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Die Rückkunft der Sowjets an den Nil

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Im 32. Jahr nach dem Sturz König Faruks durch die arabisch-sozialistische Revolution Abdel Nassers vom 23. bis 26. Juli 1952 ist die Rückkehr seines zweiten Nachfolgers, Hos-ni al-Mubarak, zum nasse-ristischen Panarabismus und moskaufreundlichen Neutralismus perfekt geworden.

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Im 32. Jahr nach dem Sturz König Faruks durch die arabisch-sozialistische Revolution Abdel Nassers vom 23. bis 26. Juli 1952 ist die Rückkehr seines zweiten Nachfolgers, Hos-ni al-Mubarak, zum nasse-ristischen Panarabismus und moskaufreundlichen Neutralismus perfekt geworden.

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Fünf Jahre nach Sadats Frieden mit Israel und drei Jahre nach dessen endgültigem Bruch mit der Sowjetunion wird Ägypten nun wieder in die Arabische Liga aufgenommen. Und am 1. August tauscht Kairo aufs neue Botschafter mit den Sowjets aus.

Diese neo-nasseristische Politik Mubaraks ist nur zum Teil eine Folge des plötzlichen Todes seines pro-westlichen Regierungschefs Fuad Muhieddin und der Absage des ägyptischen Volkes bei den Parlamentswahlen vom 27. Mai an die konservative Wafd-Partei. Diese hatte eine freie Marktwirtschaft als Alleinheilmittel für Ägyptens wirtschaftliche und soziale Nöte angepriesen.

Hinter der Rückkehr von Kairos zum zweiten Mal an der Regierung bestätigten Nationaldemokraten zur engen Wirtschaftskooperation mit dem Osten und der arabischen Nachbarschaft auf der Basis einer straffen Wirtschaftsplanung im Stil der Nasser-Ära stehen vor allem die 900 Millionen Dollar Mindereinnahmen im 1983 zu Ende gegangenen ägyptischen Finanzjahr. Das Brutto-Inlandsprodukt erreicht mit 7,6 Prozent nicht einmal die vorgesehene Mindestwachstumsrate von 8,5 Prozent.

Alles in allem eine Bankrotterklärung für die von Sadat Mitte der siebziger Jahre eingeleitete und unter seinem Diadochen zunächst nur mit bescheidenen Kurskorrekturen fortgeführte li-beralistische und westorientierte Wirtschaftspolitik der „Offenen Tür". Mubarak blieb jetzt überhaupt keine andere Wahl, als die von Sadat rüde zugeschlagene Tür zu den „arabischen Brüdern" und ebenso zu Ägyptens traditionellen Partnern im Osten wieder sperrangelweit aufzureißen.

Schon im März 1982, ein halbes Jahr nach dem Führungswechsel am Nil, hatte Außenminister Ka-mal Hassan Ali — der interimistische Regierungschef von heute — die Rückkehr der ersten sowjetischen Expertenteams für den As-suan-Damm, das Aluminiumwerk von Nag Hammadi und den Hüttenkomplex bei Heluan im Süden von Kairo bekanntgegeben. Die 66 Russen waren zunächst eine verschwindende Zahl im Vergleich zu den rund 17.000 im Juli 1972 von Sadat ausgewiesenen Militär- und Wirtschaftsfachleuten aus den COMECON-Staa-ten. Inzwischen sind aber in Ägypten schon wieder die Hälfte aller vom RGW-Sekretariat in Moskau für die arabischen Länder eingestandenen 44.000 Experten im Einsatz.

Diese erneute Öffnung der Ägypter zum Osten entspricht einfach den dringenden Bedürfnissen der größten und wichtigsten Industrieanlagen. Von ihnen war die Aluminiumf abrik bei Nag Hammadi am oberen Nil als letztes gemeinsames ägyptisch-sowjetisches Projekt fertiggestellt worden. Ihm, Heluan und Assuan zuliebe hatte zunächst auch Sadat an die 1000 Sowjetingenieure von seiner ersten Austreibung ausgenommen.

