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Report vom unbekannten Krieg

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Als in einem 48-Stunden-Putsch Gaafar Mohammed Numeiri zuerst abgesetzt und dann wieder eingesetzt wurde, blickte die Weltöffentlichkeit auf den Sudan, Afrikas flächengrößten Staat. Numeiri stellte seine KP vor Sondergerichte — aber auch den deutschen Söldnerführer Steiner, der den Kampf des (schwarzen) Südsudan gegen den (islamischen) Norden organisierte. Und während Numeiri wieder fest im Sattel sitzt, geht der Krieg im Busch weiter. Unser Autor gehört zu den wenigen Weißen, die bei den aufsässigen Schwarzen am Oberlauf des Nil waren.

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Als in einem 48-Stunden-Putsch Gaafar Mohammed Numeiri zuerst abgesetzt und dann wieder eingesetzt wurde, blickte die Weltöffentlichkeit auf den Sudan, Afrikas flächengrößten Staat. Numeiri stellte seine KP vor Sondergerichte — aber auch den deutschen Söldnerführer Steiner, der den Kampf des (schwarzen) Südsudan gegen den (islamischen) Norden organisierte. Und während Numeiri wieder fest im Sattel sitzt, geht der Krieg im Busch weiter. Unser Autor gehört zu den wenigen Weißen, die bei den aufsässigen Schwarzen am Oberlauf des Nil waren.

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Die Sudanesen lieben es nicht, wenn Ausländer in ihre Probleme sehen möchten — wegen des guten Rufes. Dreihundert weiße Missionäre wurden 1964 vom Diktator General Abbud des Landes verwiesen; nicht nur, weil sie die schwarze Bevölkerung im Süden „aufhetzten“, sondern auch mit ihren Berichten die Weltöffentlichkeit auf den Konflikt im Süsudan lenkten. So war es nicht erstaunlich, daß nur ungenaue Angaben über diesen Bürgerkrieg Vorlagen. Heute gehören die drei Provinzen Upper Nile, Equatoria und Bahr al Ghazal zu den gesperrten Gebieten.

Ein Nildampfer fährt in zehn Tagen von Kosti nach Juba an der Grenze zu Uganda. Diese Fahrt ist nicht nur wegen der zahlreichen Tiere ein Abenteuer; die Kompanie Soldaten an Bord mit ihrem nervösen Gebaren verdeutlicht die veränderte Atmosphäre zwischen Nord und Süd. Diese Boote bilden ein be- ist_ ändert nicht viel an der Lage; liebtes Angriffsziel für die Rebellen, Eines Tages konnte auch er nicht da große Mengen Waffen transpor- nach Haus6j weil sein Helm einge_ tiert werden. Die kreisrunden Löcher ^sehert war.

in den Moskitonetzen an Bord erin- Die soziale Unrast nimmt rapide nern noch an Kämpfe. zu. ^jjo jobs vacant“, keine Stellen

Mal akai, Hauptstadt der oberen frei, steht auf einer kleinen verwit- Nilprovinz, hat schwere Zeiten hinter terten Tafel am Arbeitsministerium, sich. 1964 und 1965 waren die schlimmsten Jahre des Krieges: Blutige Gemetzel

