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Die Allianz von Heliopolis

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Nach all den bitteren Erfahrungen mit der Labüität republikanischer Staatsordnungen im arabischen Raum, wie sie zuletzt selbst der libanesischen „Mutterdemokratie“ nicht erspart geblieben waren, ist der Staatsbesuch des syrischen Präsidenten Hafes al-Assad bei Anwar as-Sadat in Kairo vor der Dezembermitte ganz im Zeichen eines Konzeptes gestanden, das schon längst für verfahren und vergessen gegolten hatte. Die beiden Staatschefs haben sich aufs neue zu der vor fünf Jahren beschlossenen, aber nie ins Werk gesetzten Konföderation ihrer Staaten bekannt, nunmehr rasche Schritte zu deren Verwirklichung angekündigt und andere arabische Republiken eingeladen, sich an diesem Bund zu beteiligen.

Sehr zum Unterschied von Abdel Nassers alter „Vereinigter Arabischer Republik“; einem zentralistischen, expansionslüsternen Staatswesen, wurde die neue „Konföderation Arabischer Republiken“ mit Ägypten, Syrien und Libyen als Gründungsmit-glieder von Anfang an föderativ angelegt. Den Sonderinteressen von Kairo, Damaskus und Tripolis gegenüber, die jeweils an einem anderen Strick zogen, gab es jedoch keine starke gemeinsame Kraft, die einen echten Staatenbund hätte hervorbringen können. Angeblich hätte die Feindschaft gegen Israel dieses panarabische Wunder zustandebringen sollen. Doch hat gerade der Oktoberkrieg von 1973 gelehrt, daß rein negative Ziele keine konstruktive Entwicklung in die Wege leiten können.

Was heute als innere Kraft hinter dem neuerlichen. Zusammenrücken der im Nahostkonflikt tonangebenden republikanischen Regime der Araber steht, ist die Einsicht ihrer inneren Schwäche und der Notwendigkeit gegenseitiger Abstützung. Zwischen Ägypten und dem Sudan hat sich eine solche innenpolitische Rückversicherung seit den ersten Integrationsbeschlüssen und Maßnahmen von 1974 -die außerhalb des Rahmens der Dreierkonföderation stehen - schon wiederholt bewährt. Vor allem während des gefährlichen Khartumer Putsches gegen Präsident Numeiri vom vergangenen Juli.

Sadat und Assad wissen ebenso, wie schmal und schwankend die Basis ihrer friedensbereiten, dem Westen zugeneigten Regime angesichts mächtiger Generäle, sozialer Spannungen und kommunistischer Wühlarbeit ist. Sie hätten dazu gar nicht erst der warnenden Worte Henry Kissingers bedurft, die der scheidende US-Staatssekretär als eine Art Bilanz seiner vieljährigen Nahostbemühungen hinterlassen hat: „Im Orient sieht es gut aus, wenn nur rund um Israel Sadat, Assad und Hussein an der Macht bleiben.“

Kann also von einem amerikanischen Interesse an der Neubelebung und Ausweitung des Bundes 'der gemäßigten Araberrepubliken gesprochen werden, so scheint die Wiedergeburt der ägyptisch-syrischen Konföderation für Saudi-Arabien ein geradezu brennendes Anliegen zu sein. Noch auf der Libanon-Konferenz in Rijad hatte es König Chaled neben den so dringlichen Anliegen der Beendigung des Bürgerkrieges nicht versäumt, Sadat und Assad die Realisierung ihres Vorhabens von 1971 sehr dringend und drängend nahezulegen.

Sosehr es für die saudische Führung ein Grundpfeiler ihrer Politik geworden ist, daß kein arabischer Thron mehr stürzen und einem republikanischen Staatswesen weichen darf, so realistisch ist man in Rijad auch, die Unmöglichkeit von Restaurationsversuchen und den meist schon seit Jahren etablierten Republiken einzusehen. Sie sollen daher womöglich allesamt mit den am Gängelband der Saudis stehenden Ägyptern und Syrern zusammengeschlossen und zu einer Art Vasallen der ölreichen Königreiche und Emirate gemacht werden. In der Praxis fehlt nicht mehr viel zur Erreichung dieser politischen Zielsetzung für den gesamten arabisch-islamischen Raum, an dessen Spitze sich dann die Saudikönige als „Kalifen“ von Allahs Gnade setzen wollen.

