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Bilder aus Israel

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Als ich das Heilige Land am frühen Morgen zum ersten Male aus dem Meere auftauchen sah, lagen schwere Wolken über dem Berge Karmel und Rauchschwaden stiegen über Haifa auf. Ich stand am Bug mit einigen Juden, die darauf warteten, daß die Fahne von Israel hochgezogen wurde. Dann leuchteten ihre Augen und sie riefen „Schalom“, das ist „Friede“.

„Früher haben wir bei der Landung den heiligen Boden geküßt, aber jetzt tun wir es nicht mehr, die Beamten sind so komisch“, erzählte einer von ihnen.

Ein christlicher Pilger, der das hörte, meinte zu mir: „Auch ich habe mir vorgenommen, den Boden zu küssen, nur werde ich es nicht bei der Landung tun, sondern in der ersten Kirche.“

Es gibt kein Land, dessen Städte, Dörfer und Berge so bekannt sind auf der ganzen Welt wie Palästina. Von Bethlehem, Naza-reth und Jerusalem hört das Kind schon früher erzählen, ehe es noch seine eigene Heimat kennt. Kein anderes Land kann sich rühmen, daß der Herr dort gelebt und gestorben ist. Unser Interesse dafür wird immer wach bleiben, und es ist uns nicht gleichgültig, was dort geschieht. Was geschieht im Heiligen Land? Wie sieht es heute dort aus?

Haifa ist ein moderner Hafen, der größte weitum, die Stadt ist in amerikanischem Stil gewachsen und die Juden sind stolz darauf. Am Hafen sieht man noch das zerstörte Araberviertel. Der Oelstrom, der von Persien nach Haifa floß und dort in den riesigen Raffinerien verarbeitet wurde, ist versiegt. Die Aufschriften sind in hebräischer Schrift, aber man kann auch da und dort zu deutsch lesen: „Hier werden Kleider aus mitgebrachten Stoffen angefertigt.“

Auf dem Karmel, der sich über Haifa aufbaut, hat sich Militär in einem Teil des Franziskanerklosters festgesetzt. Dort sah ich zum ersten Male jüdische Soldatinnen. In Israel sind die Mädchen ebenso militärpflichtig wie die Burschen, die über ein Jahr dienen müssen. Verständlich ist dies aus der

gefährdeten Lage des Landes, das noch immer keinen Frieden mit seinen arabischen Nachbarn hat. Im Kriege hat man alle Kräfte gebraucht und auch die Mädchen haben sich tapfer geschlagen. Jetzt verwendet man sie nicht mehr an der Front, nachdem man erfahren hat, was das Schicksal der von den Arabern gefangenen jüdischen Soldatenmädchen war.

Die Ebene Esdelon, die von Haifa nach Nazareth zieht, ist von vielen Dörfern besiedelt. Als ich sie des Nachts durchfuhr, leuchtete sie mit tausend Lichtern. Hier sieht man am deutlichsten, wie die Juden das Angesicht der Landschaft verändern. Ich habe mit einem darüber diskutiert und sagte ihm, sie verunzierten die Landschaft. Die neuen Siedlungen bestehen nämlich aus genormten kistenförmigen Häuschen, die man wie auf dem Reißbrett in die Gegend stellt. „Wir sind nicht zum Spaß hier“, entgegnete mir der Jude, „wir müssen schaffen und leben.“ „Ich habe gesehen, was ihr in den letzten 15 Jahren verändert habt. Wenn das so weitergeht, möchte ich nicht mehr herkommen, denn dann werden wir den biblischen Boden nicht wiedererkennen', sagte ich. „Da brauchen Sie bloß hinüber zu den Arabern zu gehen, dort ist alles so wie vor 2000 Jahren. Faulheit, Not und Armut!“

In Nazareth leben die christlichen Araber beisammen, die nicht geflüchtet sind. Die Stadt ist überfüllt und die Not ist groß. Kein Wunder, daß dort die meisten Kommunisten sind. Ich hörte den Streit eines Arabers mit einem Juden. Der Araber schrie: „Bringt uns gleich um, dann sind wir von euch und ihr von uns erlöst. Aber laßt uns nicht langsam verhungern!“ Die Arbeitsmöglichkeiten sind für die Araber erschwert. Denn in Israel gibt es viele Arbeitslose. Die Regierung führt eine Aktion durch mit dem Motto „Von der Stadt aufs Land!“ Einige Tausend haben sich denn auch für die Landarbeit gemeldet.

