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Es geht um Wasser, Baumwolle und — Leim

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Khartum, Anfang April 1952

„Blind es Sudan“… Land der Schwarzen.., ist die arabische Bezeichnung für den Sudan im weitesten Sinne. Ein Teil dieses riesigen Gebietes mit insgesamt etwa 45 Millionen Bewohnern ist der Ostsudan, das anglo-ägyptisdie Kondominium, um das seit Jahren der Streit zwischen London und Kairo entbrannt ist.

Die neue Geschichte des östlichen Sudan beginnt mit dem Jahre 1820, als Ägypten (damals noch ein Teil des otto- manischen Großreiches) seine ersten Expeditionen ins obere Niltal und an die Wasserläufe des Weißen und Blauen Nils ausrüstete. Die brutale türkisch-ägyptische Militärherrschaft führte sechzig Jahre später zu einem vom Oberhaupt der Derwische angeführten Aufstand, der 1885 das Gebiet von der ägyptischen Besetzung befreite und für dreizehn Jahre zur unumschränkten Herrschaft des Mehdi, des „Derwisch der Derwische“, führte. Die dauernden Derwischeinfälie in ägyptisches Gebiet machten endlich die militärische Intervention Lord Kitcheners notwendig. Nach dem Gemetzel von Omdurman, das die Derwische 11,000 Tote, 16.000 Verwundete und 4000 Gefangene kostete, bildete das britisch-ägyptische Abkommen von 1899, das, durch den Vertrag von 1936 von beiden Parteien bestätigt, für ein halbes Jahrhundert die Grundlage des sudanesischen Verwaltungssystems wurde. Dieses britisch - ägyptische Kondominiumstatut sicherte dem Sudan eine ruhige Entwicklungsperiode, deren segensreiche Wirkung heute in der wirtschaftlichen und sozialen Struktur sichtbar wird. Was man auch immer gegen die englische Kolonialpolitik einwenden mag: der anglo-ägyp- tische Sudan ist verwaltungstechnisch ein Mustergebilde, auf das die Briten mit Recht ungeheuer stolz sind und das die Sudanesen zu einem verantwortungsbewußten, tüchtigen Volk herangebildet hat.

Erziehung zur Selbständigkeit

Schon heute hat die Selbstverwaltung der Sudanesen einen hohen Grad erreicht: nur tausend britischen Verwaltungsbeamten stehen, neben1 tausend Ägyptern, dreitausend Sudanesen in verantwortungsvollen Ämtern zur Seite. Durch die gesetzgebende Versammlung und in der Regierung haben die Sudanesen haute ein entscheidendes Wort in der zivilen Verwaltung des Landes mitzureden. Der Generalgouverneur, der auf Empfehlung der britischen Regierung vom ägyptischen König ernannt wird und der formell die Funktion des Staatsoberhauptes ausübt, steht in zivilen Belangen unter der Kontrolle der sudanesischen Legislative und hat sich weitgehend nach deren Beschlüsse zu richten. Schon 1920 entschlossen sieh die Briten zu der Methode der „indirekten Herrschaft“. Im Laufe der Zeit besetzten sie —- häufig genug gegen die Wünsche und Proteste der Ägypter — niedere und hohe Verwaltungsposten durch einheimische Würdenträger und speziell geschulte Sudanesen aus allen Volksschichten, die in der Folge unter Aufsicht englischer Beamten zur demokratischen Verwaltung herangebildet wurden und schon nach kurzer Zeit zu verantwortungsvollen Ämtern in der Zentralverwaltung berufen werden konnten. Noch vor Ende des zweiten Weltkrieges, 1944, wurde der „Konsultative Rat gebildet, den vier Jahre später die erste sudanesische Verfassung in eine gesetzgebende Versammlung umwandelte, Inzwischen wurde auch eine Reihe vgn Ministerien durch fähige Sudanesen besetzt. Diese Versuche fielen so zufriedenstellend aus, daß der Generalgouverneur im vergangenen Jahre, noch bevor die ägyptische Sphinx rebellierte, eine Sonderkommission berief und diese mit dem Studium betraute, in welcher Weise eine Erweiterung der Verfassung und Selbstverwaltung durchgeführt werden könne. Die monatelange, fruchtbare Arbeit dieser Kommission wurde zwar durch die einseitige Kündigung des Kondominiumvertrages durch Ägypten gehemmt,’ führte aber nun doch zu einem neuen Verfassungsentwurf, der den Sudanesen eine wesentliche Erweiterung ihrer Rechte bringen, die praktisch die angestrebte Selbstverwaltung bedeuten und den Engländern lediglich noch eine beratende Stimme lassen würde. Auf. Grund dieses neuen Verfassungsentwurfes würde die oberste Landes- behörde durch den Generalgouverneur und einen sudanesischen Ministerrat gebildet. Der Ministerpräsident würde vom Abgeordnetenhaus frei gewählt, das zusammen mit einem fünfzigköpfigen Senat das Parlament bilden soll. Der Ministerrat, das heißt der von den Abgeordneten zu wählende Ministerpräsident und die von diesem zu ernennenden Mitarbeiter wären dem Parlament gegenüber für die Führung der Regierungsgeschäfte verantwortlich. Daß dieser neue Verfassungsentwurf im weiteren vorsieht: die Gleichberechtigung aller Bürger, die persönliche Freiheit, die Rede-, Presse-, Glaubens- und Versammlungsfreiheit, ist unter den gegebenen Verhältnissen beinahe eine Selbstverständlichkeit.