In dem schon 1971 zur Bundeshauptstadt für Ägypten, Syrien und Libyen ausgerufenen Kairoer Vorort Heliopolis, der sich arabisch-amtlich „Masr Gedida“ (Neu-Kairo) nennt, herrscht daher wieder reges Leben. Präsident Assad hat zu seinem Staatsbesuch gleich den während, der ägyptisch-syrischen Spannungen de

r letzten zwölf Monate aus Heliopolis abgereisten Bundesministerpräsidenten Ahmad al-Chatib sowie zwei syrische Bundesminister wieder zurückgebracht. Zusammen mit ihren ägyptischen Kollegen und den trotz schlimmster Zerwürfnisse zwischen Kairo und Tripolis nie aus Heliopolis gewichenen libyschen Bundesfunktionären haben sie es sich in dem alten Regierungspalast häuslich eingerichtet, der schon manches Stück ägyptischer Geschichte erlebt hat: In seinem „Blauen Saal“ hielt Abdel Nasser die verhängnisvolle Pressekonferenz vor Beginn des Junikrieges von 1967, in ' seinen Hallen fanden im Sommer 1971 die Schauprozesse statt, bei denen sich Anwar as-Sadat die restlichen Nasserepigonen vom Hals schaffte.

Die alt-neuen Bundesbehörden scheinen von Saudi-Arabien nicht nur mit moralischem Ansporn, sondern auch mit einem ordentlichen Budget ausgestattet worden zu sein: Jedenfalls konnte Konföderationspremier Chatib für die Amtsräume 150 Rokoko-Schreibtische in Auftrag geben, und die bisher so stillen Alleestraßen von Heliopolis werden durch amerikanische Limousinen mit dem grüngoldenen Nummernschild des „Ittihad al-dschumhuriat al-arabia“ unsicher gemacht. Hatte sich das Masr Gedida zum Unterschied von dem „alten Kairo“ mit seiner Uberbevölkerung und Uberbewertung* aller Wohnungsmieten als eine Oase erhalten, wo junge Eheleute noch eine erschwingliche Wohnung finden konnten, so ist es auch damit zu Ende. Die hochbezahlten Bundesgrößen zahlen bis zu 1000 Pfund im Monat, um nur etwas Wohnraum mit Telephon und schäbigem Mobiliar zu sichern.

1971 war der föderative Zusammenschluß zwischen Kairo, Damaskus und Tripolis auf dreifacher Ebene konzipiert worden: An der Spitze der Staaten durch einen zu einstimmigen Beschlüssen verpflichteten „Bundes-präsidialrat“ mit Sadat als Vorsitzendem sowie Assad und Mumar al-Gad-dafi als Mitgliedern. Dieses nie aufgelöste Gremium soll nun in nächster Zukunft einberufen werden, um den ägyptisch-libyschen Konflikt durch direkte Aussöhnung zwischen Sadat und Gaddafi aus der Welt zu schaffen.

Was die Bundesregierung betrifft, so wird sie sich in erster Linie mit wirtschaftlichen und militärischen Koordinationsmaßnahmen zu befassen haben. Auf das Bundesparlament, das sich zu je drei Teilen aus den von Volksvertretungen in Kairo, Damaskus und Tripolis delegierten Abgeordneten zusammensetzt, wartet eine umfassende Rechtsreform und -an-gleichung der drei Staaten auf islamischer Grundlage, wie es den saudiarabischen, aber auch den libyschen Wünschen entspricht. Auch mit baldigen Neubeitritten wird an den Rokokoschreibtischen von Heliopolis gerechnet. Es liegen hier Dokumente vor, denenzufolge Libanon, der Sudan, Nord-Jemen und Tunesien Interesse zeigen, sich an dieser „Allianz der Gemäßigten“ zu beteiligen.

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