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Afrikas Riese fällt in Scherben

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Erst jetzt sind durch die Enthüllungen von Staatschef Suwar al-Dahab der ägyptischen Agentur MENA gegenüber die wahren Dimensionen des jüngsten Militärputsches im Sudan bekannt geworden.

Die allzu engen Bande zwischen Dahab und Gaddafi hatten von Reagan bis Mubarak bei den langjährigen westlichen und arabischen Partnern des Sudan größte Besorgnis ausgelöst.

Inzwischen scheint man jedoch in Khartum erkannt zu haben, daß Libyens Möglichkeiten weit hinter seinen großsprecherischen

Worten zurückbleiben. Sowohl was den Einfluß von Tripolis auf die Rebellen im Südsudan wie seine Zusagen für die Meisterung der sudanesischen Nahrungsmittel-und Energieverknappung angeht.

Wie bisher alle Staatschefs der 1956 unabhängig gewordenen demokratischen Republik Sudan hat sich daher General Dahab jetzt nach langem Zögern jenem Nachbarn zugewandt, ohne den Khartum bei allen Emotionen und Rivalitäten einfach auf keinen grünen Zweig kommen kann: Ägypten.

Damit ist vorderhand noch keine spektakuläre Abkehr von der libyschen Dschamahirija verbunden. Durch die Blume haben die Sudanesen Gaddafi allerdings auch schon wissen lassen, daß er sich seine Ambitionen am Oberen Nil und Roten Meer aus dem Kopf schlagen kann.

Beim Eintreffen des neuen algerischen Botschafters Anfang Oktober in Khartum wurden dort Gaddafis, nach Mubarak und Bourguiba, erklärtestem Widersacher, Präsident Schasli Ben Dschedid von Algier, solche Avancen gemacht, daß sich Tripolis ausrechnen kann, wie sehr seine sudanesischen Aktien über

Nacht gefallen sind.

Bei Suwar al-Dahabs überraschender Vorsprache im Uruba-Palast von Mubarak bei Kairo wurde offen ausgesprochen, daß alle Probleme, die nach sechzehnjähriger Alleinherrschaft zum Sturz Numeiris geführt hatten, heute weiter denn je von einer Lösung entfernt sind.

Vor allem gilt das für den Aufstand im Süden, der längst keine separatistische Lokalfrage der christlichen und animistischen Schwarzen in den drei Provinzen Oberer Nil, Bahr al-Gasal und Äquatoria mehr jst.

Rebellenführer John Garang hat die Einschätzung, er sei nur von den Libyern gegen Numeiri hochgespielt worden, voll widerlegt und seine Guerilla-Aktionen nach dem kurzlebigen Militärpakt zwischen Khartum und Tripolis erst recht auf Touren gebracht.

Der Umsturzversuch vom 26. September in der Hauptstadt selbst zeigte dann, daß seine Vision eines übernationalen und überkonfessionellen, Sozialrevolutionären und blockfrei-moskaufreundlichen Sudan auch im arabisch-islamischen Norden gewaltig an Boden gewonnen hat.

Das beweist aber, wie wenig General Dahab durch seine Kehrtwendung an die Seite Ägyptens auf die Dauer zu retten vermag.

Kairo, dem wirtschaftlich das Wasser selber an den Hals steht, kann dem armen Bruder in Khartum noch weniger konkrete Uberlebenshilfe leisten als im letzten halben Jahr das bei aller Auslandsverschuldung doch wesentlich liquidere Libyen.

Die sudanesische Misere ist schon ein Faß ohne Boden geworden. Auch die massive Wirtschaftshilfe des Westens könnte gegen diese nichts ausrichten.

Jene Kräfte im Sudan, die den Umschwung vom April ausgelöst hatten und sich dann durch die Machtergreifung von Dahab auf halbem Weg gebremst sahen, sind jetzt am allerwenigsten bereit, seinen Canossa-Gang zu Mubarak nachzuvollziehen.

Zu einem Mubarak, der den sudanesischen Auslieferungsantrag für Gafaar-al-Numeiri in den Wind schlug und den in Khartum wegen Milliardenkorruption angeklagten Nasser-Schüler von einst aus seinem bisherigen Kairoer Exil entwischen ließ.

Ausweglose Lage

Alle diese oppositionellen und revolutionären Bewegungen, die Dahab jetzt in Bausch und Bogen als Kommunisten zu diskreditieren versucht, haben auf die Neuauflage der alten, gemeinsamen Nationalhymne „Masr wa Sudan — Ägypten und Sudan“ aus der Faruk-Zeit mit Vehemenz reagiert.

Unter Führung der Gewerkschaften zogen Tausende Demonstranten durch die Straßen der sudanesischen Hauptstadt, verbrannten die ägyptische Trikolore und forderten in Sprechchören ein sofortiges Ende der Kairoer Vormundschaft über den Sudan. Mit anderen Worten eine fristlose Kündigung der „Niltal-Verteidigungsgemeinschaft“ aus dem Jahre 1976 und des Integrationsabkommens mit Mubarak von 1982.

Besonders wild waren die Auslassungen gegen die seit dem Vorjahr in sudanesischen Schlüsselgarnisonen stationierten ägyptischen Truppen.

Wenigstens in diesem Punkt konnte Suwar al-Dahab seinem murrenden Volk eine beschwichtigende Botschaft mit nach Hause bringen: Die Rückberufung seiner Einheiten durch Ägypten.

Nach der Enttäuschung mit Libyen und dem parallelen Mißerfolg aller Bemühungen um einen Tauschhandel mit den Äthiopiern, bei dem diese die „Sudanesische Vplksrevolutions-Armee“ (SPLA) Garangs ebenso fallenlassen sollten wie der Sudan seine Unterstützung für die Aufständischen in Eritrea und Tigre einstellen, bleibt General Dahab auch kein anderer Weg als die Wiederannäherung an Ägypten, so unpopulär diese auch sein mag.

Der Alternative eines vollen Einschwenkens von Khartum ins afrikanische Satelliten-Lager der Sowjets gegenüber sitzt er damit allerdings im selben Boot wie vor sechs Monaten Numeiri.

Bei seinen Gesprächen in Kairo hatten dementsprechend die Sicherheit und Machterhaltung seines Regimes absoluten Vorrang vor vitalen Themen des Landes wie Hungerbekämpfung, wirtschaftlicher Stabilisierung oder einem Abbau des von seinem Vorgänger geschaffenen islamistischen Zwangssystem.

Gerade letzteres ist für die schwarzen Christen des Südens genauso unannehmbar wie für alle säkulärf ortschrittlichen Kräfte des arabisierten Nordens. Khar-tums Kehrtwendung Richtung Ägypten kann den Niedergang des Sudan nicht aufhalten.

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