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Gadhafi im Siegesrausch

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Hier in Sebha, wo Libyens Sahara-Straßen nach dem Tschad, Niger, Südalgerien und Mab auseinandergehen, verkünden schon am Flughafen große Transparente und Spruchbänder den „Sieg“ Muammar Gadhafis über die USA, die ihre Osterma-növer in der Großen Syrte vorzeitig abbrechen mußten.

Drinnen in der Stadt antiamerikanische Kundgebungen. Für die hier schon schwarze Bevölkerung allerdings mehr ein Volksfest als Ausbruch leidenschaftlichen Hasses wie im Norden bei den Nachkommen der Seeräuber von Bengasi. Neben Tuareg und Teb-bu, die in Fessans Steppen wohnen, sind die Städte und Oasen dieses libyschen Südens mehrheitlich von den Nachkommen der einstigen Negersklaven bewohnt. In Mursuk, 150 Kilometer südlich, sind es knappe 60 Jahre her, daß die letzte Sklavenkarawane aus Bornu durch das alte Stadttor wankte.

Wesentlich länger waren, sogar hier herunten, die Vereinigten Staaten präsent. Im Gefolge der ersten US-Flottenoperation gegen die Piraten der Barbaresken-staaten von Tripolis und Bengasi vor 200 Jahren wurde auch beim Bey von Fessan ein amerikanisches Konsulat eröffnet.

Die moderne Fessan-Metropole Sebha verdankt ihre Rolle unterirdischen Wasservorkommen und dem französischen General Leclerc. Bei seinem legendären Marsch vom Tschad-See ans Mittelmeer hatte er die damals noch kleine Oase 1943 erobert und wegen ihrer strategischen Lage stark befestigt. Das Fort von Sebha, auf dem jetzt abends in Glühlampenschrift „Gadhafi Besieger der Welt“ zu lesen ist, blieb bis 1951 ein Hauptstützpunkt der französischen Fremdenlegion.

Aber die Pläne von Paris, hier unter dem Marionettenregime von Bey Ahmed einen eigenen Protektoratsstaat aufzuziehen, scheiterten zugunsten eines unabhängigen und wiedervereinigten Libyen unter König Idris Al-Se-nussi. Die heutigen Machthaber im Revolutionsrat von Tripolis trauen den Völkern Süd-Libyens politisch nicht recht über den Weg.

Ihr einziger namhafter Vertreter in der Umgebung Gadhafis ist Ahmad Schehata, lange Generalsekretär der Einheitspartei „Arabische Sozialistische Union“ und heute eine Art Kabinettschef des Führers von Tripolis. Im gesamten technischen Spezialstab der libyschen Dschamahirja von Radio Tripolis bis zu den einheimischen

Erdöltechnikern stellen die aufgeweckten Schwarzen aus dem Fessan jedoch einen überdurchschnittlich hohen Anteil.

Wie sonst im vom ölpreisver-fall getroffenen, von Lebensmittelimporten abhängigen Libyen, sind auch in Sebha die Geschäfte leer. Im einzigen Hotel gibt es immerhin Brathuhn, das aber tagein, tagaus. Dabei ist die Umgebung von Sebha dank der Grundwasservorkommen, die hier bei der Suche nach Erdöl so nebenbei entdeckt wurden, landwirtschaftlich bestens entwickelt. Die intensive Schafzucht dient aber der Woll- und nicht der Fleischgewinnung.

In den Textilfabriken, die hier in den letzten 15 Jahren angesiedelt wurden, arbeiten hauptsächlich Gastarbeiter aus dem Tschad, Niger und Mali. Zu ihnen ist neuerdings ein starkes Kontingent aus den westlichen Hungergebieten des Sudan gestoßen.

Der Tageszeitung „Al-Fadschr Al-Gedid“ (Die neue Morgenröte) zufolge, die pünktlich mit der Abendmaschine der „Libyan Airways“ aus Tripolis eintrifft, liegt der eigentliche Sieg Gadhafis

über die Amerikaner jetzt schon weniger an der Syrtenküste wie im ganzen arabisch-afrikanischen Umfeld von Libyen. Ganz groß wird natürlich die gezielte Indiskretion der Ägypter herausgestellt, die drei Angebote Ronald Reagans für eine gemeinsame Militäraktion zum Sturz Gadhafis entrüstet zurückgewiesen haben sollen. Mit der Grundsatzerklärung, daß Kairo an keinem arabischen Bruderland zum Verräter werden könne.

Nicht minder große Schlagzeilen über den frischen Streit zwischen Washington und Khartum, wo noch dazu am Dienstag Neuwahlen beginnen. Präsident Reagan, der zur Zeit überall so eifrig Waffen verteilt, hatte dem hungernden Sudan genau auf Ostern die US-Wirtschaftshilfe um zwei Drittel gekürzt. Begründung: zu gute Beziehungen zwischen dem Militärrat in Khartum und dem Revolutionsrat von Tripolis.

Libyen zitiert jetzt triumphierend die scharfe Antwort des sudanesischen Verteidigungsministers Generalmajor Osman Abdallah Muhammad an Reagan und spekuliert auf einen Wahlsieg von Neutralisten und Kommunisten im Sudan. Auch auf die libysche Hilfe an die darbenden Nachbarn Sudan und Tschad wird groß hingewiesen. Daß Gadhafis „Relief-Flieger“ fast nur Waffen bringen, steht allerdings nicht einmal zwischen den Zeilen geschrieben.

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