Ein blühendes Land

Wenn auch eine derartige weitherzige Verfassung noch eine Reihe ernsthafter Probleme offenläßt, so bedeutet sie trotzdem einen gewaltigen Schritt auf dem Wege zur absoluten Selbständigkeit und Souveränität des Sudan. Die Proklamation der ägyptischen Eingliederungs- ansprüche, denen die Sudanesen — abgesehen von der, trotz großen Lärmaufwan- des, nicht sehr einflußreichen Ashigga- Gruppe —- ablehnend gegenüberstehen, hat die fortschreitende Entwicklung im Sudan nicht zu hemmen vermocht, sondern vielmehr beschleunigt. Man kann die Sache wenden, wie man will: im Falle Sudan muß man den Weitblick des Foreign Office und der ihm unterstellten Beamten anerkennen. Der britischen Politik im Sudan ist es nicht nur gelungen, ein vollkommen unentwickeltes Gebiet zu einer beachtenswerten Blüte zu bringen und es zu einem wichtigen Faktor in der Weltwirtschaft zu machen, sondern auch die Bevölkerung in ihrer überwiegenden Mehrheit für sich zu gewinnen. Und beinahe als Wunder muß man die Tatsache werten, daß gerade die einst blutig geschlagenen Gegner unter Führung von Sayed Sir Abdel Rahman El Mahdi Pascha, der als religiöses Oberhaupt der Darwische gleichzeitig an der Spitze der Orpma-Partei steht, die zuverlässigste Stütze der britischen Politik bilden. Zwar fordert auch die Omma- Partei unbeschränkte Selbstverwaltung und Unabhängigkeit, aber sie lehnt jede Zusammenarbeit mit dem ägyptischen Nachbarn entschieden ab. Ihre Führer wissen sehr genau, daß eine weitere segensreiche Entwicklung für ihr Land nur von einer Zusammenarbeit mit den Briten, das heißt mit britischen Beratern, möglich ist, während ein Ausschalten des britischen Einflusses das Chaos zur Folge hätte und ein Zusammengehen mit Ägyptern das Ende des Unabhängigkeitstraumes bedeuten würde. Jeder, der sich die Mühe nimmt, die sudanesischen Verhältnisse zu studieren, wird sich, dieser Auffassung vorbehaltlos anschließen müssen.

Im Bewußtsein, daß dies in der Folge zum Abbau der eigenen Machtstellung führen würde, zielte die britische Politik seit langem unverkennbar darauf hin, den Sudan zu einem wirtschaftlich und politisch fortschrittlichen Staatswesen zu entwickeln und dieses zur Selbständigkeit zu erziehen. Dieses Ziel ist heute schon beinahe erreicht, wenn man von den noch stark zurückgebliebenen Südgebieten absieht. Im Mittelsudan wurde der Baumwollanbau .unter Einsatz gewaltiger Mittel zu einer Blüte gebracht, die es der Regierung erlaubt, einen großen Anteil der riesigen Gewinne für soziale Zwecke, Bau von Spitälern und Schulen, für großartige landwirtschaftliche Versuche, Bewässerungsanlagen, Energieversorgung und für den Ausbau des Straßennetzes einzusetzen. Nach dem 1904 eingeführten Kitchener-PIan fielen bisher 40 Prozent des Baumwollertrages den Pächtern zu, 40 Prozent wurden an die Regierung abgeführt und kamen auf diese Weise dem ganzen Lande zugute; 20 Prozent erhielten bis vor etwa eineinhalb Jahren die privaten Unternehmer, deren Kapitalinvestitionen die Entwicklung einer ertragreichen Baumwoll- anpflanzung erst ermöglichten. Heute ist die gesamte Baumwollproduktion verstaatlicht, und der frühere Anteil der privaten Unternehmer wird nun ebenfalls zur weiteren wirtschaftlichen Entwicklung, für soziale Zwecke usw. verwendet.

Ein nicht unwichtiger Faktor in der sudanesischen Wirtschaft bildet die Viehzudit, die von der Regierung euch durch die erfolgreiche Bekämpfung der Rinderpest mächtig gefördert wurde. An die hunderttausend Stück Vieh wurden im vergangenen Jahre exportiert, und für die Verarbeitung des Produktionsüberschusses wurde vor kurzem die erste leistungsfähige Konservenfabrik in Kosti in Betrieb genommen.

Die durch die ungeheuren Distanzen bedingten hohen Transportkosten lassen seit langem das Problem der Industrially sierung in den Vordergrund treten. So ging man schon vor Jahren daran, einen Teil der Baumwollernten in neuerbauten Fabriken, Spinnereien, Webereien, Färbereien und Stoffdruckereien zu verarbeiten. Aus der gleichen Erkenntnis heraus entstanden in letzter Zeit eine Reihe von Industriewerken zur Verarbeitung von Pflanzenfetten, Seifenfabriken, Sägereien und vor allem auch — Leimfabriken. Der Sudan ist heute nicht nur einer der größten Baumwollprodu- zenten der Welt, sondern deckt auch 70 Prozent des Weltbedarfs an Gummiarabikum! etwa 20.000 Tonnen Leim aus der Provinz Kordofan finden jährlich den Weg in alle Welt. Und darüber hinaus erzeugt der Sudan auf weiten fruchtbaren Flächen einen Großteil des täglichen Brotes des Afrikaners; Hirse.

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