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Islamische Brüderlichkeit -ein Mythos

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Der Kampf zwischen Arabern und Schwarzafrikanern zerstört endgültig den Mythos vom einigenden Band des Islam. Das schadet dem Image einer angeblich antikolonialen Religion.

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Der Kampf zwischen Arabern und Schwarzafrikanern zerstört endgültig den Mythos vom einigenden Band des Islam. Das schadet dem Image einer angeblich antikolonialen Religion.

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Li Afrika erweist es sich, daß Rasseogemeinschaft eine stärkere Kraft ist als Religionszugehörigkeit, zumal wenn Rassengemeinschaft und bedrohter Lebensraum identisch werden.

Die beiden Nachbarstaaten Mauretanien und Senegal (FURCHE 23/ 1989) haben zu manchen Epochen ihrer Geschichte eine politische Einheit gebildet, die Bevölkenm-gen sind eng miteinander verflochten. Die geschichtliche Entwicklung ist gekennzeichnet durch allmähliches Vordringen der weißen Mauren (Araber imd Berber) gen Süden.

Die französisch ausgebildete schwarze Bevölkerung entlang des Grenzflusses Senegal wurde diskriminiert, bis schließUch eine ,rAfri-kanische Befreiungsfront Mauretaniens“ (FLAM) entstand, deren verfolgte MitgUeder bei den Verwandten im südUchen Nachbarland Se-, negal Zuflucht fanden.

Das führte heuer zu den blutigen Ausschreitungengegen Mauretanier im Senegal, denen ähnliche Massaker an Senegalesen in Mauretanien folgten. Beide Regierungen sprachen sogar von der MögUchkeit eines Krieges.

Beachtenswert dabei ist, daß es sich ^xm moslemische Völker handelt, beide Simniten derselben ma-lekitischen Richtung in ein und derselben religiösen Tradition- sieht man von der christUchen Minder^ heit (etwa zehn Prozent) im Senegal ab. Noch bewegender war die Tatsache, daß das Morden und Brandschatzen im islamischen Fastenmonat Ramadan stattfand, der als ein Monat der Versöhnung begangen wird-

Einige Wochen später kam es in der westsudanesischen Provinz Darfur zu heftigen Zusammenstößen zwischen arabischen Nomadenstämmen der Salamat und Rizeigat, die zum Zeil aus dem !D3chad hinüberdrangen, und den schwarzafrikanischen Fur, den bodenstämmigen Einwohnern (FURCHE 25/ 1989). Bei einem diese Zusammen^ Stöße gab es 452 Tote. Wieder waren beide Parteien Moslems.

Die Kämpf e mit denmoslemischen Fur zeigten, daß es sich nicht um einen Religionskrieg, sopdem um einen Rassenkonflikt handelt Der Sudan, gerade im Begriff, den Bürgerkrieg zwischen Nord und Süd beizulegen, sah sich n\m vor einen neuen Bürgerkrieg in einem anderen Landesteil gestellt.

£B handelt sich um das Aufflammen eines uralten Konflikts, der auf die Ausbreitxmg der Sahara zurückzuführen ist. Das Vorrücken der Wüste gegen Süden drängt die hellhäutigen Nomaden in die noch grünenden Gebiete der Schwarzen, ein Prozeß, der wohl schon seit Jalu> lausenden anhält. Die gegenwärtigen Kämpfe Bind eine Folgeerscheinung der Safael-Katastrophe, die seit einigen Jahren die Nomaden zur Au^abe ihres Lebensraumes am Rande der Sahara zwingt.

Eine Völkerwanderung hat auch in Richtung Norden, in die jeweiU-gen Haxq>t8tädte, eingesetzt. Dadurch sind viele Schwarze aus dem SüdennachNouakdiottgelangt,di9

im Norden gelegene Hauptstadt Mauretaniens. In Khartum wird bald die Hälfte der Bevölkerung aus Südsudanesen bestehen. Vor Krieg und Hunger flüchten die Menschen auch in die Hauptstadt im Norden. Dort fürchten sich die arabisierten Nordsudanesen seit Jahren schon vor einer Nacht der langen Messer.

Sprechen die Schwarzen von arabischem Sklavenhaltertimi, werfen ihnen die Weißen „Negerrassismus“ vor. Dabei ist die Frage der Farbe hier eine sehr komplizierte. Viele Mauren sind genauso schwarz wie die Senegalesen, mit denen sie sich seit Jahrhunderten vermischt haben. Bei der kürzlich erfolgten ,3epatriierung“ war oft der Aus-

weis entscheidender als das Aussehen. Wie sollte es auch anders sein?

