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Freier Weg für Kissinger

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Im Nahen Osten verdichten sich die Anzeichen dafür, daß der sowjetische Außenminister Andrej Gromyko bei seinen zweitägigen Verhandlungen mit der ägyptischen Führungsspitze in Kairo nicht einmal einen Teilerfolg einheimsen konnte. Gromyko verließ die ägyptische Hauptstadt an Bord seiner Sondermaschine in Richtung Moskau. Den vorgesehenen Besuch dm Irak ließ er ausfallen. Er war von Präsident Mohammed Anwar es-Sadat in dessen Feriendomizil im Norden von Kairo zu einem vierstündigen Gespräch empfangen worden, nachdem er sich zuvor mehrmals mit dem gastgebenden ägyptischen Kollegen Ismail Fachmi beraten hatte. Beide Seiten bewahrten strenges Stillschweigen über die Verhandlungen. Kenner der Verhältnis se bekamen jedoch Wind davon, daß Gromykos Mission am Nil auf ganzer Linie gescheitert zu sein scheint. Ostblockdiplomaten an der nahöstlichen Nachrichtenzentrale Kairo zufolge, könnte das direkte nachteilige Auswirkungen auf das ungeklärte Schicksal des seit einiger Zeit aus der Öffentlichkeit verschwundenen KPdSU-Generalsekretärs Leonid Breschnjew haben, dessen politische Stellung nach den gleichen Quellen stärker angegriffen sein soll, als man im Westen bisher ahnte.

Die Besprechungen Gromykos mit Präsident es-Sadat und Außenminister Fachmi hatten zwei Hauptthemenkreise: politisch ging es um den Fortgang der Genfer Nahostkonfenferenz und die bevorstehenden neuen Vermittlungsbemühungen von USA- Außenminister Henry Kissinger, technisch um eine etwaige Wiederaufnahme der sowjetischen Waffenlieferungen für Ägypten und die mindestens sechs Milliarden USA- Dollar ausmachenden ägyptischen Schulden bei der Sowjetunion. Präsident es-Sadat widersetzte sich, ägyptischen Angaben nach, entschieden einer baldigen Wiedereinberufung der Friedensverhandlungen in Genf. Er bestand darauf, vorher das Ergebnis der bevorstehenden Vermiittüemmde Kissingers abzuwarten, der unterdessen in Kairo eingetroffen ist, in Jerusalem und Damaskus erwartet wird und sehr wahrscheinlich auch ef-Riad und Beirut besuchen soll. Der ägyptische Staatschef braucht aus innerpolitischen und interarabischen Prestigegründen nicht nur einen weiteren Verhandlungserfolg an der Waffenstillstandsfront. Er spielt hinsichtlich Genfs auch auf Zeitgewinn. In der Konferenzstadt am Lac Läman würden die Sowjets wieder kräftig mitmischen. Deren Einfluß zu neutralisieren hofft er durch die Hinzuziehung einer europäischen Delegation. Sollte sich seine Lieblingsidee, die europäische Gemeinschaft in Genf durch Frankreich vertreten zu lassen, nicht verwirklichen, will er auf die Teilnahme einer EG-Delegation aus Frankreich, England und der Bundesrepublik hinarbeiten.

Auch bei dem Problem der Wiederaufnahme sowjetischer Waffenlieferungen und der Umschuldung der Sowjetkredite kam es offenbar nicht zu einer Einigung. Moskau kam den ägyptischen Wünschen zwar insoweit entgegen, als seit dem 9. Februar sowjetische Frachtschiffe wieder Ersatzteile und Munition in den Hafen von Pont Said und Alexandria löschen. Es-Sadat scheint aber nach wie vor nicht bereit zu sein, Waffenlieferungen mit der Hereinnahme sowjetischer Militärinstrukteure zu honorieren. Das Problem neuer Zahlungskonditionen für die ägyptischen Schulden an den Kreml soll einem Besuch Breschnjews am Nil Vorbehalten werden, der zwar grundsätzlich zugesagt wurde, für den aber kein Termin vereinbart werden konnte.

Damit ist der Weg frei für den neuen Vermittlungsversuch Kissingers. Mit dieser Gewißheit vor Augen, visiert map In Ägypten bereits die nächste Phase der Truppenentflechtung an. Das aber würde eine Wiederaufnahme der Genfer Friedensgespräche möglicherweise überflüssig machen. Hinter dem Konzept Präsident es-Sadats verbirgt sich großes Vertrauen in die vermittelnde Kraft Kissingers und das stärkere Gewicht der USA in der Nahostregion.

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