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Kehre zurück, alles verziehen!

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Während Ponomarew auf dem Flughafen von Kairo seine Aeroflot- Maschine nach Moskau bestieg, flogen schon 2000 sudanesische Soldaten in russischen Antonows Richtung Süden — Khartum. Ponomarew hatte als Gastdelegierter am Kongreß der Sozialistischen Einheitsorganisation Ägyptens teilgenommen; politische Demonstration und Gegenbesuch, denn die ägyptische Monopolpartei hatte eine Delegation zum 29. Panteikongreß der KPdSU entsandt.

In Ponomarews Gepäck waren drei Resolutionen des Kongresses der arabischen „Bruderpartei“, Solidarische Grüße für die KPdSU, Beschwörungsformeln von der „Antiimperialistischen Einheit“. Die 2000 sudanesischen Soldaten von den arabischen Befestigungen am Suez führten andere Grüße in ihrem Gepäck: Marschbefehle und Munition zur Liquidierung des Putsches im Sudan, als dessen Rädelsführer wenige Tage später Abdel Khaleb Magouib, Führer der KP des Sudan, und Shafie Ahmed Sheik, Leninpreis- träger, Führer der kommunistsichen Massengewerkschaft und Vizepräsident des Weltgewerkschaftsbundes, hingerichtet wurden.

Moskau war bestürzt. Als die Sowjetkommiunigten die Sprache wiederfanden, zeigte sich, daß auf der Waage der Sowjetpolitik das Gepäck Ponomarews viel mehr wog als die Liquidierung der KP im Sudan. Die Erschießung eines Leninpreisträ- gers konnte freilich nicht übergangen werden, aber es war ein eigenartiger Protest, sozusagen: „Kehre zurück, alles verziehen!“

Das war das Grundmotiv aller Deklarationen, von der „Prawda“ bis zur „Volksstimme“. Kehre zurück in das gemeinsame Lager des „Antiimperialismus“, des Antizionismus. Im gemeinsamen Kampf werden dann die Wunden verheilen. Die Reaktionen der Sowjets und der Sowjettreuen wurden noch gedämpf ter und zugleich noch sehnsuchtsvoller, als es sich zeigte, daß Peking mitmischte.

Die unglückliche Liebe Moskaus zum Chauvinismus islamischer Kreise ist fast so alt wie die internationale Politik der Kommunisten. Der erste internationale Aufruf der Sowjets war 1918 an den unruhigen Islam in Asien gesichtet. In den zwanziger Jahren errang Tan Mal- laka, der indonesische Rebell, dominierenden Einfluß auf die Asien- politik der Komintern. Seine Botschaft: Der heilige Krieg des Islams ist ein Krieg gegen England, ein Krieg gegen den Imperialismus, unser, der Kommunisten eigener Krieg. Dieser Weg Moskaus ist durch große Namen gezeichnet: gleich am Anfang Kernai Atatürk und dessen Todfeind Enver Paschas. Freilich ließ Moskau diese Taktik auch für den asiatischen Nationalismus außerhalb des Islams gelten. Tschiangkaischek erhielt noch sowjetische Hilfe, als es schon sicher war, daß die Waffen gegen Maos Bauernarmee gerichtet sein würden.

Später erkannten die autokratischen Nachfahren Lenins den autokratisch-traditionellen Charakter der arabischen Revolution. Persönliches Verständnis und Sympathie verstärken die Bindungen.

Antiimerpialismus, Antizionismus ist die politisch-emotionelle Kraft, auf die alle Kommunisten der arabischen Welt setzen. Eine gefährliche Karte für die Sowjetkommunisten. Die Rivalen in Peking können sie noch viel skrupelloser ausspielen als Moskau.

Am 25. Februar 1970 fand in Khartum die Tagung des Büros der Gewerkschaftsintemationale WGB statt. Feierlich wurde sie vom Präsidenten des Obersten Revolutions- rates eröffnet, Ghafar Mohammed Numeri: „Vom ersten Tag hat die Revolution vom 25. Mai in den sudanesischen Gewerkschaften eine feste Stütze im Kampf gegen ihre Feinde gefunden…“

Neben ihm saß der Führer dieser Gewerkschaft, el Sheikh. El Sheik und fast alle sudanesischen Kommunisten, dile damals die Revolution vom 25. Mai feierten, sind im Weißen Terror umgebracht worden. Ist aber Numeri bereit, zurückzukehren zur gemeinsamen „Front des Antiimperialismus“, wird Gras über den Gräbern der Opfer des weißen Terrors wachsen und die Schlächter werden wieder die Bündnispartner Moskaus sein.

Die Sowjets haben keine andere Möglichkeit, will Moskau im Nahen Osten bestehen und seine Machtposition in diesem Raum halten und ausbauen.

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