Ein hoher Diplomat Mauretaniens, Botschafter Seck, gehört beispielsweise einerG^ßfamiHe an, die sich von Mauretanien über Senegal bis nach Guinea Bissau erstreckt. SchUeßlich haben wir es hier mit künstlichen Grenzen zu tun, die von den Kolonialmächten auf dem Reißbrett gezogen wurden.

Alu einsudanesischer Qffizierzum Konunandanten einer Stadt im Süden ernannt wurde und der Bevölkerung beruhigend versicherte, er sei Südsudanese, wollte man ihm nicht glauben. Daraufhin zeigte er der stammenden Menge lachend seine schwarzen Haiidflächen. Bei einigen der nilotischen Stämme im Süden sind nämlich auch die Innenflächen der Hände schwarz, oft einziges halbwegs verläßüches Unter-scheidimgsmei^mal; denn viele Nordsudanesen sind ansonsten schwärzer als manche Afrikaner in südlichen Ländern.

blanche sehen eine Stärke des Azabertums darin, daß es Menschen verschiedenster Rassenherkunft integriere und ihneneineneue Iden^ tität gebe, sofern sie sich der arabischen Sprachgemeinschaft anschhe-ßen. Gerade das aber reizt viele Afrikaner: „Warum sollen wir uns kulturell und sprachlich verändern? Wozu brauchen wir eine neue Identität? Wenn schon Identitätsbetonung, wanun daim nicht Negritu-de? Laßtims lieber noch mehr Neger sein als wenigerl “Außerdem ist es mit der Integration schwarzer Araber nicht so weit her, wie von arabischer Seite gern vorgegeben wird.

Afrikanische Studenten in arabischen Staaten klagen über Rassismus, und zwar gerade in Kairo. Besonders schwer zu schaffen macht das den sogenannten Black Muslims, Schwarzafrikanem, die zum Islam konvertierten, weil sie meinten, dort gäbe es keine Rassendiskriminierung. Selbst im vergleichsweise afrikanerfreundhchenMarok-ko kam es zu einer Schlägerei unter Studenten, ausgerechnet an der berühmten theologischen Hochschule von Fes.

Sicher lassen sich auch zahlreiche Beispiele für ein positives Verhältnis von Nordafrikanem und Schwarzafrikanem anführen. Die heute überwiegend braunen Marokkaner sind teilweise das Ergebnis einer Mischung von weißen Berbern und Schwarzafrikanem, einer Mi-schtmg, die bisweilen systematisch betrieben wurde, weil frühere Hen> scher sich für ein bestimmtes Braun - die Hautfarbe birgi - als Schönheitsidealbegeisterten. Nur sind die unabhängigen Afrikaner von heute nicht der Meinung, dmxh Verbindung mit Arabern oder Berbern eine neue Hautfarbe kreieren zu müssen.

Im Sudan geht es ohnehin nicht um die Hautfarbe. Dort ist der „Neger“ ein Wilder, der in insektenverseuchten Wäldemund Sümpfen haust. Vielleicht haben die arabisierten Nordsudanesen gerade deshalb ein solch starkes Abhebebedürfnis, weil viele von ihnen selbst so dunkel sind imd von den helleren Ägyptern nicht so recht als ebenbürtig angesehen werden.

Außerdem gibt es da die psychische Hinterlassenschaft der Sklavenhalterzeit. Viele Nordsudanesen sind die Nachkommen freigelassener und arabisierter Sklaven aus dem Süden, möchten das aber lücht wahrhaben. Als der Sudan \mab-hängig wurde, mußte eine Verordnimg erlassen werden, die denNord-sudanesen verbietet, die Südsudanesen alsAbid (Sklaven) zu bezeichnen.

In Mauretanien ist die Sklaverei erst 1980 abgeschafft worden, besteht in der Praxis jedoch weiter. Die Sklaven werden oft zu Familienmitgliedern. Dadurch wir^ die Hautfarbe vcm Generation zu Generation dunkler, \md nun fürchten die vom arabischen Nationalismus syrischer oder irakischer Prägimg erfaßten Mauren plötzhch um ihre Identität als „Araber“ und treffen Vorsorge, das Land weiß zu halten.

Dagegen richtet sich der Zorn der Senegalesen, deren Verwandte auf der Nordseite des Flusses über zunehmende Benachteiligung im öf-fenthchen Dienst klagen. Die mauretanische Militärdiktatur ist durch die Ausschreitungen vom April nicht etwa zum Einlenken veranlaßt worden, sondern intensiviert noch ihre „Entschwäizung“ des Staatsapparates.

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