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Ein Krieg, den die Soldaten nicht wollen

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Er galt als einer der besten Offiziere der israelischen Panzertruppe: der 31jährige Oberst Eli Geva. Doch vergangene Woche bat er um die Befreiung von seinem Posten als Kommadant einer Panzerbrigade, die vor Beirut steht. Begründung: Er könne es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren, seine Männer in einem Sturmangriff nach Westbeirut zu führen, zu viele israelische Soldaten müßten in den Straßen der Stadt ihr Leben lassen.

Jetzt steht der Panzeroberst nicht nur vor der Enthebung seines Kommandos, sondern auch vor der Entlassung aus der Armee. Dennoch: Sein Gewissensprotest erregte die israelische Öffentlichkeit, ist er doch nicht der einzige seiner Art. Vor allem die Reservisten stehen diesem Krieg überaus kritisch gegenüber, vor allem aber den Kriegszielen.

„Verteidigungsminister Ariel Scharon hat uns gesagt, wir sollen einen 40 Kilometer breiten Sicherheitsgürtel schaffen, damit Nordisrael nicht mehr von den PLO-Kanonen getroffen werden kann. Wir haben diesen Gürtel schon längst hinter uns und haben das Gefühl, daß wir nur die schmutzige Arbeit für die westliche Welt und für die Libanesen leisten. Man zeigt uns christliche Libanesen, die uns mit Begeisterung aufnehmen. Aber warum müssen ich oder meine Kameraden für diese fallen beziehungsweise für bessere Verhandlungstrümpfe in der Hand unser Leben opfern”, fragt der 25jährige Nadav Drori, ein Panzergrenadier, im Zivilleben Computerspezialist.

„Der Begriff .Friede für Galiläa' wirkt heute, wo wir 60 Kilometer weiter an der Straße Damaskus-Beirut gegen die Syrer kämpfen, lächerlich”, erklärt der 32jährige Esra Barmea nach seiner Heimkehr vom Reservedienst als Fallschirmjäger in sein Dorf Bejt-Ja-nai, als alles aus ihm herausplatzte, was ihm gegen diesen Krieg einfiel.

Ein anderer Soldat, der 36jähri-ge Adi Rosental aus dem Kibbuz Schefaim, Veteran dreier Kriege, stößt ins selbe Horn, wenn er sagt: „Mein Leben ist teurer als ein Stückchen Boden, teurer als jedes Prinzip und jede Gehirnwäsche. Man verlangt von uns, den Mund zu halten, solange wir kämpfen;' und da soll ich für Dinge, an die ich nicht glaube, mein Leben lassen? Solange Kriege ein Teil unserer Lebenskultur sind, wird es immer Kriege geben, und meine Aussichten, im Kampf zu fallen, werden immer größer.”

„Wenn ich die verbrannten Syrer sehe, denke ich: um Gotteswü-len, unsere Jungs, die in ihren Panzern verbrannten, sehen sicher genauso aus”, meint Jakob Stein (25), Panzergrenadier, der im Zivilleben Staatswissenschaften und Philosophie studiert. Stein hat zusammen mit etwa hundert Panzergrenadieren aus seiner Einheit eine Riesenanzeige gegen die Fortsetzung des Libanonkrieges in der israelischen Presse veröffentlicht.

„Als Scharon kam, um mit uns zu reden, wurde es erst still. Er fühlte sich hier sehr unbequem und ging schnell wieder fort. Der ultrarechte Rabbi Druckmann kam auch zu uns, um eine Gehirnwäscherede zu halten. Wir aber sagten ihm, er solle lieber in die Synagoge für den Frieden beten gehen. Als er immer noch nicht begriff, wo er war, flogen ihm Tomaten entgegen - Gott sei dank weiche”, erzählt ein blutjunger

Infanterist, der mit seiner Einheit die Linie an der Straße Damaskus—Beirut hält.

„Seien Sie vorsichtig”, sagt er, „hier gibt es noch nichtexplodier-te Bomben, Granaten, auch Minen haben die Syrer zurückgelassen. Man kann leicht in die Luft fliegen.”

Der Weg von Israel an die Ostfront führt durch die christliche Enklave des Majors Saad Had-dad. Nachdem man die zerbombten Dörfer passiert hat, gerät man in eine zauberhafte Landschaft: Obstbäume, grüne Felder und malerische, saubere Dörfer—ähnlich wie in Südfrankreich. Doch die verbrannten syrischen Panzer und Lastwagen, an denen wir vorbeifahren, und der Geruch verwester Leichen erinnern einen an das Schlachtfeld.

Mit einemmal hört die Landstraße auf. Ein Stacheldrahtverhau verstellt uns den Weg, die anwesenden Soldaten sind der Beweis dafür, daß hier immer noch Krieg ist.

Einige hundert Meter weiter verläuft die Feuereinstellungs-Linie. Hunderte Maschinenpistolenpatronen, MG-Patronen und Granatenhülsen liegen auf dem Boden verstreut.

Ein schmutziger Krieg

300 Meter von hier stehen die Syrer. Man kann sie mit einem Fernrohr beobachten. Leutnant Joram berichtet: „Unser Marsch ging schnell voran, doch als man uns sagte, hier bleibt ihr stehen, weil jetzt Waffenruhe herrscht, waren wir richtig froh. Was für einen Sinn hat es auch, weiter zu rennen. Wir wissen so und so nicht, warum wir hier sind.”

Der Sanitäter Josef erzählt: „Was soll ich Ihnen sagen? Wir machen alle mit, wir sind ja Israelis, auch wenn's uns nicht gefällt. Aber schön ist was anderes. Wir haben nicht viele Verluste, aber sie tun weh. Ich könnte den ganzen Tag über meine gefallenen Freunde weinen.”

Und Joram: „Ja, hier sind die Diskussionen bei weitem schärfer als zu Hause. Es ist Krieg. Aber die Bauern bebauen ringsherum weiter ihre Felder, als wäre nichts geschehen.”

Wir fahren weiter. Immer wieder stoßen wir auf verbrannte Panzer, syrische und israelische — ausgebrannt, ihre Insassen sind tot. Immer wieder treffen wir israelische Truppen, die seit Wochen nur in Schlafsäcken übernachten, sich nicht richtig waschen können und nur nach Hause wollen. Für sie ist der Krieg im wahrsten Sinne des Wortes schmutzig.

Trotz alledem wäre es übertrieben zu behaupten, die israelischen Soldaten akzeptierten nicht mehr die Regeln des Gehorsams — im Gegenteil: die Disziplin innerhalb der Streitkräfte ist nach wie vor unerschüttert. Denn letztlich zählt bei den Soldaten doch die Devise: „Right or wrong — my country!”

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