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Leitfaden fur den Frieden

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Vor zehn Jahren-am 26. März 1979-wurde das Camp David-Abkommen zwischen Israel und Ägypten unterzeichnet. Ein umfassender Friede ist heute notwendiger denn je.

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Vor zehn Jahren-am 26. März 1979-wurde das Camp David-Abkommen zwischen Israel und Ägypten unterzeichnet. Ein umfassender Friede ist heute notwendiger denn je.

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Dieser Tage präsentierte eine Forschungsgruppe, bestehend aus Dutzenden Wissenschaftsexperten, Politologen, ehemaligen hohen Offizieren, Geographen etcetera des Instituts für strategische Forschungen der Tel Aviver Universität unter Vorsitz von General a. D. Aharon Ja- riv, eine Studie, in der verschiedene Möglichkeiten eines Friedens im Nahen Osten erwogen werden.

Die Studie ist nicht vollständig, denn sie beschäftigt sich nicht mit neuen Grenzen — unter der Annahme, daß diese erst bei Friedensverhandlungen festgelegt werden können.

Außerdem wird das Schicksal von Jerusalem ausgeklammert.

der für drei große Religionen heiligen Stadt - unter der Annahme, daß auch der Status der Stadt erst bei langwierigen Friedensverhandlungen bestimmt werden kann.

Ferner beschäftigen sich die Wissenschaftler auch nicht mit der Zukunft der Golanhöhen und einem damit verbundenen Frieden mit Syrien. Doch ist klar, daß kein wirklicher Nahostfrieden Zustandekommen kann, wenn der heute noch andauernde Kriegszustand zwischen Syrien und Israel nicht behoben wird.

Kein Wunder, daß diese Studie in Israel die Gemüter bewegt. Die Diskussion über Friedensverhandlungen und ihren Charakter ist momentan heftig im Gange. Ministerpräsident Jizchak Scha- mir erklärte bereits: „Unser General Aharon Jariv spielt unseren Feinden in die Hände.“

Sein politischer Gegner, der stellvertretende Ministerpräsident Schimon Peres, Vorsitzender der sozialistischen Arbeiterpartei, meinte hingegen, daß die Folgerungen der Studie doch sehr aufschlußreich seien, quasi ein Leitfaden für künftige Friedensverhandlungen.

Die in der Studie erwähnten Friedensoptionen sind folgende:

• Status quo. Vorteile: Der Judenstaat erfreut sich im Kriegsfall einer strategischen Tiefe. Es besteht die Möglichkeit, auf mehr wohlgesinnte Partner als die heutigen zu warten.

Nachteile: Verschärfung des Volksaufstandes der Palästinenser (Intifada), Radikalisierung der israelischen Araber, Verschlechterung der Beziehungen mit der arabischen Welt inklusive Ägypten, Vertiefung der politischen Kluft innerhalb der israelischen Gesellschaft, Verschärfung der Beziehungen zwischen Israel und den USA, Westeuropa sowie der Sowjetunion.

• Autonomie. Vorteile: Eine begrenzte Autonomie wird israelische und amerikanische Unterstützung erhalten, die Sowjetunion wird sie auch akzeptieren. Eine weitgehende Autonomie wird eher die Unterstützung der Großmächte erhalten. Eine einseitig aufgezwungene Autonomie bringt keinerlei Vorteile.

Nachteile: Eine begrenzte Autonomie wird von den Arabern abgelehnt, wenn sie nicht nach einer kurzen Übergangszeit Unabhängigkeit garantiert. Ähnlich wird auch eine weitreichende Autonomie bewertet. Eine einseitige Autonomie wird von den Palästinensern als Schwäche ausgelegt werden und den Widerstand nur verschärfen.

• Annexion. Vorteile: Sie sichert strategische Tiefe und erfüllt für viele Religiöse das Versprechen Gottes eines Groß-Israel. In einem solchen Groß-Israel können die Araber keinerlei politische Rechte erhalten, um die jüdische Hegemonie nicht zu gefährden. Die Annexion eröffnet die Möglichkeit des Arabertransfers in die Nachbarländer.

Nachteile: Israel vergrößert die Kriegsgefahr, bringt die verschiedenen Judenorganisationen in aller Welt und die USA gegen Israel auf, was zu einer weitläufigen Isolierung Israels sowie zu einer Ra-, dikalisierung der Araber in Israel führen könnte. Außerdem steht dann die Sowjetunion eindeutig gegen Israel. Diese Lösung ließe sich zwar verwirklichen, ist aber nicht zu empfehlen.

• Abzug aus dem Gazastreifen. Vorteile: Befreit Israel von 700.000 verbitterten und frustrierten Pa-

lästinensern, von denen mehr als die Hälfte Flüchtlinge sind. Diese Rückgabe wäre mit keinerlei militärischen Gefahren verbunden.

Nachteile: Das Fehlen einer Infrastruktur würde Israel zur Offenhaltung der Grenzen zwingen, damit die Bewohner des Gazastreifens in Israel Arbeit finden können. Der Gazastreifen könnte einen Palästinenserstaat ausrufen, ohne daß dieser Israel gegenüber verpflichtet wäre.

• Jordanisch-palästinensische Föderation. Vorteile: Wird mehrheitlich von der israelischen Öffentlichkeit akzeptiert, befreit Israel von 1,5 Millionen Arabern, ist Israels Sicherheit zuträglich und befreit es von der Gefahr eines Angriffes aus dem Osten.

Nachteile: Auf lange Sicht ist der strategische Vorteil nicht klar. In Jordanien werden die Palästinenser die Mehrheit bilden, mit keinerlei Verpflichtungen gegenüber Israel. Diese Lösung wäre zu empfehlen, aber Jordanien ist nicht bereit, hier mitzuwirken.

, • Palästinenserstaat. Vorteile: Keine. Nachteile: Kann eine Existenzgefahr Israels darstellen, da sich ein solcher Staat mit anderen arabischen Staaten verbinden und durch Kriegsdrohung und

Terror die Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge nach Israel fordern kann. Die Bildung eines solchen Staates und die Räumung der israelischen Siedlungen würden einen Bruderkrieg in Israel heraufbeschwören.

Diese Lösung ist kaum zu verwirklichen und für Israel auch nicht empfehlenswert.

• Als einzige - sowohl für Israel als auch für die Palästinenser — akzeptable Lösung schlägt das Forschungsinstitut eine Übergangsperiode von zehn bis 15 Jahren vor, während der die besetzten Gebiete weitgehende Autonomie erhalten. Die Palästinenser ihrerseits müßten auf antiisraelischen Terror und auf die Forderung nach Rückkehr der Flüchtlinge verzichten.

Nach dieser Übergangszeit, nachdem bereits gegenseitiges Vertrauen gewachsen ist, müßte man Verhandlungen über eine endgültige Lösung des Palästinenserproblems beginnen. Dabei müßten Israels Sicherheitsforderungen sowie palästinensische Selbstbestimmungsforderungen berücksichtigt werden.

Zwei Palästinenser, die in Israel als Vertreter der PLO anerkannt sind — Chefredakteur Chana Se- niora von der Tageszeitung El Fajr und der Rechtsanwalt Abu Siad - sehen in den Vorschlägen von General Jariv und seiner Forschungsgruppe eine Basis für Friedensverhandlungen.

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