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Legierung von Beton und Eisen

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Laut einer „Associated Press“-Mel-dung erfanden israelische Ingenieure eine besondere Legierung von Beton und Eisen, die den russischen Geschützen, die gewöhnliche Betonmauern durchbrechen können, standhalten. Die Israelis, die im allgemeinen niemals für einen Grabenkrieg waren, sondern bisher immer einen Bewegungskrieg vorgezogen haben, mußten hier in ihrer Strategie umdenken, denn keiner hat Interesse Kairo uÄr'öbern. Man will lediglich die erreichten Linien' bis zur Friedensunterzeichnung halten. Es gab zwei Möglichkeiten: die erste bedeutet eine starke Linie am Suez und eventuell noch eine zweite Linie als Rückendeckung, die zweite Theorie bedeutet eine leichtere Linie als erste Linie, und im Hinterland einen Be-schützungswall. Israel zog das erster* vor, obwohl dies mehr Anforderungen an die Befestigungen selbst stellte. Auch Ägypten investierte Millionen und Millionen in Befestigungen auf der Westseite des Suez,aber die Israelis nahmen dies achselzuckend hin, denn sie haben keine Ambitionen in dieser Richtung. Auf der israelischen Ostseite gibt es fast nur Militäranlagen, der ägyptische Westen hingegen beherbergt zahlreiche Industrieanlagen, die bei solch einem Bombardement getroffen werden. Jedes Kanonenduell fordert aus diesem Grund große Opfer von selten Ägyptens. Düe kaum reparierten Ölraffinerien von Suez liegen nun wieder brach bis zu ihrer Reparatur. Ägyp/crj sah sich gezwungen, sei .öl erneut in anderen Ländern raffinieren zu lassen.

Gamal Abdel Nasser, Ägyptens Staatsoberhaupt, ist heute nicht mehr der unumschränkte Herrscher, der er noch vor dem Sechstagekrieg war, denn vieles hat sxh in der Zwischenzeit geändert. In den Jahren 1956 nach dem Suezleldzug, 1961 nach dem Auseinanderbrechen der Vereinigten Arabischen Republik (Syrien und Ägypten) und 1965 nach dem endgültigen Scheitern des Yemen-feldzuges, gab es in Ägypten schwere Krisen, doch Dank seiner Popularität konnte sich Nasser behaupten. Heute sieht es so aus, als ob das Militär sich fast schon selbständig gemacht hat und Nasser nun versuchen muß, innerhalb seiner Partei Unterstützung zu finden, die er von den Militärs nicht erhalten kann. Nach dem Sechstagekrieg wurden die meisten älteren Offiziere entlassen. Die jüngeren Offiziere, die nachkamen, sind zumeist Zöglinge der ägyptischen Revolution. Sie wollen den ägyptischen Sozialismus verwirklicht sehen. Sie machen mit den Studenten gemeinsame Sache. Durch den Sechstagekrieg erlitt bisher Ägypten Verluste von über zwei Milliarden Dollars. Der Suezkanal ist blockiert, die amerikanische, technische Hilfe wurde abgebrochen, 600.000 Ägypter wurden von der Suezkanalzone evakuiert und fristen ihr Dasein mit Hilfe des Sozialministeriums. Die Preise stiegen im letzten Jahr um 15 bis 20 Prozent. Nur mit Hilfe der arabischen Petroleumstaaten und der Sowjetunion kann sich Nasser noch irgendwie über Wasser halten. In Ägypten selbst wurden zwar neue Petroleumvorkommnisse entdeckt, aber diese können die riesigen Verluste des Krieges nicht wettmachen. Zusammen mit der wirtschaftlichen Misere wird die intellektuelle Unterdrückung Ammer mehr spürbar. „Sollen wir als Knechte oder als freie Menschen in den Kampf gegen Israel ziehen?“ fragten die Studenten Nasser bei dem letzten Treffen. Der Vorstand des ägyptischen Studentenverbandes, Abed El Hamid Hassan, trat aus Protest wegen Unterdrückung der persönlichen Freiheit von seinem Posten zurück.

Die sowjetische Präsenz wird In Ägypten immer mehr als eine neue Form des Imperialismus ausgelegt. Eine ägyptische Zeitung zeigte vor kurzem das Bild eines russischen Matrosen, der mit einem ägyptischen Mädchen spazieren ging. „So was geschah nicht einmal zur Zeit der Engländer“, schrieb das Organ. Die jungen Offiziere wollen die russische Bevormundung nicht mehr anerkennen. Sie fühlen sich fähig, alleine den Krieg gegen Israel führen zu können. Sie fordern dauernd Gelegenheit, dies in der Tat zu beweisen. Nasser wird von ihnen beschuldigt, dem russischen Druck nachzugeben. Rußland ist. auch heute noch der Ansicht, daß Ägypten zu keinem bewaffneten Konflikt mit Israel fähig ist, ohne eine erneute Niederlage zu erleiden. Die jungen Offiziere hingegen sprechen immer wieder von einer neuen Tschechoslowakei, diesmal im Mittleren Osten. Zur Zeit hat Nasser noch die Oberhand, und solange dies so bleibt, wird es auch zu keinem Krieg mit Israel kommen. Die vier negativen Punkte der Char-tumtagung bestehen noch: keine Anerkennung Israels, keine Verhandlung mit Israel, kein Frieden mit Israel und kein Verzicht auf Palästina. Ägypten versucht mit Hilfe einer politischen Offensive Israel zum Rückzug zu zwingen, zur gleichen Zeit wird die ägyptische Armee immer mehr verstärkt und ausgebaut. Dieses Jahr wurde das größte Sicherheitsbudget (750 Millionen Dollar) in Ägypten angenommen. Doch trotz allem ist Nasser heute schwächer als je.

Zum Kanonenduell am Suez: Die jungen Offiziere wollten sich Luft schaffen und Nasser selbst wurde der Gefangene seiner eigenen Lösungen. Nolens volens mußte er mit in das Lied einstimmen. Das Duell wurde mit Hilfe der UNO-Beobachter abgebrochen, alber auch weiterhin wird am Suezkanal geschossen, und immer kann auch Israel nicht ruhig zusehen. Der israelische Stabschef General Hann Bar Lev erklärte erst dieser Tage: „Wenn wir keine Ruhe am Suezkanal finden, müssen wir Ägypten eine weitere .Lektion' erteilen.“ Wir fuhren auf der Landstraße, hinter dem hohen Wall des Ostufers. Alles schien wieder ruhig zu sein. Ein Soldat verlangte unsere Papiere. Wir gaben sie ihm und erhielten Einlaß in die Militärzone, wo wir bereits erwartet wurden. Wir betrachteten mit dem Fernrohr die ägyptischen Stellungen und unwillkürlich stellte sich uns die Frage: „Wird es sofort wieder beginnen, oder können wir in Ruhe und Sicherheit nach Hause fahren?“

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