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Randbemerkungen ZUR WOCHE

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EIN SCHWARZER TAG in der Geschichte unserer Republik hat sich in dieser Woche gejährt. Vor bald zwei Jahrzehnten, am 12. Februar 1934, erhoben Österreicher gegen Österreicher die Waffen. Unseligster aller Kriege, Bürgerkrieg! Seine Wunden heilten nur sehr langsam und sehr schwer. Nicht einmal die hunderte und tausende Opfer der großen Weltkatastrophe haben sie vergessen lassen. Sie drohen aufzubrechen, wenn immer achtlose und mutwillige Hände sie berühren. Und dies geschah oft — zu oft, als diesem Land gut ist — in den letzten Tagen, Wochen und Monaten. Merkwürdig: Andere Völker bemühen sich, das Andenken von Sternstunden ihrer Geschichte hochzuhalten. Sie streichen jene Tage im Kalender an, die einmal hohe Zeiten nationaler Einmütigkeit und Festigkeit sahen. Anders wir Österreicher. In unserem Sechsmillionenvolk an der großen Scheidelinie der Weltpolitik bemüht man sich mit Fleiß, Gegensätze von tinst zu kultivieren, Barrikaden, auf denen vor achtzehn Jahren Menschen starben, nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Nein, man soll an jenem Schicksalsdatum nicht achtlos vorübergehen. Das Gedenken aber trage ein positives, nicht ein negatives Vorzeichen. Es sei der Einkehr und Besinnung gewidmet. Warum geschah das Schreckliche? Was kann getan jerden, was muß unterlassen werden, daß es nie wieder einen 12. Februar in der österreichischen Geschichte gibt? Welcher Finger sich vor achtzehn Jahren zuerst im Hotel Schiff in Linz am Abzug eines Karabiners krümmte, ist heute nicht mehr von Belang. Die Spuren aber sollen schrecken. Sie sollen erschrecken und abschrecken. Alle jene, die das Gebot staatspolitischer Klugheit und bitterer Erfahrung mißachten und hochexplosives Pulver — es stammt übrigens aus den alten Magazinen — auf die Straße und an Orte tragen, an denen es vor unbefugten Zugriff nicht sicher ist. Dabei wissen wir doch alle, daß es unter uns Kräfte gibt, die ihre Ziele — wenn je — nttr auf Zwietracht und allgemeiner Verwirrung erstehen sehen. Man erkenne diese Gefahren — und handle danach. Die Bewahrung unseres Landes und Volkes: das ist es, wozu uns die Toten, die vor achtzehn Jahren diesseits und jenseits der Barrikaden fielen, verpflichten. Die, deren letztes Wort „Freiheit“ war, genau so toie jene, die mit dem Ruf „Österreich“ in den Tod gingen.

„DIE BUDGETÄRE LAGE IST ÄUSSERST ERNST“, spricht das^ßundesministerium für Finanzen in einem, im „Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung“ vom 4. Jänner dieses Jahres publizierten Erlaß die ihm untergeordneten Instanzen an und fährt fort: „Sie zwingt zu einschneidenden Ersparungen bei den vorgesehenen Krediten. Weiter sind aus dem Vorjahr bedeutende Anweisungsrückständb vorhanden, zu deren Begleichung mangels einer anderen Art der Bedeckung Kredite der laufenden Gebarung 1952 herangezogen werden müssen, die durch Rückstellung von für 1952 veranschlagten Ausgaben aufzubringen sein ‘werden.“ Der Erlaß sagt an anderer Stelle weiter: „… die beabsichtigte Reform der Gütertarife wurde nicht durchgeführt und verfügt, vorläufig müssen mindestens 50 Prozent der Investitionskredite mit Ausnahme jener für die Elektrifizierung der Bundesbahnen gebunden werden.“ Das sind wahrhaftig ernste Tatsachen und die Notwendigkeit drastischer Maßnahmen ist nicht zu verkennen. „Der Staatshaushalt ist 1951 bereits sozusagen auf Vorschuß geführt worden“, bemerkt hiezu der „österreichische Volkswirt“ richtig. Die Investitionstätigkeit des Bundes muß demnach heuer einschneidend gedrosselt werden, was den Beschäftigungsgrad und die Beschäftigtenzahl in Industrie und Gewerbe nachteilig beeinflussen dürfte. Denn bekanntlich sollte durch die Erhöhung der Bahntarife allein 1 Milliarde Schilling aufgebracht werden, die nun mit den Rückständen aus 1951 und einem vermutbaren Abgang im laufenden Jahr durch Ersparungen und wohl wieder Antizipationen hereingebracht werden müssen. Ja, die „budgetäre Lage ist äußerst ernst“ und eine Reihe von Fragen drängt sich auf: War nicht die Kürzung der Marshall-Hilfe und die dadurch bewirkte Minderung der Counterpartmittel längst angekündigt und vorausgesehen? Durfte man nicht mit ausreichender Gewißheit annehmen, daß im Zeichen der dringendst gebotenen Preissenkungen durch eine Erhöhung der Gütertarife eine neue Teuerungslawine ausgelöst würde? Hatten nicht seit Jahr und Tag die deutlichsten Anzeichen auf die Notwendigkeit einer einschneidenden Reduktion des Staatsapparats und der Staatsausgaben hingewiesen? Konnten Probleme i on so tiefgreifender Auswirkung von den gesetzgebenden Körperschaften und der Staatsleitung so lange dilatorisch behandelt werden? Denn daran konnte doch niemand zweifeln, daß man eine Auswirkung der nun endlich ernsthaft geplanten Reformmaßnahmen — mit budgetärem Zeitmaß gemessen — erst nach geraumer Zeit werde erwarten dürfen. Warum wurde der Lauda- Plan, heute schon fast vergessen, eingesargt und begraben? Der Worte wurden leider viel zu viele gewechselt und die Taten, die wir nun endlich zu sehen bekommen sollen, wären besser früher geschehen.