Die Juden sind nicht auf Rosen gebettet. Sie haben noch immer Lebensmittelkarten, bekommen 1.50 kg Fleisch im Monat, und

auf dem Schwarzen Markt verlangt man hohe Ueberpreise. Des Nachts ziehen die Araber über die Grenze und bringen von drüben, was der Schwarze Markt braucht. Die Grenze ist zu lang, als daß man sie vollständig abschließen könnte. Anderseits ist der Lebensstandard der Juden sehr hoch. Ich fragte ein junges Paar, ob es notwendig sei, daß sie beide verdienen. Sie sagte darauf: „Jetzt haben wir uns Wohnung und Einrichtung angeschafft. Nun sparen wir auf einen Kühlschrank und dann wollen wir ein Auto haben.“ Kind haben sie noch keines.

Die Juden sind überaus tolerant gegen die Christen, nur in einem Punkte kennen sie keinen Spaß: die christliche Judenmission wird mit größter Erbitterung bekämpft. Es dürfen auch keine neuen Ordenssiedlungen gebildet werden. Die getauften Juden dürfen sich nicht bekennen, sonst werden sie wirtschaftlich ruiniert. Der Oberrabbiner bezeichnet die christlichen Missionäre in Israel in einem offiziellen Schreiben als „Sendboten des Teufels“; er fand aber dabei Widerspruch bei den eigenen Leuten.

Im Kriege haben sich die Juden gut gehalten. „Was wollen Sie“, sagte mir einer, „wir mußten kämpfen oder die Araber hätten uns ins Meer geworfen.“ Die Rüstung und die Armee ruiniert das kleine Land, doch ehe Friede ist, müssen sie auf der Hut sein. Die arabische Welt ist sich einig im Haß gegen die Juden. Ihren Anspruch auf das Land lassen sie nicht gelten. „Mit gleichem Recht“, sagte mir ein Araber, „könnten wir ganz Spanien, den Balkan und Ungarn bis Wien beanspruchen, denn das gehörte alles einmal uns.“ Doch die Juden brauchen ihre nationale Heimstätte. Aber sie sind des Krieges müde und hätten gerne Frieden.

Als am 15. Mai 1948 das britische Mandat über Palästina erlosch, begannen die Kämpfe. Schließlich hat sich folgender Status ergeben: Die Aegypter haben den kleinen Streifen bei Gaza erobert. Transjordanien hat Samaria und Judäa mit der Altstadt von Jerusalem, Bethlehem und Jericho besetzt. Die Juden haben ganz Galiläa im Besitz, die Küste von Akkon bis Askalon, die Ebene Esdrelon, die Ebene Saron, einen Korridor nach Jerusalem, die Neustadt von Jerusalem und die große Wüste im Süden, den „Negev“, das Trockenland. Israel ist nicht so groß wie Nieder-und Oberösterreich, und von diesem kleinen Land ist die Hälfte Wüste. Im Augenblick herrscht noch immer nur ein Waffenstillstand. Das kommt einem am deutlichsten zum Bewußtsein, wenn man in Jerusalem beim Mandelbaumtor über die Grenze geht. Da läuft ein breiter Streifen Niemandsland zwischendurch. Die Häuser sind zerschossen, die Straßen aufgerissen und mit Stacheldraht versperrt. Militär patrouilliert. Für Ausländer ist ein Uebertritt möglich, aber auch nur in einer Richtung. Der jüdische Grenzer

untersuchte jede Brieftasche und ließ sich das Geld vorzählen. Eine Wiener Jüdin aus der Gumpendorfer Straße hat den Schlüssel zum Niemandsland. Eine neue Welt empfängt einen drüben.

Die in Israel gelegenen wichtigsten heiligen Stätten sind Nazareth, der See Genesareth, Tabor, Karmel, Kapernaum, St. Johann im Gebirge. Sie genießen staatlichen Schutz und werden noch selten von Pilgern besucht, obwohl die Juden einen Fremdenverkehr wünschen würden, weil sie Devisen brauchen. Israel hat eine katastrophale Finanzlage: 1949 kam auf einen Import von 87 Millionen ein Export von nur 10 Millionen israel. Pfund. Trotzdem lebt das Land und wird aufgebaut. Beiträge und Unterstützungen der Juden aus der ganzen Welt helfen daran mit.

Doch gibt es Inseln der Unberührtheit. Galiläa ist noch immer ein Paradies. Wenn man auf dem Hochland in der erhabenen Einsamkeit dahinwandert, dann vermeint man noch immer dem Herrn zu begegnen. Gewaltig ragt der schneebedeckte Hermon über dem lieblichen See von Genesareth und der Tabor ist so wie er war. Unvergeßlich wird mir jene Nacht bleiben, da plötzlich aus den Wolken das Mondlicht den See überflutete und im Hintergrund der Hügel auftauchte, auf dem Jesus die Bergpredigt hielt. Unvergeßlich auch jener strahlende Frühlingstag, da ich vom Tabor aus auf das ausgebreitete Land sah, wo Naim neben Endor liegt und hinten Gilboa, wo Saul mit seinen Tapferen fiel...

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