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Kontroverse Tel Aviv — Bonn

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„Die Erklärung des deutschen Ministerpräsidenten Doktor Erhard hat das Paßgesetz, das die Tätigkeit der deutschen Wissenschaftler in Ägyptens Waffenindustrie unterbinden sollte, endgültig begraben.“ Dies schrieb „Maariv“, Israels größte Abendzeitung, in einem scharfen Leitartikel. Ähnliche Reaktionen erschienen in fast allen Zeitungen Israels.

Die deutsch-israelischen Beziehungen nehmen zur Zeit nur auf dem wirtschaftlichen Pfad den normalen Lauf. Deutschlands Export nach Israel (außer Reparations- und

Entschädigungsgelder und -lieferun- gen) beläuft sich auf zirka 45 Millionen Dollar jährlich. Der israelische Export nach Deutschland erreicht ungefähr dieselbe Zahl. Es ist anzunehmen, daß beide Seiten ihre Käufe noch vergrößern werden, da zur Zeit Israel ein verhältnismäßig großer Abnehmer für deutsche Autos ist und Maschinen sowie Bestandteile für neue Maschinen in großem Ausmaße in Deutschland kauft, das seinerseits wieder mehr und mehr israelische Zitrusprodukte und Halbfertigprodukte der chemischen Industrie Israels kauft.

Drehung um 180 Grad

Als man in Israel zu dem Schluß kam, daß diplomatische Beziehungen mit Bonn, die für Israel aus politischen Gründen wichtig sind, in absehbarer Zeit nicht zustande kommen werden, versuchte man, inoffizielle Kontakte mit Pankow aufzunehmen. Die Handelsbeziehungen mit Ostdeutschland, die bis vor einem Jahr fast gleich Null waren, wurden verbessert; es wurden ostdeutsche Schreibmaschinen, chemische Produkte usw. importiert sowie Phosphate und Zitrusfrüchte nach der DDR exportiert. Ostdeutschland, das an einem großen Mangel an Devisen leidet, ersuchte Israel über andere Ostblockländer, ihm durch Clearingabkommen behilflich zu sein. So wurden ostdeutsche Schulden mit israelischen Jeeps bezahlt, und nach Israel importierter Kaffee ging nach Ostdeutschland weiter.

Die israelische Einkaufsmission in Köln wußte von diesen Transaktionen nichts und konnte aus diesem Grunde alle ostdeutsch-israelischen Kontakte dementieren. Die Annäherung an Ostdeutschland ging sogar so weit, daß Israel die Eröffnung einer inoffiziellen Handelsmission oder einer Sichtvermerkstelle in Pankow in Betracht zog. Israel wollte mit dieser Geste der Sowjetunion zeigen, daß es mit allen Kräften bemüht ist, die Beziehungen zum Ostblock zu verbessern; außerdem hoffte man durch solch einen Schritt, auf Bonn einen Druck ausüben zu können. Bekanntlich hat eine große Anzahl von Ländern Handelsmissionen in Ostdeutschland.

Kurzer Flirt

Doch der Flirt mit Ostdeutschland war von kurzer Dauer, denn der ostdeutsche Machthaber Walter Ulbricht nahm ganz offen, im Gegensatz zur Sowjetunion und anderen Ostblockstaaten, gegen Israel Stellung. Er akzeptierte die antiisraelischen Beschlüsse der arabischen Gipfelkonferenz und unterstützte enthusiastisch die Forderung des syrischen Kommunistenführers Chaled Bagdasch, der in einer Rede in Ost-Berlin heftig gegen Israel loszog.

Die ostdeutsche Stellungnahme gegen Israel ändert trotzdem nichts an der Empörung der israelischen Bevölkerung gegen die Haltung Bonns.

Israelische Experten sind überzeugt, daß die Hallstein-Doktrin, die als der offizielle Grund zur

Nichtanknüpfung von diplomatischen Beziehungen mit Israel vorgeschützt werde, nicht mehr aktuell sei. Die deutschen Investitionen in den arabischen Staaten sind heutzutage so groß, daß eine diplomatische Anerkennung Israels durch die Bundesrepublik keine Anerkennung Ostdeutschlands durch die arabischen Staaten mit sich bringen werde; denn kein einziger arabischer Staat könne es sich leisten, auf die westdeutschen Gelder zu verzichten.

In Israel verspricht man sich von einem Treffen zwischen Ministerpräsident Dr. Ludwig Erhard und Ministerpräsident Levi Eshkol eventuell eine Lösung. Trotzdem beschloß die israelische Regierung, bis zu diesem Zeitpunkt einen härteren Kurs gegen die Bundesrepublik einzuschlagen. Einer der letzten Verfechter für Nachgiebigkeit und Verständnis gegenüber der Israelpolitik zur Bundesrepublik ist der Chef der Israelmission in Köln, Botschafter Dr. Pinchas Shinar. Dr. Shlnar kam dieser Tage nach Israel, um das bevorstehende Treffen mit Doktor Erhard vorzubereiten. Bekanntlich sollen sich die beiden Staatsmänner in einem neutralen Land treffen. Man spricht von Frankreich, das mit beiden Ländern die freundschaftlichsten Beziehungen hat.

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