Tote, deren Bäuche nicht richtig auf- In Juba befand sich seit jeher das geschlitzt waren, trieben auf dem Nil. Zentrum des Aufstands. In der In Warwjok, einige Kilometer süd- Hauptstadt Equatorias brach am lieh von Malakal, drang um fünf Uhr 20. August 1955 die Meuterei von morgens die Armee in die Siedlung Juba aus: Das Equatoria-Korps, die ein. Mehr als tausend Einwohner schwarze Armee der Engländer, wei- wurden erschossen, um zu verhin- gerte sich, ohne Munition den Süden dem, daß noch mehr Dorfbewohner zu verlassen, um noch vor der Unab- zu den Rebellen überliefen. Am Zu- hängigkeitserklärung in die sudanesi- sammenfluß des Sobats und des Wei- sehe Armee integriert zu werden, ßen Nil liegt Doleib Hil, früher eine Heute ist es schwierig, die Stadt zu bedeutende amerikanische Missions- verlassen. Aufständische verminen Station; heute stehen nur noch zwei die Straßen. Der Nimule-National- Steinhäuser. Vierundzwanzig Lehrer park, wildreicher als Serengeti, wur- dieses Dorfes wurden nach Kodok, de von allen Wildaufsehern geräumt, dem historischen Fashoda, deportiert da sie ihres Lebens nicht mehr sicher und gehängt. Überlebende haben waren. Der Armeekommandant der sich heute noch nicht von den erlitte- Legion freilich kann die vielge- nen Foltern erholt. Heute ist Mala- äußerte Behauptung, Israel unter- kal ein bedeutender Marktflecken, stütze die Rebellen, nicht beweisen: von Flüchtlingen aus dem Land Das erste Gewehr, das ein Soldat auf überfüllt. Der Großteil von ihnen seinen Befehl aus dem beschlagist „heidnisch“, einige sind Christen, nahmten Arsenal vorzeigt, ist ausge- ganz wenige Mohammedaner. Entge- rechnet ein chinesisches Fabrikat! gen vielfachen Behauptungen bildet Heute werden die Angriffe der Re- weder der frühere Sklavenhandel bellen auf Polizeiposten zum Vor- noch die Religionszugehörigkeit den wand genommen, um Dörfer zu ver- Hauptgrund des Konfliktes, sondern nichten. Ende Juli dieses Jahres der „Kolonialismus“ — praktiziert wurde das Dorf Kaya im Torit- von den Arabern aus dem Norden. Distrikt östlich von Juba zerstört, Alle höheren Stellungen werden von weil die Armee nicht zwischen Reden Arabern besetzt. Und daß ein bellen und friedlichen Bewohnern zweiter stellvertretender Gouver- unterscheiden kann. Numeiri erließ neur von Upper Nile ein Schwarzer ein Amnestiegesetz, das allen Auf-

ständischen keine Bestrafung und sofortige Beschäftigung versprach. Überläufer bestätigten, daß den Rebellen dadurch das Wasser abgegraben wurde. Am 15. Oktober 1970 lief dieses Gesetz aus; der Oberbefehlshaber General Khalid Hassan Abbas bemerkte, daß jetzt wieder „härter“ vorgegangen werde.

Die ehemalige Missionsschule von Mboro ist von hohem Gras umgeben. Die früheren Schulräume erzählen die traurig-schreckliche Geschichte vom Tod unschuldiger Kinder: eingetrocknete Blutrinnsale die Wände herunter, unzählige Kugeleinschüsse sind über die Mauern verstreut. Im Lehrerzimmer herrscht Unordnung, Bücher liegen herum, auch hier Blutflecke und Kugeln Die Kinder benützten die einst weißen Wände, um ihre Eindrücke wiederzugeben: Zeichnungen, die Maschinengewehre, manchmal auch ein totes Tier, von einem Pfeil durchbohrt, darstellen. In der Nähe Mbo- ros liegt der frühere Marktflecken Bisselia. Außer einem neuerbauten Polizeiposten gibt es auch hier nur zerstörte Steinhäuser. Wie viele Menschen kamen durch die Willkür der Armee um? Diese Frage kann oder will niemand genau beantworten. Mehrmals wurden jedoch erschreckend hohe Zahlen, bis zu eineinhalb Millionen, genannt, ebenso viele Flüchtlinge. Der Krieg stoppte nicht nur den Fortschritt, sondern radierte ihn total aus.

Hilfe von außen

In den Augen der Regierung bildeten die geschulten Schwarzen das Hauptübel. Sie waren und sind es, die eine Separation oder zumindest eine Föderation herbeiführen wollen. Darum wurde mit aller Härte und Grausamkeit gegen sie vorgegangen: In Wau feierte 1965 eine neunzig- köpfige Gesellschaft die Heirat ihres gebildeten Freundes. Die Polizei erschoß alle — weil das Versammlungsverbot verletzt worden sei.

Daß die Regierung Numeiris die Unbildung der Bevölkerung beseitigen -will, ist anzuzweifeln, solange nur eine einzige Mittelschule im drei Millionen Einwohner zählenden Süden, in Malakal, existiert. Und mindestens zur Hälfte wird diese Schule noch von ansässigen Arabern besucht.

Daß der Sonntag und nicht der Freitag im Süden der gesetzliche Feiertag ist, vermag die verbitterten Schwarzen nicht umzustimmen. Und nur klare Autonomiezugeständnisse könnten zu einer Befriedung führen. Auch außenpolitisch gesehen bringt das Problem den Sudanesen Schwierigkeiten: Äthiopien unterstützt die Rebellen, der Sudan hilft dafür nach Kräften der Befreiungsbewegung Eritreas; de*1 Tschad gewährt Flüchtlingen Unterschlupf, und der Sudan wiederum schürt dort den Aufstand der Araber gegen die Schwarzen. Und der Krieg geht weiter. Ein Krieg, von dem man nur am Rande hört. Der aber schon mehr Opfer gefordert hat als der Krieg in Vietnam.

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