Pfauensoldaten endlich abgelöst

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Die größte UN-Friedenstruppe zieht in den Sudan, das untätige Zuschauen hat ein Ende.

Über die derzeit in der sudanesischen Krisenprovinz Darfur stationierten 7000 Soldaten der Afrikanischen Union (AU) bekommt man in der Hauptstadt Khartum nichts Gutes zu hören: Anstatt die Zivilbevölkerung zu schützen, würden sich die schlecht ausgerüsteten Truppen in ihrem Lager verschanzen, erzählt ein aus West-Darfur zurückgekehrter Mitarbeiter der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen: "Die sind vor allem mit sich selbst beschäftigt", fügt er hinzu, "und dass ihre Uniformen nur ja richtig sitzen, wie die Pfauen stolzieren sie herum - völlig sinnlos!"

Auch die Mehrheit der Mitglieder des UN-Sicherheitsrats der Vereinten Nationen bemängelt schon seit langem diese Mischung aus militärischer Ineffizienz und politisch verursachter Kompetenzlosigkeit der AU-Truppen. Abhilfe soll eine starke UN-Friedenstruppe schaffen, doch China legte sich lange quer - bis letzte Woche: Nachdem die Androhung von Sanktionen gegen das Regime in Khartum fallen gelassen wurde, konnte einstimmig die Entsendung von 26.000 UN-Soldaten und-Polizisten nach Darfur beschlossen werden.

Schwarzer Peter für China?

Damit hat sich die Vorhersage des EU-Botschafters im Sudan, Kent Degenfelt, bewahrheitet. In einem Gespräch mit österreichischen Journalisten im Botschaftsgebäude in Khartum äußerte sich der Schwede schon im Vorfeld der Sicherheitsrat-Entscheidung optimistisch, sprach von einem "window of opportunity", weil zum ersten Mal in der Geschichte des Darfur-Konflikts sowohl die sudanesische Regierung als auch China, USA und Europa "in die gleiche Richtung denken".

60 Personen arbeiten in der gut bewachten EU-Botschaft in Khartum. Ein deutlicher Beweis für das große Interesse Europas am flächenmäßig größten Staat Afrikas. Der Botschafter betonte aber ausdrücklich, dass die wirtschaftlichen Interessen der EU im Sudan "immer im Einklang zu europäischen Werten und den Menschenrechtsstandards" stehen. Im Gegensatz zu Pekings Politik, bemängelt Degenfelt, "der es ausschließlich um das Geschäft in und mit dem Sudan geht". Chinas Veto im Sicherheitsrat und das dadurch verursachte Hinauszögern des UN-Einsatzes in Darfur wird insofern als chinesischer Freundschaftsdienst am Wirtschaftspartner Sudan gewertet.

"Playing the blame game", nennen das die beiden Harvard-Wissenschafter Jason Qian und Anne Wu in einem vor kurzem erschienenen Gastkommentar in der International Herald Tribune und tadeln darin die Haltung des Westens, China den schwarzen Peter im Sudan zuzuspielen. Erstens solle man den Einfluss Pekings in Khartum, so die beiden Autoren, nicht überschätzen; zweitens seien "drohende Stöcke" gegenüber dem sudanesischen Militärregime kontraproduktiv und drittens verfolge China für die Lösung des Darfur-Konflikts eine langfristige Strategie, die nur in der Entwicklung der wirtschaftlich zurückgebliebenen Region liegen kann.

Sollte Peking tatsächlich am Aufbau einer tragfähigen Infrastruktur in Darfur und nicht primär an eigenen Wirtschaftsinteressen gelegen sein, wäre der Beweis dafür leicht zu erbringen. UNO-Experten schlagen vor, die Einnahmen des Sudan aus dem Rohöl-Verkauf in einen internationalen "Fonds zum Wiederaufbau von Darfur" fließen zu lassen und damit Entwicklungs- und Hilfsprojekte zu finanzieren. Auf diese Weise könnte das Öl-Geld der sudanesischen Armee und den mit ihr verbündeten Janjaweed-Reitermilizen entzogen werden.

Zu alt für Darfur-Rückkehr

EU-Botschafter Degenfelt bestätigt eine "Verbindung" zwischen der Regierung in Khartum und den brandschatzenden und die Zivilbevölkerung terrorisierenden Janjaweed; dass die Staatsmacht aber noch die völlige Kontrolle über die arabischen Kämpfer hat, glaubt er nicht. Die Lage habe sich "sehr verkompliziert": 2003 gab es zwei Rebellen-Gruppen, mittlerweile hätten sich diese in 20 Untergruppen aufgesplittert.

Vordringliche Aufgabe für die UN-Mission in Darfur wird sein, die Flüchtlingsströme vertriebener Darfuris in den Westen über die Grenze nach Tschad oder nach Osten in die Hauptstadt Khartum zu stoppen. Nach UN-Schätzungen starben 200.000 Menschen im Darfur-Krieg und mindestens 2,1 Millionen mussten fliehen. Einer dieser Flüchtlinge ist der "ungefähr 70 Jahre" alte Kor. Die waagrechte Anordnung von künstlichen Warzen in seinem Gesicht weist ihn als Angehörigen einer bestimmten Darfur-Ethnie aus. In einer von der Caritas unterstützten Freitags-Klinik der sudanesischen Vinzenzgemeinschaft holt er sich Gratis-Medikamente gegen das "Reißen" in seinen Gliedern. Dass er einmal wieder in seine Heimat zurückkehren kann, glaubt er nicht mehr: "Ich bin schon zu alt" - aber für seine Tochter und ihre drei Kinder hofft er, denn "hier können wir überleben, aber es ist kein guter Platz zum Leben".

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