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Zwischenstopp für Terror

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In diesen Tagen brodelte es wieder einmal in den besetzten Gebieten in Cisjordanien und dnsbesondere im Gazastreifen.

Es begann, nachdem einige Male Bomben im Gazastreifen gegen die Besatzungskräfte geworfen worden waren, doch wurden ihre Opfer meistens einheimische Araber. Die israelischen Sicherheitsbehörden konnten einige junge Leute fassen, die einer Terrororganisation im Gazastreifen angehörten. Unter ihnen waren drei junge Mädchen im Alter von 17 bis 24 Jahren, zwei von ihnen Schülerinnen eines Lehrerinnenseminars, die dritte eine Lehrerin. Sie hatten Geld und Informationen für die Terroristen gesammelt. Die drei Mädchen wurden zu zwei bis drei Jahren Gefängnis verurteilt. Nach dem Prozeß nahm die Militärverwaltung Kontakte mit Notabein aus Gaza auf und ließ durchblicken, daß die Haft der Mädchen in bedingte Haft umgewandelt werde und die drei Mädchen sich nur verpflichten sollen, daß sie in Zukunft nicht mehr in Terroraktionen gegen Israel tätig sein werden. Trotzdem strömten

Tausende von Schülerinnen im Gazastreifen und in Cisjordanien auf die Straßen, um mit viel Lärm gegen die israelischen „Eroberer“ zu demonstrieren. Es waren Schülerinnen der Elementar- und Mittelschulen. Sie schrien: „Hoch lebe Bagdad — alle sollen gehängt werden. Neun Juden sind.zuwenig!“ — „Eschkol ein Schwein!“ — „Abu Ajin (Vater des einen Auges — der Einäugige, gemeint ist Sicherheitsmdnisiter Mosche Dajan) ist ein Verbrecher!“ Die Militärverwaltung ließ zuerst die Jugendlichen gewähren, denn es gibt nichts Unsympathischeres, als gegen halbwüchsige Mädchen mit Gewalt vorzugehen. Doch die jungen Weiber wurden zu Hyänen und ließen einen Steinhagel auf jedes vorbeifahrende israelische Auto los. Eine Anzahl von Zivilisten wurde durch Glassplitter verletzt, ein israelischer Zivilist wurde fast zu Tode gesteinigt. Als die Mädchen der Aufforderung, in ihre Schulen zurückzukehren, nicht nachkamen, wurden mit Holzknüppeln bewaffnete Soldaten eingesetzt. 93 Mädchen wurden leicht verletzt, meist Prellwunden. Drei mit Armbeziehungsweise Beinbrüchen blieben zur Weiterbehandlung im Krankenhaus von Gaza.

Die Verhaftung der drei Mädchen, die ursprüngliche Ursache der Unruhen, wurde schnell vergessen. Hinter dem Scbüleraufruhr stand Yasser Arafath, Chef der Fatah-Terrororganisation. Er will versuchen, mit Hilfe von Schülerdemonstrationen in den besetzten Gebieten Fuß zu fassen. Vorher war es ihm nicht gelungen, Saboteurgruppen nach Cisjordanien einzuschleusen, da die ortsansässige Bevölkerung zu keiner Kooperation mit den Saboteuren bereit war. Schüler hingegen lassen sich leicht aufwiegeln, und jede Ablenkung vom Unterricht ist populär. Kinder bilden außerdem ein herrliches Objekt für TV-Reporter, wenn sie hysterisch schreien, demonstrieren und eventuell geschlagen werden.

In Nablus zum Beispiel wollte die Besatzungsmacht nicht eingreifen, in der Annaihme, daß sich die Schüler von selbst beruhigen werden. Doch die männlichen Jugendlichen der Stadt, die Schabbab (Halbstarken), schlössen sich der Demonstration sehr schnell an, errichteten Barrikaden und bewarfen alles mit Steinen. Der Besatzungsmacht blieb nichts anderes übrig, als den Ausnahmezustand über die Kasba (das alte Marktviertel von Nablus) zu verhängen.

