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Israels Drang nach Osten

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Die neue israelische Regierung, die nach langen Koalitionsmühen vor einigen Monaten aufgestellt wurde, setzte unter anderem auf ihr Programm eine neue Linie in der Außenpolitik, die sich mehr auf Neutralität gründen soll und aus diesem Grund erneute Annäherungsversuche an den Ostblock propagiert.

Diese Annäherungsversuche begannen gleichzeitig mit einer erneuten Offensive chinatreuer Kommunisten im Mittleren Osten.

Die Sowjetunion brach kurz nach dem Suezfeldzug im Jahre 1956 die Handelsbeziehungen mit Israel ab, und obwohl diplomatische Beziehungen zwischen diesen beiden Staaten einige Zeit später wieder aufgenommen wurden, sind bis auf den heutigen Tag die Handelsbeziehungen mit Israel nicht wieder aufgenommen worden, In den letzten Monaten erklärte sich die Sowjetunion bereit, einen Teil der Böden, die der pra- woslawischen Kirche in Israel gehören und deren geistiges Zentrum sich in der Sowjetunion befindet, an den israelischen Staat zu verkaufen. Den Preis von vier Millionen Dollar wird Israel zu 50 Prozent mit israelischen Exportgütern an Rußland zahlen. Es stellte sich heraus, daß die russischen Konsumenten hierbei sehr wählerisch vorgingen und keinen größeren Wert auf nähere Handelsbeziehungen legten. Lieber wollten sie einen längeren Kredit gewähren.

Zwei kommunistische Parteien

Eine totale Änderung der Beziehungen trat erst mit der Spaltung in der Kommunistischen Partei Israels ein. Nachdem die kommunistischen Parteien Europas auf einen mehr nationalen und weniger revolutionären Kurs umschwenkten, begann man auch in der Kommunistischen Partei Israels nationalere Töne zu hören. Der pronasseristische Kurs der arabischen Kommunisten wurde von den jüdischen Kampfgenossen nicht mehr ohne weiteres

Versöhnung mit Syrien?

Die Russen versuchten den Kulturaustausch auch mit einer israelischen Verpflichtung zu verbinden, und zwar, daß Israel auf seinen Vorsprung in der Atomkernforschung gegenüber den arabischen Nachbarstaaten verzichten soll und einer Konvention zur Neutralisierung des Mittleren Ostens beitreten soll. Ein Vorschlag, der bis jetzt von Israel nicht befürwortet wurde.

Zur gleichen Zeit begann die Sowjetunion ihre Beziehungen mit dem neuen Regime in Syrien, dessen radikale antiisraelische Politik viel heftiger ist als die der anderen Staaten, zu verbessern. Das syrische Staatsoberhaupt besuchte Moskau, gab dort antiisraelische Erklärungen ab, welche jedoch von Rußland nicht unterstützt wurden und weder von der russischen Presse noch vom Rundfunk ausgestrahlt wurden. Diese Erklärungen fanden ihren Abklang nur in der syrischen Presse und Rundfunk. Zur gleichen Zeit, als Kossygin Ägypten bereiste, erschien

akzeptiert. Die antiisraelische Resolution des ostdeutschen Staatsoberhauptes Walter Ulbricht in Kairo wurde von den jüdischen Kommunisten Innerhalb der israelischen Kommunistischen Partei auf das heftigste angegriffen. Dieser Angriff führte zur endgültigen Spaltung in zwei kommunistische Parteien: eine jüdische und eine arabische. Obwohl die arabische Kommunistische Partei Israels auch eine kleine jüdische Minderheit besitzt und mit drei Mandaten in der Knesseth (Israels Parlament) vertreten ist, wurde sie von den israelischen Gremien ignoriert und auch zur allgemeinen Verwunderung von der Kommunistischen Partei der Sowjetunion nicht voll anerkannt. Ganz im Gegenteil, die sowjetischen Machthaber schenkten, jedenfalls zur Zeit, ihre fast ausschließliche Gunst den altbewährten kommunistischen Führern der jüdischen Minderheitspartei, die mit nur einem Mandat in der Knesseth vertreten ist. Ein Ausländskorrespondent der Tageszeitung dieser Partei wird von den russischen Freunden finanziert und auch indirekte finanzielle Zuwendungen werden den jüdischen Kommunisten gewährt.