Erst im September 1981, als der in jeder Hinsicht verunsicherte „Raiss" (Präsident) vor seiner Ermordung nach allen Richtungen über die Stränge schlug, mußten auch jene zusammen mit dem russischen Missionschef in Kairo, Vladimir Poljakov, und sechs führenden Diplomaten das Nilland verlassen.

Der Versuch, die komplizierten Anlagen durch Ersatzkräfte aus dem Westen oder von ägyptischem Nachwuchs bedienen zu lassen, führte schon in wenigen Monaten zu einem Fehlschlag nach dem anderen. Mubaraks neuer Industrieminister Fuad Abu Zagla machte schon Anfang 1982 die Rückerbittung der unentbehrlichsten russischen Fachleute zur Vorbedingung seines Uberwechsels von der Leitung der staatlichen Hochöfen in Heluan an den Ministertisch.

Mitte 1982 zeigte sich dann unübersehbar, daß solche kleinere Abstriche von der Sadat-Linie Ägypten kaum zu helfen vermochten. Ein von Mubarak eingesetzter Expertenausschuß machte das planlose Nebeneinander der von Abdel Nasser übernommenen sozialistischen und der durch Sadat seit 1974 geförderten kapitalistischen Elemente für die wirtschaftliche und soziale Krise verantwortlich.

Der öffentliche Sektor sah sich weiter gezwungen, Preise Und Löhne eingefroren zu lassen. Hingegen gab die Politik der „Öffnung" dem Privatsektor darin völlig freie Hand.

Zum Unterschied von den Jahren 1974 bis 1982 ist die Bilanz von Ägyptens Wiederannäherung an die Araber und den Osten schon jetzt ausgesprochen positiv. Allein das von der Sowjetunion reaktivierte Aluminiumwerk hat sich seit Rückkehr seiner „Betreuer" aus Moskau von den roten Zahlen auf einen Jahresgewinn von mehr als 10 Millionen ägyptischen Pfund (etwa 250 Millionen Schilling, offizieller Verrechnungskurs) für 1983 hinaufarbeiten können. Ebenfalls erreicht wurde seine vorgesehene Produktionskapazität von 166.000 Tonnen Aluminium. Der Großteil davon geht in den Export.

Auch im Hüttenwerk Heluan, in das im Mai 1982 die ersten 50 Russen für „nur fünf bis acht Monate" zurückgekehrt waren, sind heute Hunderte von ihnen unentbehrlich. Inzwischen hat die Sowjetunion den Ägyptern auch neue Stahlwalzen für Heluan im Wert von 700.000 Dollar geliefert.

Als Beweisstück für die „schlechte" russische Arbeit in Ägypten und die „gute" westliche Unterstützung wird gern das Kraftwerk am Assuan-Damm ins Treffen geführt. Tatsächlich ist aber das Gesamtprojekt des „Sad alali" (Großer Stausee) unter Sadat einfach nicht mehr vollendet worden; vor allem, was die vielen damit geplanten Industrien betrifft.

Die damalige politische Führung fürchtete sich vor den sozial-revolutionären Auswirkungen eines Anwachsens der ägyptischen Arbeiterschaft auf über fünf Prozent der Gesamtbevölkerung. So blieben alle Industrialisierungsvorhaben in Staudammnähe mit Ausnahme der Kunstdüngemit-telf abrik Cyma und des schon erwähnten Nag Hammadi auf dem Papier.

Im August 1982 begann Mubarak mit Inangriffnahme der alten Assuan-Pläne. Als ersten Schritt bestellte er bei den Russen einen 500.000-kW-Transformator im Wert von 9,6 Millionen Dollar, um die Leistungsverluste beim As-suan-Strom zu reduzieren.

Doch gegen Ende desselben Jahres begannen zunächst zwei der Turbinen am Stauwerk den Geist aufzugeben, später fielen alle aus — sie waren in den Jahren ägyptischer Wartung einfach verrottet. Ein sowjetisches Team übernahm im April 1983 die Reparaturen, konnte aber nur mehr Alteisen abtransportieren.

Mit großem Hallo stiegen darauf die Amerikaner ein. Doch lassen sie bis heute auf den Beweis für die angeblich haushohe Überlegenheit ihres Know-how warten: Das Assuan-Kraftwerk steht im Sommer 1984 immer noch still.

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