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Immer einsamer

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In Libyens Hauptstadt wurden die Triumphbögen zum siebenten Jahrestag der Revolution des 1. September 1969 aufgerichtet. Neben den von öl- und Palmzweigen umkränzten Bildern des seit damals allen Erwartungen und voreüigen Unkenrufen zum Trotz an der Macht gebliebenen Staatschefs Muamar al-Gaddafi glänzten diesmal allerdings keine Porträts der bei den früheren Jahrtagen so oft und gern anwesenden Ehrengäste aus der arabischen Nachbarschaft. In Ägypten schlägt der Nachfolger von Gaddafis väterlichem Freund und Steigbügelhalter beim Königssturz von Tripolis, Gamal Abdel Nasser, einen immer schärferen Kurs gegen das Regime des libyschen Revolutionsrates ein. Bis vor zwei Jahren hatte Anwar es-Sadat sein Land hingegen nur dank Libyens Finanzhilfe und der Beschäftigung von fast einer Viertelmillion arbeitsloser Ägypter im libyschen Bau-, Schul- und Gesundheitswesen über den Ruin hinweggerettet, der am Nü schon. vor dem Oktoberkrieg von 1973 gedroht hatte. Dennoch waren die zahlreichen Spruchbänder „Undank ist Ägyptens Lohn“ noch vor der Ausschmückung zum Geburtstag der „Arabischen Republik Libyen“ in aller Stille von Straßen und Plätzen verschwungen.

• Diese Selbstsicherheit kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß es in Tripolis politisch recht frostig

und einsam geworden ist. Aus Ägypten kommen nicht einmal mehr die von Gaddafi nach seinem berüchtigten Kirchen- und Klostersturm gegen die letzten italienischen Katholiken hochgeehrten Patriarchen der orthodoxen Kopten und Griechen, Schenuda III. und Niko-laos VI.

Es spricht für die Beweglichkeit der vatikanischen Islam- und Nahostpolitik, daß gerade sie den islamischen Sozialrevolutionären Libyens Beachtung geschenkt hat. Wenn sich beide Seiten mit der offiziellen Aufnahme diplomatischer Beziehungen und damit der Eröffnung einer Nuntiatur in Tripolis als letzter maghrebinischer Hauptstadt nach Algier, Tunis und Rabat, vorläufig noch Zeit lassen, so liegt das an taktisch wohlüberlegter Zurückhaltung. Auch Gaddafis Rivale im islamisch-arabischen Führungsanspruch, der bedächtige Saudi-König Chaled, hat Gaddafi noch nicht so total abgeschrieben, wie es seine ägyptischen und sudanesischen Freunde gerne haben möchten. Nach außerlibyschen Quellen war die Julivorsprache der Präsidenten Anwar es-Sadat und Dschafar an-Numeiri bei dem aus seiner luftigen Sommerrresidenz Taif ins schwüle Dschedda herbeigereisten Herrscher in Sachen einer „Heiligen Allianz“ gegen Libyen ein Schlag ins Wasser. Hiebei dürften alte Zerwürfnisse zwischen dem saudischen und dem

ehemaligen libyschen Königshaus mitgespielt haben, dessen in dem nördlich von Jemen gelegenen Emirat Asir regierende Nebenlinie vom Reichsgründer Abdel Asis Ibn Saud um Thron und Land gebracht worden ist. Die Botschaft Saudi-Arabiens beobachtet mißtrauisch die Art und Weise, wie von Sadat der greise entthronte König Libyens, Idris as-Sanussi, in seinem ägyptischen Exil zu einer politischen Größe aufgebaut wird. Aber König Chaleds Rest von Wohlgefallen an Gaddafi wird mit abwartender Zurückhaltung verschleiert. Die offene Freundeshand bieten Libyen nur noch skurrile Rand- oder Witzfiguren, mit Ugandas Gewaltherrscher Idi Amin an der Spitze.

Aus Libyens Isolierung resultiert ein Abhängigkeitsverhältnis zu Moskau. Das macht die sowjetische Präsenz im ölreichen Herzstück Nordafrikas so gefährlich. Gefährlicher noch als die von der Kairoer Presse beschriebenen Waffenlager der Russen auf libyschem Territorium, die nicht unter libyscher Kontrollhoheit stehen. Unabhängig von Ägypten haben schon vorher Informanten die Existenz dieser Arsenale in Tripolis, Bengasi und der Fessan-Metropole Sebha beteuert und mit Photoaufnahmen belegt. Den Standorten der Depots im libyschen Süden und ihrer Bestückung mit der Ausrüstung schnellbeweglicher Einheiten nach zu urteilen, dürfte die gemeinsame sowjetisch-libysche Stoßrichtung mehr ins Innere Afrikas, als in die arabische Nachbarschaft zielen. Bekanntlich hatte sich Moskau schon vergangenen Herbst bei der Auseinandersetzung um die ehemalige Spanische Sahara Hoffnungen gemacht, dort ein zweites Angola einrichten zu können. Diese Rolle im Konzept der zur Zeit mit Vorbedacht auf Afrika konzentrierten Marschroute der Weltrevolution scheint jetzt Libyen zugedacht zu sein. Die militärische Bereitstellung der Russen fällt mit einer diplomatischen Offensive des libyschen Außenamtes bei den afrikanischen Anrainern Tschad, Niger, der Zentralafrikanischen Republik, Mali und Kamerun zusammen. Gaddafi will sich hier für seine chronischen Mißerfolge im arabischen Raum, insbesondere für das Versagen seines Einflusses auf den Libanonkonflikt, schadlos halten.

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