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Politik der Verlegenheit

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Die Revision der amerikanischen Außenpolitik bekommt Israel nunmehr in großen Portionen serviert. Die Wirtschaftshilfe wurde fürs erste gekürzt. Die Lieferung der YF-15-Kampfflug-zeuge und der Lanceraketen wurde aufs Eis gelegt. SogaT die persönlichen Beziehungen der amerikanischen Staatsoberhäupter zu Israel wurden auf das Minimale begrenzt.

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Die Revision der amerikanischen Außenpolitik bekommt Israel nunmehr in großen Portionen serviert. Die Wirtschaftshilfe wurde fürs erste gekürzt. Die Lieferung der YF-15-Kampfflug-zeuge und der Lanceraketen wurde aufs Eis gelegt. SogaT die persönlichen Beziehungen der amerikanischen Staatsoberhäupter zu Israel wurden auf das Minimale begrenzt.

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Auf dem jüngsten Empfang der israelischen Botschaft in Washington erschienen nur der Vizeaußenminister Joseph Sisco und der zufällig in Washington weilende amerikanische Botschafter in Israel, Kenneth Keeting. Weder der Staatspräsident Gerald Ford noch Außenminister Kissinger gaben sich die Mühe, obwohl es bisher schon fast Tradition war, daß der Präsident und sein Außenminister zu diesem Empfang erschienen.

Kissinger will mit allen Mitteln den Nahostkonflikt aus seiner Versteinerung herauslösen, doch da die USA nur auf Israel Druck ausüben können, versuchen sie, die Israelis durch wirtschaftlichen und militärischen Druck zu weiteren Konzessionen zu zwingen, mit deren Hilfe Dr. Kissinger die abgebrochenen Gespräche wieder, und diesmal mit Erfolg, aufnehmen könnte.

In der Zwischenzeit stagniert alles. Das Mandat der UNO-Streitkräfte an der ägyptischen und syrischen Front soll nur bis zum 24. Juli verlängert werden. Jeder fragt sich, was danach kommen soll. Ägypten ist zu keinerlei Konzessionen bereit, Syrien fordert die gesamten Golanhöhen

zurück. Die Jordanier pochen auf ihre Rechte im Westjordanland, und die PLO verlangt, zusammen mit anderen arabischen Staaten, „die Wiedereinsetzung der legitimen Rechte der Palästinenser“, ohne diese jedoch genau zu definieren.

Dies ist zur Zeit die Situation, in der Israel eine neue Politik formulieren möchte. Die Meinungen der israelischen Staatsmänner sind geteilt. Ist es wirklich besser, vor den Friedensverhandlungen in Genf ein Teilabkommen mit Ägypten zu unterzeichnen? Die Mehrheit der Regierung mit Ministerpräsident Jitz-chak Rabin und seinem Stellvertreter Igal Allon an der Spitze glaubt immer noch an eine Fortsetzung der Kissinger-Gespräche. Allon versprach dem amerikanischen Außenminister, daß die Israelis sich bei einer weiteren Gesprächsrunde nachgiebiger zeigen würden. Er war unter Umständen sogar bereit, die PLO in Genf als Gesprächspartner zu akzeptieren; dies allerdings nur dann, wenn die PLO bereit wäre, den Judenstaat anzuerkennen. Gleichzeitig mit den Bemühungen, die Amerikaner wieder umzustim-

men, versucht Verteidigungsminister Shimon Peres, der nicht an den Erfolg weiterer Teilverhandlungen glaubt, ein Gespräch mit den Arabern der besetzten Gebiete zustande zu bringen. In einer Anzahl von Begegnungen mit den Notabein des West Jordanlandes schlug Peres die Errichtung einer israelisch-arabischen Föderation vor, bestehend aus Israel, dem Westjordanland und dem Gazastreifen. In solch einer Föderation will Peres den Arabern volle Gleichberechtigung garantieren und dem Westjordanland die gleichen Rechte einräumen, die der Staat Israel heute besitzt. Eine jüdischarabische Föderation soll die Alternative bilden zu dem von Yasser Arafat propagierten „demokratischen Palästina“, in dem Arafat Juden und Christen als Minderheiten „dulden“ will.

Die Bewohner des Westjordanlan-des zeigten jedoch wenig Interesse für das israelische Angebot. Sie ziehen es vor, abzuwarten, was ihre arabischen Brüder in Syrien, Jordanien und Ägypten beschließen werden. Zur Zeit sind die Westjordanier nicht bereit, an irgendeiner politischen Initiative teilzunehmen. Sie fürchten, daß ein voreiliges Handeln nur Israel Nutzen bringen könnte, ohne ihnen selbst entsprechende politische Vorteile zu gewährleisten.

Zur Zeit ist Israel in einer Position der Verlegenheit. Es ist auf Amerika angewiesen und kann sich von dieser Supermacht nicht lossagen. Die Versuche, mit der Sowjetunion wieder ins Gespräch zu kommen, wurden von Moskau nicht zurückgewiesen, aber auch nicht ernsthaft aufgegriffen. Die Israelis glauben, ohne Friedensvertrag auf keine weiteren Gebiete verzichten zu können. Sie befürchten, daß sie sich nach einer Rückgabe der besetzten Gebiete ohne vertragliche Garantien in genau derselben Lage wiederfinden könnten, in der sie heute sind.

Die europäische Haltung zu Israel ist mittlerweile nur noch vom Opportunismus bestimmt. Die Politik Frankreichs richtet sich fast ausschließlich nach den Arabern; aber auch den NATO-Staaten ist der Energieschock sosehr in den Knochen sitzengeblieben, daß sie eine sogenannte Neutralität einhalten, die de facto gegen Israels Interessen zielt. Und die Neutralen — vor allem auch Österreich — sind schon gar nicht bereit, dem Kleinstaat gegen seine Nachbarn zu helfen.

Israel versucht, die außenpolitischen Spannungen soweit' wie möglich zu ignorieren, und beschäftigt sich deshalb um so mehr mit innenpolitischen Problemen. Keiner weiß, was der nächste Tag bringen wird, ob es zu erneuten Verhandlungen über ein Teilabkommen kommt, ob man nach Genf gehen soll und inwieweit dabei Aussichten auf Erfolg bestehen. Israels Politik ist gegenwärtig nichts anderes als eine Politik der Verlegenheit.

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