EIN BRUDERZWIST IM ÖSTERREICHISCHEN HAUS des Weltkommunismus ist zu bemz,ken. Dieses Haus ist nämlich sehr geräumig geworden; es zählt heute verschiedene Etagen und Stockwerke und deshalb auch verschiedene Bewohner — Bewohner verschiedener Herkunft. Schon seit geraumer Zeit wird auf höheren Befehl nicht mehr ausschließlich die „antifaschistische“ Karte gespielt. So wie bekannte Gruppen bereitstehen, die ausersehen sind, nach ostdeutschem Vorbild Sozialisten und „Bürgerliche“ in scheindemokratischen Parteien aufzufangen, so gibt es auch einen Magnet für das „nationale“ Lager, genannt „Nationale Liga“. Zwischen dieser, die ehemalige Nationalsozialisten für die „Ostlösung“ gewinnen soll, und den kommuni- Zwischen KZ-lern ist es nun zur offenen und öffentlichen Fehde gekommen. In den Spalten des „Mahnrufs“ fand diese einen journalistischen Niederschlag Man kann gespannt sein, auf welcher Seite die stärkeren Bataillone der Kominform stehen.

DURCH DAS ABLEBEN KÖNIG GEORGS VI. ist die Aufmerksamkeit der Welt wieder einmal auf eine Institution gelenkt worden, die über den weitgespannten britischen Einflußbereich hinaus wirksam ist. Die Tatsache, daß durch das einigende Band der Krone 613 Millionen Menschen aller Rassen, Religionen und Erdteile in eine Gemeinschaft zusammengefaßt sind, der eine wesentr lieh beharrende Neigung innewohnt, ist für die gesamte Weltpolitik ein Element der Stabilität. Der britische Souverän ist ,nicht nur Träger der bedeutendsten unter den sechs europäischen Königskronen, er ist das Symbol seines Reiches, ein Garant eines ausglAchenden Fortschritts im internationalen Kräftespiel, der Wahrer der Überparteilichkeit und des Gleichmaßes in den seinem Szepter untergebenen Ländern. In ihm verkörpert sich das Bewußtsein der Nation, sein Wesen ist die Inkarnation typisch britischer Eigenschaften, in deren Spiegel sich der einzelne Engländer wiedererkennt. Dies erklärt das Gefühl, mit dem, ohne Unterschied von Stand und Partei, jeder Engländer auf die Krone blickt — in einem Lande ältester demokratischer Freiheiten eine rein rational kaum deutbare Erscheinung. Wie eng immer die staatsrechtlichen Befugnisse des Königs gezogen sein mögen — seit 1707 hat kein britischer Monarch einem Beschluß des Pärlaments seine Zustimmung versagt —, der moralische. Immanente Einfluß des Souveräns ist eine der großen moralischen Kräfte, die das Imperium tragen. England, das die Herrscherzeit der Königin Elisabeth wie jene der Königin Viktoria zu den eindrucksvollsten Epochen seines Aufstieges zählt, schickt sich an, auf seine junge Herrscherin die Gefühle seiner monarchischen Loyalität wie die Hoffnungen auf eine neue Blüte des Empire zu übertragen.

ZUM ZERREISSEN GESPANNT war vor kurzem noch die Lage in Ägypten. Die Plänkeleien am Suezkanal ivaren in offene Kampfhandlungen übergegangen, die nationalistische Menge hatte in Kairo Ausschreitungen begangen, die dieser Stadt das Aussehen einer gestürmten Festung verliehen. In diesem Augenblick, da der Friede im Nahen Osten bereits verloren schien, griff König Faruk ein, Er entließ das Kabinett Nahas Pascha und verlieh dem gemäßigteren Ali Mäher Pascha umfassende Vollmachten. Die Aufgabe des neuen ägyptischen Premierministers ist nicht leicht. Immerhin konnte er durch Verkündigung des mNotstandes“ das überwiegend wafdistische Parlament vorerst auf verfassungsmäßigem Wege ausschalten und nach Beruhigung der Leidenschaften Neuwahlen ausschreiben. Mäher Pascha hat inzwischen auch erklärt, Ägypten werde dem Nahostverteidigungssystem beitreten, in dem Großbritannien naturgemäß eine gewichtige Rolle zufällt. Er hat dadurch seine Bereitschaft, mit England zusammenzuarbeiten, kundgetan. Und es ist sicher, daß dieses das Möglichste tun wird, den für beide Teile gefährlichen Konflikt durch materielles und formales Entgegenkommen aus der Welt zu schaffen. Es ist auch gar nicht ausgeschlossen, daß Großbritannien für ägyptische Konzessionen in der Suezkanalfrage gewisse Zugeständnisse im Sudan zu bieten bereit sein wird.

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