Die jüdische Kommunistische Partei wurde sowohl von russischer als auch von israelischer Seite als Vermittler zwecks Verbesserung der Beziehungen zwischen beiden Staaten benutzt. Es wurden intensive Kulturbeziehungen ausgehandelt; eine Anzahl erstklassiger russischer Künstler kam nach Israel wie zum Beispiel David Oistrach, Leonid Kogan, der Pianist Dimitri Basch- kiroff usw., und der russische staatliche Zirkus aus Moskau sowie der Besuch weiterer Konzertkünstler wurde bereits angekündigt. Die Kulturbeziehungen sollten ihren Höhepunkt Ende dieses Jahres erreichen, da zu dieser Zeit das israelische Symphonieorchester in Rußland auf Tournee gehen soll und gleichzeitig das Moskauer Symphonieorchester in Tel Aviv spielen sollte.

der russische Botschafter in Israel, Zuvachin, bei Ministerpräsident Levi Eschkol und erklärte, daß die israelischen Versuche zur Annäherung an die Sowjetunion in Moskau Gehör gefunden haben. Er forderte weitere Versicherungen des guten israelischen Willens.

Der israelische Drang nach Osten wurde dieser Tage erneut bestärkt. Außenminister Aba Even fuhr nach Warschau, hielt dort eine Konferenz der israelischen Diplomaten des Ostblocks ab und stattete einen offiziellen Besuch bei dem polnischen Außenminister Rapacki ab. Even übergab ihm ein Dokument, in dein die israelische Anerkennung der Oder-Neisse-Linie nochmals zum Ausdruck gebracht wurde.

Wandel, Handel

Die Handelsbeziehungen zwischen Israel und dem Ostblock wurden in der letzten Zeit auch intensiviert. Israel beteiligte sich an einem

Clearing-Geschäft der DDR;

534 Jeeps wurden an Südamerika geliefert. Die DDR erhielt Kaffee und so weiter und wird an israelische Lieferanten Chemikalien, Schreibmaschinen und anderes inoffiziell liefern, ohne daß beide Staaten irgendwelche Handelskontakte auf offizieller Ebene aufnehmen werden. Zur gleichen Zeit wurden die Handelsbeziehungen zu den verschiedenen Volksdemokratien erweitert und die Handelsverträge mit Ungarn, Polen und Rumänien, die mangels passender Austauschgüter bisher fast nie eingehalten wurden, sollen demnächst erweitert werden. Israel wird von diesen Ländern Industriegüter erhalten und als Gegenwert versuchen, mehr Zitrusfrüchte in den Ostblock zu senden. Der europäische Markt wird in Zukunft den Verkauf

der israelischen Zitrusfrüchte in den EWG-Ländern erschweren, so daß Israel im Ostblock neue Absatzmärkte sucht.

Die Verbesserung der israelischen Beziehungen zum Ostblock wurde vom Westblock nur teilweise geduldet. Jüdische Institutionen in

Amerika erhielten vom Pentagon einen Wink, daß die jüdischen Bürger der Sowjetunion auch weiterhin diskriminiert werden. Der jüdische Weltkongreß, die jüdische Bnei- Brith-Loge und andere Institutionen begannen eine Kampagne zur Gleichberechtigung der Juden in der Sowjetunion; obwohl Israel nicht als Sprecher der Juden Rußlands auftreten kann, sieht es sich wenigstens theoretisch als Vertreter der Weltjudenheit. Dieser politische Feldzug kam für Israel zur ungünstigsten Zeit, und die israelische Regierung mußte sich distanzieren, obwohl sie im allgemeinen Sympathien für eine solche Kampagne hat.

Der russische Schriftsteller Konstantin Simonov kam vor einiger Zeit als offizieller Gast des israelischen . Schriftstellerverbandes nach Israel. Er wurde hier freundschaftlich aufgenommen, und obwohl er als Stalinist bekannt war, unterließ man es absichtlich, ihm unangenehme Fragen zu stellen. Denn Israel ist an der Verbesserung der Beziehungen zum Ostblock interessiert.

Dieser neue Kurs der Außenpolitik geht zusammen mit dem Rüstungswettlauf im Mittleren Osten weiter. Rußland liefert neue Waffen an Ägypten und Syrien, der Westen an Saudi-Arabien, Jordanien, Libanon und natürlich auch Israel. Was ehemals ein Wettlauf zwischen Israel und den arabischen Staaten war, ist nun zum Wettlauf zwischen den großen Ost- und Westländem geworden, wobei keiner der Großstaaten auf Waffenlieferungen verzichten will, die indirekt auch ihren Einfluß in den belieferten Ländern stärken.

Selbstverständlich ist der israelische Drang nach Osten nur begrenzt. Israels Wirtschaft ist nach wie vor nicht unabhängig, sondern hängt vielfach von den Kraftspenden des Westens ab.

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