Die Kriegsverbrecher schützt kein Präsidentenamt

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Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit lautet der siebte Anklagepunkt gegen den sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir. Angriffe gegen Zivilisten, Brandschatzung, Mord, Vernichtung, Zwangsumsiedlung und Folter sind die sechs anderen Vorwürfe, mit denen der Internationale Strafgerichtshof (ICC) den Haftbefehl gegen Bashir begründet. Das Weltstrafgericht in Den Haag hält das Staatsoberhaupt "als indirekten Straftäter oder indirekten Mit-Straftäter" strafrechtlich verantwortlich für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Darfur. Ein Konflikt mit 300.000 Toten und 2,5 Millionen Flüchtlingen.

Der Den-Haager Chefankläger Luis Moreno-Ocampo hatte den Haftbefehl gegen Bashir im Sommer 2008 beantragt. Nach monatelanger Prüfung folgte ihm Mitte vergangener Woche das Gericht weitgehend. Nur für den Vorwurf des Völkermords sah das Tribunal zuwenig Beweise. Es sei nicht belegbar, ob Bashir mit der Absicht gehandelt habe, drei Volksstämme in Darfur auszulöschen. Bashir rechtfertigte sich, Aufständische zu bekämpfen. "Den Haftbefehl können sich die Richter auf den Hut stecken", wetterte er nach Veröffentlichung des Haftbefehls vor jubelnden Anhängern in der Hauptstadt Khartum. "Wir sind bereit, uns dem Kolonialismus zu widersetzen", erklärte der Präsident. Die führenden Politiker der USA und Europas seien die "wahren Kriminellen" und der Internationale Strafgerichtshof ein "hundertprozentiger Komplott der Zionisten".

In Wien übernahm nach Veröffentlichung des Haftbefehls der Berater Bashirs und Vorsitzende im Ausschuss für Außenbeziehungen im sudanesischen Parlament, Mahdi Ibrahim Mohammed, die Verteidigung des Präsidenten. Vor seinem Treffen mit Journalisten in der Wiener UNO-City traf Mahdi Außenminister Michael Spindelegger. Österreich hat eine Schlüsselposition in der Causa, da es neben seinem Sitz im Sicherheitsrat in diesem Jahr auch dem UN-Sanktionenkomitee für den Sudan vorsteht. Spindelegger erklärte, Österreichs Position wolle sich "von seinem Bekenntnis zur Herrschaft des Rechts leiten lassen".

Freibrief für Aufständische, Einladung zum Chaos

Genau diese Herrschaft des Rechts bestreitet Mahdi Ibrahim Mohammed. Er spricht stattdessen von einer "Vendetta gegen den Sudan", nennt Chefankläger Moreno-Ocambo einen "politischen Aktivisten", der sich von Regierungen instrumentalisieren und aus persönlicher Eitelkeit zum "Helden" stilisieren lasse.

Einen besseren Verteidiger als Mahdi Ibrahim kann sich Präsident Bashir nicht wünschen. Zuerst steckt er die riesigen Dimensionen des Sudan ab: größer als Westeuropa, 473 ethnische Gruppen, 400 Sprachen und Dialekte, alle Religionen Afrikas … Damit soll die Presse eine Ahnung davon bekommen, wie schwierig es sein muss, ein solches Land zu regieren. Und zu befrieden. Genau das behauptet Mahdi von Bashir. Der mutmaßliche Kriegsverbrecher soll das Gegenteil sein: ein Friedensmakler. Der jahrzehntelange Krieg zwischen dem Nord- und Südsudan, die Aufstände im Osten und zuletzt die Krise in Darfur - laut Mahdi alles von Bashir befriedet. Mit dem Haftbefehl aus Den Haag bekämen die Aufständischen jedoch einen Freibrief, den Kampf gegen die rechtmäßig gewählte Regierung wieder neu zu eröffnen.

Moreno-Ocampos Anklage liest sich diametral anders: Bashir ist der gewiefte Strippenzieher, der regionale Clanchefs mit der Lizenz und Logistik zum Töten und Brandschatzen ausstattet, um die Macht seiner Zentrale zu stärken. Bashir weigert sich, den Wahrheitsbeweis für seine Unschuld in Den Haag anzutreten. Er spricht dem ICC jede Legitimität ab. Mit China und anderen ICC-Gegnern hat er einflussreiche Unterstützer. Und Mahdi nennt auch Bashirs bestes Gegenargument: Warum wird ein afrikanischer Staatschef angeklagt, während das US-Vorgehen im Irak und Afghanistan oder die israelische Militäroffensive in Gaza kein Thema für den ICC sind? Mahdis Antwort: "Das ICC ist kein Gericht, sondern ein Zirkus!"

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