Auf der Zielgeraden in den nächsten Krieg

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Wenn von einem Konflikt im Sudan die Rede ist, dann von den Unruhen in Darfur. Der 2005 beendete 22-jährige Bürgerkrieg zwischen Nord- und Südsudan scheint vergessen. Leider, denn der Friede ist brüchig. 2011 stimmt der Süden über seine Unabhängigkeit ab. Damit steigt die Kriegsgefahr, denn die Region ist zwar arm, besitzt aber riesige Erdölvorräte.

Kriegstrommeln sind bekannt, aber gibt es auch Friedenstrommeln? Ja, zumindest seit vergangenem Wochenende wird für den Frieden im Sudan getrommelt – weltweit. Der 9. Jänner war Aktionstag für Friedenstrommler in London, Tokio, Sydney, Rio de Janeiro, Kairo, Paris, Dubai, Belfast, Moskau, New Delhi, Mexico City …

Der 9. Jänner ist der fünfte Jahrestag des Friedensabkommens zwischen dem Nord- und Südsudan, der 2005 einen 22 Jahre lang dauernden Bürgerkrieg zwischen dem überwiegend muslimisch-arabischen Norden und dem vor allem von christlichen und animistischen Schwarzafrikanern bewohnten Süden des Landes beendete. Am 9. Jänner ist aber auch der Countdown für das in einem Jahr geplante Referendum gestartet, in dem die Bevölkerung des Südsudan entscheiden darf, ob sie im Verbund mit dem Nordsudan bleiben, oder eigenständig werden will. „Sudan 365 – a beat for peace“ werden deswegen auch die Friedenstrommeln genannt. 365 Tage soll die Weltgemeinschaft wachgetrommelt werden, damit sie nicht Ohren und Augen vor einem drohenden nächsten Krieg im Sudan verschließt.

Stammeskonflikte – wer schürt?

Vergangene Woche rührten deswegen auch zehn in der Region aktive Hilfsorganisationen die Medientrommel, um vor einem neuen Krieg im Südsudan zu warnen. Die Region drohe erneut in Gewalt und politischen Spannungen zu versinken, heißt es in dem Bericht.

Wie berechtigt die Warnung der Hilfsorganisationen ist, zeigte ein zeitgleich mit den weltweiten Friedenstrommeln am Wochenende ausgetragener Stammeskonflikt im Südsudan. 139 Menschen wurden getötet, 54 Menschen verletzt. Der stellvertretende Gouverneur des Bundesstaats Warrap sagte der Nachrichtenagentur Reuters, Kämpfer der Volksgruppe der Nuer hätten Angehörige des Dinka-Volkes angegriffen. Die Nuer hätten Rinderhirten überfallen und 5000 Tiere erbeutet.

Stammeskonflikte und Viehdiebstähle hat es in der Region immer gegeben, wird es auch in Zukunft geben. Was ist daran so ungewöhnlich, so neu, dass der Weltsicherheitsrat angerufen wird?

Für viele Sudanexperten geht es bei diesen Auseinandersetzungen nicht primär um Ethnie oder Viehbesitz. Vielmehr wird der Regierung in der Hauptstadt Khartum vorgeworfen, auf diese Weise einen neuen Bürgerkrieg zu schüren, um die kommenden Wahlen im April zu beeinflussen und das Referendum im nächsten Jahr zu verhindern. Die International Herald Tribune berichtete unlängst und zu dieser Theorie passend von einer beispiellosen Aufrüstung im Südsudan. Clans würden mit Waffen versorgt, so der Verdacht, um die Region zu destabilisieren.

Erzbischof Daniel Deng Bul Yak, einer der wichtigsten Bischöfe der Episkopalisten im Südsudan, sprach im Radiosender BBC von „gezielten Versuchen“, im teilweise autonomen Südsudan vor den anstehenden Wahlen für Unruhe zu sorgen. Wenn nichts unternommen werde, die Konflikte um Vieh und Weideland zu beenden, so der Bischof, sei das Friedensabkommen von 2005 in Gefahr.

Fakt ist, dass im Laufe des letzten Jahres diese Stammeskonflikte immer mehr zugenommen haben. Rund 2500 Menschen sind 2009 dabei umgekommen, 350.000 wurden vertrieben. Das sind mehr Tote, als es im Vergleichzeitraum in der westsudanesischen Krisenregion Darfur gegeben hat – trotzdem bleibt das internationale Interesse am Südsudan gering.

Haager Anklage als Kriegstreiber?

Für Spannungen sorgen auch die für April dieses Jahres geplanten Präsidenten- und Parlamentswahlen – trotz vieler Einschränkungen der erste quasi-demokratische Wahlgang in Nord- und Südsudan seit 25 Jahren. Wie sehr auch der Staatsführung an einem demokratischen Erscheinungsbild gelegen ist, zeigt der Rücktritt des seit mehr als zwanzig Jahren regierenden Staatschefs Omar Hassan al-Bashir von seinen militärischen Funktionen. Damit erfüllt er auch formell die Voraussetzungen für eine Wiederwahl.

Im März letzten Jahres hat der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag gegen den 66-jährigen Bashir einen Haftbefehl wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Darfur erlassen. Die Vetomacht China verhinderte jedoch eine Verurteilung des Regimes, die Afrikanische Union und die Arabische Liga stärkten Bashir den Rücken. Die Regierung in der Hauptstadt Khartum sieht die Kriegstreiber nicht in ihren Reihen, sondern vielmehr in Den Haag sitzen. Für Mahdi Ibrahim, Vorsitzender im außenpolitischen Ausschuss des sudanesischen Parlaments, ist die Haager Anklage gegen Präsident Bashir „eine unverantwortliche Gefährdung des Friedensprozesses“ (siehe Beitrag unten).

Erdölverteilung heizt Konflikt an

Die warnenden Trommeln sind berechtigt, die nächsten Monate entscheidend, sagen Sudan-Experten. Laut Paul Valentin von der kirchlichen Hilfsorganisation „Christian Aid“ sind nachhaltige diplomatische Bemühungen der internationalen Gemeinschaft dringend nötig. Und Maya Mailer von „Oxfam“ erklärte, noch sei es „nicht zu spät, ein Desaster zu verhindern“. Doch wenn die Gewalt eskaliert, drohe 2010 im Südsudan „einer der größten Katastrophenfälle in Afrika“.

Ein Anlass für den Ausbruch des Bürgerkrieges zwischen Nord und Süd 1983 war die Einführung der islamischen Rechtssprechung auch im mehrheitlich von Christen und Animisten bewohnten Süden. Der Religionskonflikt überlagerte oft die wirtschaftlichen Konfliktlinien. Im Südsudan lagern jedoch riesige Erdölvorkommen. Nach einer Abspaltung per Referendum müsste Khartum enorme Einkommenseinbußen hinnehmen. Schon jetzt mangelt es an Transparenz bei der Teilung der Erdöleinkünfte zwischen dem Norden und dem Süden. Khartum gibt weniger als im Friedensabkommen vereinbart an den Süden, heißt es in einer „Global Witness“-Studie. „Beide Seiten müssen in der Lage sein, den Wahrheitsgehalt der Angaben zu überprüfen, damit fair geteilt wird“, fordert Studienautorin Rosie Sharpe. „Im Sudan ist das derzeit nicht der Fall, und das schürt Misstrauen auf beiden Seiten“ – und die Kriegsgefahr.

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