„Der Staat Israel ist in den Augen der nationalbewußten Araber ein Symfbol ihrer Schwäche, und aus diesem Grunde können sie sich nicht einfach mit ihm albflnden“, erklärte dieser Tage der bekannte Orientalist Prof. Gabriel Baer. Dies ist vielleicht auch der Grund, warum Staatspräsident Nasser die Tagung der 13 Ter-rororganisatianen in Kairo persönlich begrüßte. Er war sogar bereit, mit seinem früheren Gegner Yasser Arafath, der an der Spitze aller Terrororganisationen steht, einen gemeinsamen Empfang abzuhalten. Nasser betonte in seiner Rede auf diesem Kongreß, daß es nur einen Weg zur Befreiung Palästinas gibt — den bewaffneten Kampf.

Einige Tage vorher hatte Nasser dem amerikanischen Nachrichtenmagazin „Newsweek“ ein Interview gegeben, das friedlicher klang, ob-zwar er betonte, daß die Tiran-meerenge, der Seeweg nach Ejlat, dem südlichen Hafen Israels, Ägypten und Saudi-Arabien gehöre. Indirekt deutete er damit an, daß Israel kein freies Durchfahrtsrecht durch diese Meerenge halbe. In Israel reagierte Außenminister Abba Eban auf das Interview. Er gab das erstemal offen zu, was Israel bei Friedensverhandlungen als „sichere Grenzen“ ansieht: Israel beansprucht einen Landstreifen von Ejlat längs der Tiranmeerenge bis nach Scharm el Scheich im südlichen Sinai, um die freie Durchfahrt zu sichern, und besteht auf freie Schiffahrt durch den Suezkanal.

Herr Eban deutete auch an, daß Israel den Alon-Plan befürworte. Es ist anzunehmen, daß dieser Plan in den nächsten Tagen oder Wochen von Israels Kabinett bestätigt werden wird. Vizeministerpräsident General Jigel Alon arbeitete vor zirka eineinhalb Jahren diesen Plan aus, der aia Basis für eventuell Friedensverhandlungen dienen solle: Herr Alon fordert, daß längs des Jordanflusses auch nach Friedensschluß ein zirka bis zu 15 Kilometer breiter Landstreifen in israelischen Händen bleiben soll und mit befestigten landwirtschaftlichen Siedlungen die Grenzen Israels sichern soll. Cisjordanien selbst soll laut diesem Plan demüitarisiert werden, entweder als ein Teil Jordaniens oder als unabhängiger palästinensischer Staat. Zu Cisjordanien soll auch der Gazastreifen kommen. Um den Alon-Plan in die Tat umzusetzen, braucht man wenigstens in der ersten Phase keinen Frieden. Mit der Errichtung der ersten befestigten Dörfer im Sicherheitsgürtel wurde bereits begonnen. Bis es zu einer Regelung kommt, dient der Alon-Plan auch zur Befestigung der israelischen Position innerhalb der besetzten Gebiete.

Zur Zeit bestehen keine Kontakte zwischen Israel und den arabischen Staaten. Die- auf.. Umwegen begonnenen Gespräche mit Jordanien wurden abgebrochen. Solange keine Aussicht auf eine andere Lösung besteht, wird Israel auch weiterhin in den besetzten Gebieten bleiben. Hiermit vertritt es dieselbe Ansicht wie El-Fatah-Oberhaupt Yasser Arafath, genannt „Abu Amer“. Auch Arafath zieht eine israelische Besetzung der Rückgabe von Cisjordanien an Jordanien vor, denn ein, Friedensabkommen mit Jordanien und (oder) Ägypten würde auch den natürlichen Tod seiner Terrororganisation bedeuten. Er will die Araber von Israel befreien und ist höchstens bereit, die Juden als Minderheit in einem arabischen Staat zu dulden.

Eine gemäßigte Führerschicht in Cisjordanien spricht „von Palesti-nen's Entity“ — einem unabhängigen Palästina mit oder ohne Jordanien. Doch dies sind nur Zukunftsträume.

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