Ovry Evan, dem späteren israelischen Außenminister Abba Eban, der mit einer Tochter der Familie Ambasch aus Ägypten verheiratet war. Durch ihn lernte Herzog auf einem kurzen Urlaub in Kairo die Schwägerin seines Freundes kennen.

Aufgrund dieser Liebschaft verspätete er sich zum Abflug des Militärflugzeugs, das ihn nach Europa zurückbringen sollte. War es göttliche Vorsehung oder Glück? Jedenfalls stürzte das Flugzeug ab, alle Insassen kamen ums Leben, doch Major Herzog feierte in der Zwischenzeit seine Verlobung mit Ora Ambasch, der heutigen First Lady von Israel, die ihm drei Söhne und eine Tochter geschenkt hat.

Nach dem Krieg ging Herzog nach Palästina zurück, nahm am Aufbau der israelischen Armee teil und avancierte zum General und Kommandanten der Aufklär rungstruppe.

Herzog schloß sich 1966 Ben Gurions Rafi-Partei an, wurde nach dem Sechstagekrieg der erste Militärgouverneur der besetzten Gebiete und schlug der Regierung gleich nach Eroberung von Cis- jordanien vor, arabische Autono-

mie zuzulassen. Die arabische Führer sagten zu, doch die Regie rung lehnte auf Drängen des in zwischen verstorbenen Mosch Dayan und des damaligen Mini sters ohne Portefeuille und heuti gen Ministerpräsidenten Mena ehern Begin ab. Daraufhin tra Herzog, einen Monat nach Amts Übernahme, wieder zurück.

1975 wurde er Israels Vertre ter in der UNO und war bal durch seinen trockenen Humo und seine Schlagfertigkeit ein populäre Persönlichkeit bei de: amerikanischen Fernsehstatio nen.

Nachdem 1978 die Begin-Regie rung Israels Außenpolitik in vie len Punkten änderte, trat Herzoj zurück. 1981 zog er als führende Mitglied der Arbeiterparteifrak tion ins Parlament.

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